Die Wienerin Marlene Engelhorn kritisiert Überreichtum als undemokratisch und will den Großteil eines Millionenerbes rückverteilen. Der Staat fordert aber keine Steuern. Was tun?
ZDFheute: Frau Engelhorn, Ihre Großmutter Traudl Engelhorn-Vechiatto ist vor Kurzem im Alter von 95 Jahren verstorben. Von ihr erben Sie nun - wie es heißt - eine Summe im hohen zweistelligen Millionenbereich. Sie schreiben in Ihrem Buch: "Auf mich kommt ein Geldvermögen zu, von dem ich verstanden habe, dass es mir nicht zusteht." Sie wollen es der Gesellschaft zurückgeben. Was haben Sie genau vor?
Marlene Engelhorn: Allein schon, dass ich mir diese Gedanken über Geld machen kann, ist ein Zeichen dafür, wie privilegiert ich bin. Ich komme aus einer überreichen Familie. Für viele Menschen ist Geld schlicht eine Frage von Haben oder Nichthaben. Etwas, das hoffentlich bis zum Monatsende reicht.
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ZDFheute: Was ist es für Sie?
Engelhorn: Eine öffentliche Ressource, das Mittel, mit dem in unserer Gesellschaft fast alles geregelt wird.
ZDFheute: Sie wollen mindestens 90 Prozent Ihrer Erbschaft abgeben und würden das am liebsten durch Steuern tun, die Sie auf das Erbe zahlen. Dabei verlangt der österreichische Staat gar nichts von Ihnen, oder?
Engelhorn: Hier wurde 2008 die Erbsteuer komplett abgeschafft. Überreichtum wie meiner sollte aber besteuert werden.
Wenn eine Regierung das nicht hinbekommt und weiterhin auf die Lobby des großen Geldes hört, dann wird es schwierig.
Digitalkapitalismus, Umweltausbeutung, Ungleichheit: Rund 150 Jahre nach Karl Marx hat der Kapitalismus Konjunktur. Aber ist er tatsächlich das Problem oder doch eher die Lösung?
ZDFheute: Sie engagieren sich in der Initiative "taxmenow" und fordern im Verbund mit anderen reichen Menschen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hohe Vermögenssteuern. Was treibt sie an?
Engelhorn: Wenn man den Gleichheitsgrundsatz konsequent durchdenkt, dann ist eine Verteilung von Vermögen durch transparente, demokratische und partizipative Strukturen nötig.
Die Politik kommt in dem Punkt einfach ihren Aufgaben nicht nach. Den Diskurs dazu versuchen wir durch die mediale Aufmerksamkeit, die uns geschenkt wird, zu befördern.
ZDFheute: Was würden Sie denn gern konkret verändert sehen?
Engelhorn: Sie müssen sich vor Augen führen, dass allein in Deutschland, wo jährlich etwa 400 Milliarden Euro vererbt werden, effektiv nur zwei Prozent beim Fiskus landen. Das ist doch absurd wenig! Überreiche werden zudem massiv bevorzugt.
Ein Beispiel: Ein Erbe von 30 Wohnungen zahlt Erbschaftssteuer - ein Erbe von 300 Wohnungen aber nicht, weil das Ganze dann als Unternehmen gilt. Entschuldigung, aber: Erstens braucht man weder 30 noch 300 Wohnungen. Dafür gibt es kein dringendes menschliches Bedürfnis.
Durch die Steuerpolitik werden die Ungleichheiten aber noch weiter massiv verstärkt. Das ist ein strukturelles Problem. Darüber muss gesprochen werden. Es braucht demokratisch legitimierte Entscheidungen. Die Politik muss endlich ihre Hausaufgaben machen.
ZDFheute: Sie sprechen von einer nötigen Umverteilung großer Vermögen. In welchen Bereichen würden Sie das Geld am sinnvollsten investiert sehen?
Engelhorn: Ich kann nichts vorgeben, aber was immer kommt, wenn ich die Frage stelle, sind: Gesundheit, Bildung und Klima. Oder auch öffentliche Infrastrukturprojekte, den Ausbau der Bahn etwa.
Es gibt so viele Beispiele dafür, wie der Staat in die Gesellschaft investieren kann, die inklusiver sind als Lieblingsprojekte einzelner Überreicher. Zwar macht auch der Staat nicht alles perfekt, aber dafür gibt es die Medien als Kontrollinstanz.
Etwa jeder Zweite in Deutschland hat nicht genug, um etwas zur Seite zu legen. Vermögensaufbau? Vorsorge? Fehlanzeige! Kann Wohlstand heute nicht mehr erarbeitet werden?
ZDFheute: Ähnlich wie in Deutschland scheint sich auch in Österreich zeitnah nichts zu ändern mit Blick auf die Erbschaftssteuern. Was machen Sie dann, wenn der Staat Ihr Geld einfach nicht will?
Engelhorn: Der Staat würde es schon wollen, unsere Regierung nur nicht. Das Problem der Rückverteilung liegt also leider bei mir. Deshalb arbeite ich durchaus daran, herauszufinden, wie ich das Geld sinnvoll einsetzen kann.
Ganz ehrlich: Dieses übergroße Vermögen gehört mir einfach nicht. Es auf Dauer privat zu verwalten, wäre eine Frechheit.
Das Interview führte Marcel Burkhardt.