Fast eine Million Menschen in Deutschland gelten als wohnungslos. Zu lange hat die Politik das Problem verdrängt. Politik und Forschung sind sich einig: Es besteht Handlungsbedarf.
Sie leben in Autos, Garagen oder Kellern: Bis zu eine Million Menschen in Deutschland gelten als wohnungslos. Trotz Arbeit oder Rente reicht vielen das Geld nicht für ein festes Zuhause.
Beratungsstellen, Notunterkünfte, Tagestreffs unterschiedlichster Träger arbeiten gegen ein immer gewaltigeres Problem an. Trotz Arbeit oder Rente reicht bei vielen das Geld nicht mehr für ein festes Zuhause. Oft verstecken sie sich in Autos, Garagen, Kellern.
Wie Andreas F. in Bayern, der nach einer Firmenpleite zeitweise arbeitslos war und mit seinen Kindern aus der gemeinsamen Wohnung raus musste. Die Geschwister kamen bei Freunden unter, ihr Vater übernachtet in einem Keller von Bekannten.
Eine der Töchter, die sich wieder ein gemeinsames, richtiges Zuhause wünscht, ist sich sicher:
Herauszufinden, welche Hilfe sie bekommen könnten und wie, fällt vielen in so einer Situation sehr schwer. Das Angebot ist groß - aber auch unübersichtlich und regional extrem verschieden.
Eine Wohnung im teuren Frankfurt am Main kann sich Gaby von ihrem Gehalt nicht mehr leisten. Seit Jahren lebt Gaby auf dem Campingplatz und fährt zum Arbeiten in die Stadt.
Viele Wohnungslose verzichten aus Scham auf Hilfen
Aus Scham fragen viele Betroffenen nicht richtig nach und die kommunalen Hilfssysteme sind völlig überlastet. Für Expertinnen wie Sozialanthropologin Luisa Schneider vom Max-Planck-Institut Halle liegt das vor allem an einer fehlenden nationalen Strategie.
"Im Moment befinden wir uns in einer Situation, in der wir Wohnungslosigkeit managen und nicht lösen", so Schneider.
Fast eine Million ohne Wohnung - Dunkelziffer hoch
Schätzungen zufolge steigt die Zahl der Wohnungslosen seit 2008 stetig an. Inzwischen könnten es laut Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe fast eine Million Betroffene sein. Um aber das Ausmaß erfassen und langfristig angehen zu können, fordern Sozialverbände bereits seit 20 Jahren konkrete offizielle Erhebungen.
Von einem "sozialen Skandal" sprechen Soziologen. Jahrelang habe die Politik beim Thema Wohnungslosigkeit nicht gehandelt, nicht rechtzeitig gegengesteuert. Alle angekündigten "Wohnraumoffensiven" blieben aus. Die SPD war die letzten acht Jahre mitverantwortlich.
Das Konzept "Housing first" stammt aus den USA. Wohnungslose sollen dort ohne Vorbedingung ein Miniappartement erhalten.
Kühnert: Regierung muss handeln
Jetzt hat die neue Ampel-Regierung in den Koalitionsvertrag einen nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit aufgenommen. Pro Jahr sollen 100.000 Sozialwohnungen neu geschaffen werden. Zumal sich Deutschland in einer gemeinsamen Erklärung der EU-Staaten verpflichtet hat: Bis 2030 soll niemand mehr auf der Straße leben müssen.
Nach jahrelangem Wegsehen aller Parteien, sieht SPD-Vizeparteichef Kevin Kühnert darin einen Handlungsauftrag für die kommenden Regierungsjahre: "Das ist wie mit Klimaabkommen, die man schließt. Wo man dann auch nicht kurz danach darüber diskutieren kann, ob man es jetzt wirklich ernst gemeint hat."
Bis tatsächlich gehandelt wird, liegt die Last auf den vielen Menschen, die wohnungslos sind.
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- Vier Schicksale
Deniz, Andrea, Uwe und Anja: alle Vier haben keine eigene Wohnung. Die "ZDF.reportage" hat sie getroffen und mit ihnen über die Bedeutung der eigenen vier Wände gesprochen.