Mit einem ambitionierten Ziel war die Ampel in Sachen Wohnungsbau angetreten. Die Hindernisse zum Erreichen dieser Zielmarke scheinen derzeit jedoch schlicht zu groß.
Um der wachsenden Wohnungsnot im Land Herr zu werden, hielten die Koalitionäre der Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag folgendes fest:
Dieses Vorhaben wurde noch vor dem russischen Überfall auf die Ukraine und damit auch vor den rasant steigenden Energiepreisen sowie einer ausufernden Inflation formuliert. Nun drohen die Pläne der Bundesregierung an der Realität zu scheitern.
Steigende Kreditzinsen und hohe Baukosten
Wer aktuell den Bau einer Immobilie plant und dafür einen Kredit bei seiner Bank aufnehmen muss, dürfte sich nicht zuletzt der hohen Kreditkosten wegen verwundert die Augen reiben. Für ein klassisches Darlehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren müssen laut Finanzierungsvermittler Interhyp mittlerweile rund 4 Prozent Zinsen gezahlt werden, was dem höchsten Wert seit 2011 entspricht.
Die Baukosten steigen immer weiter an. Welche Folgen das für die Wohnungsbauvorhaben der Bundesregierung hat, weiß ZDF-Börsenexperte Frank Bethmann.
Anfang des Jahres hatten die Zinsen für ein vergleichbares Darlehen noch rund um die Marke von einem Prozent gelegen. Für viele ist das Bauen also einfach nicht mehr finanzierbar. Wer es sich dennoch leisten kann und will, wird mit hohen Baukosten konfrontiert.
Lieferprobleme und hohe Preise für Baumaterial
Anhaltende Lieferengpässe sorgen für Knappheit bei wichtigen Materialien, die Zahlen sprechen ihre eigene Sprache: Laut Statistischem Bundesamt stiegen die Preise für den Neubau konventionell gefertigter Wohngebäude im August im Vorjahresvergleich um 16,5 Prozent.
Im Mai wurde hier bereits ein Anstieg von 17,6 Prozent verzeichnet. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie zeigte sich angesichts der aktuellen Situation besorgt und kommentierte die negativen Entwicklungen wie folgt:
"Entweder die Projekte rechnen sich nicht mehr, oder die gestiegenen Baupreise und Zinsen sprengen das Haushaltsbudget, das ohnehin schon durch die explodierenden Energiekosten enorm belastet ist", berichtet Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie.
Stornierungen häufen sich, Baugenehmigungen sinken
Die Belastungsfaktoren sind demnach zahlreich, die Spuren schon jetzt deutlich sichtbar: Erst kürzlich hatte das ifo-Institut von einer steigenden Stornierungszahl beim Wohnungsbau berichtet, spricht in der Pressemitteilung dazu gar von einer "Stornierungswelle".
Altes Ziel, neue Bedingungen: 400 000 Wohnungen sollen jährlich gebaut werden, und das trotz steigender Baukosten. Denn am Bedarf für Wohnraum habe sich nichts geändert, so Scholz.
Zudem ging im August die Zahl der Baugenehmigungen, die als eine Art Frühindikator für die kommende Entwicklung gilt, im Vorjahresvergleich stark zurück. Auch Fachleute äußern sich mit Blick auf die Zukunft der Branche wenig optimistisch:
"Bleibt die wirtschaftliche Situation so angespannt wie im Moment, ist davon auszugehen, dass die Zahl der begonnenen Neubauprojekte deutlich zurückgehen wird", prognostiziert Pekka Sagner, Immobilienexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln.
- Wohnungsbau: "Wir müssen uns mehr anstrengen"
Zinsen steigen, Lieferketten sind gestört, Handwerker fehlen - Bauministerin Klara Geywitz hält trotzdem am Versprechen der Ampel fest: 400.000 neue Wohnungen pro Jahr.
Immobilienexperte Sagner geht davon aus, dass das Ampel-Ziel für den Wohnungsbau in diesem Jahr "deutlich verfehlt" wird und weist auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin:
Die aktuelle Gemengelage, eine Mischung aus hohen Kosten und wachsender Verunsicherung, schadet neben Häuslebauern und Immobilienentwicklern letztlich also auch der deutschen Wirtschaft. An dieser Situation dürfte sich bei gleichbleibenden Vorzeichen auf absehbare Zeit nichts ändern.