Die Wirtschaftsweisen haben ihre Wachstumsprognose für Deutschland angesichts der russischen Invasion in der Ukraine drastisch gesenkt.
Das Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr nur noch um 1,8 Prozent zulegen statt der bislang erwarteten 4,6 Prozent. Das geht aus der Prognose des Sachverständigenrates hervor. Er ist damit pessimistischer als etwa das Ifo-Institut, das mit einem Plus von 2,2 bis 3,1 Prozent rechnet.
Das vor Ausbruch der Corona-Krise erreichte Niveau soll nun im Sommer wieder erreicht werden. Für 2023 sagen die Regierungsberater ein Wachstum von 3,6 Prozent voraus.
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"Durch den Krieg werden die wegen der Corona-Pandemie bereits angespannten Lieferketten zusätzlich beeinträchtigt", sagte der Wirtschaftsweise Achim Truger, der mit Veronika Grimm, Monika Schnitzer und Volker Wieland dem Rat angehört.
Besonders die teurer gewordene Energie dürften die Verbraucher immer stärker zu spüren bekommen.
Inflationsrate von 6,1 Prozent erwartet
Daher rechnet der Sachverständigenrat mit einer Inflationsrate von 6,1 Prozent in diesem Jahr. Diese soll 2023 auf 3,4 Prozent zurückgehen, aber weit entfernt vom Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent bleiben.
Die Inflation nimmt immer mehr Fahrt auf. Deswegen werden die Stimmen lauter, dass die EZB ihre Geldpolitik ändert. Doch der Krieg lässt die Sorge vor einer Rezession wachsen.
Der Kaufkraftverlust könnte die anstehenden Tarifverhandlungen beeinflussen. "Die Dynamik für Lohnforderungen dürfte ab dem zweiten Halbjahr 2022 zunehmen", sagte die Volkswirtin Grimm.
Davon sprechen Fachleute, wenn sich Löhne und Preise gegenseitig immer weiter nach oben schaukeln.
Prognose mit sehr großer Unsicherheit
Für das laufende Jahr erwartet der Sachverständigenrat ein Wachstum der von den Unternehmen tatsächlich gezahlten Löhne (Effektivlöhne) von 2,5 Prozent, im kommenden Jahr dann von 4,4 Prozent.
Aufgrund der aktuellen Lage sind immer mehr Menschen auf die Hilfe der Tafeln angewiesen. Die Spenden gehen jedoch zurück, teilweise um bis zu 80%.
Die vorliegende Prognose ist dem Gremium zufolge mit sehr großer Unsicherheit behaftet. "Die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine lassen sich aktuell nur schwer abschätzen", hieß es dazu. "Insbesondere eine weitere Verschärfung des Konfliktes sowie eine Ausweitung der Sanktionen können die deutsche und europäische Wirtschaft deutlich stärker belasten."
Energie-Lieferstopp hohes Risiko für Volkswirtschaft
Da Deutschland stark von russischer Energie abhängig sei, berge ein Stopp dieser Lieferungen das Risiko, "dass die deutsche Volkswirtschaft in eine tiefere Rezession abrutscht und die Inflation noch stärker zunimmt", warnte Schnitzer.
Die russischen Importe sind wichtig für uns, aber es gibt Alternativen, um uns langfristig unabhängig zu machen.
Dadurch, dass sich Deutschland unabhängiger von Gas- und Ölimporten aus Russland mache, stiegen langfristig die Kosten, sagte Veronika Grimm.
Grimm: Energiesicherheit bedeutet höhere Kosten
Bisher habe Deutschland billiges russisches Gas bezogen. "Die Diversifikation der Energieimporte wird auch Kostensteigerungen nach sich ziehen, die natürlich auch dauerhaft bleiben werden, wenn wir weiterhin die Energiesicherheit ausbauen wollen", sagte Grimm.
- Energiesparen im Haushalt
Die Preise für Energie sind aktuell enorm hoch. Wie man zu Hause sparen kann, erklärt die Verbraucherzentrale NRW.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wurde 1963 gegründet. Er unterstützt Politik und Öffentlichkeit in wirtschaftspolitischen Themen. Die fünfte Stelle im Gremium ist derzeit unbesetzt.
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