Experte: Ganzjährige Sommerzeit würde Energie sparen

    Interview

    Wirtschaftsexperte:Ganzjährige Sommerzeit würde Energie sparen

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    Wird mit der Zeitumstellung Energie gespart? Ein Experte widerspricht: Warum die ganzjährige Sommerzeit zu Ersparnissen führen würde, erklärt er im Interview.

    ZDFheute: Die Sommerzeit wurde 1980 im Zuge der Ölkrise eingeführt. Die Absicht war, Energie zu sparen. Hilft die Zeitumstellung, den Stromverbrauch spürbar zu senken?
    Korbinian von Blanckenburg: Das hat sich nicht bestätigt. Dazu gibt es mehrere wissenschaftliche Studien. Wir haben auch eine Studie angefertigt und haben uns den Stromverbrauch privater Haushalte angeschaut.

    ... ist Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Er forscht zum Thema Zeitumstellung.

    Wir haben das Ganze gerechnet für Szenarien mit ganzjähriger Winterzeit und ganzjähriger Sommerzeit. Und da hat sich gezeigt, dass die Zeitumstellung keinen Vorteil hat gegenüber beider Szenarien. Was uns zusätzlich überrascht hat, war, dass der Stromverbrauch in einem System mit ganzjähriger Sommerzeit sogar noch niedriger wäre. Ganzjährige Sommerzeit hätte Einsparpotenzial.
    ZDFheute: Woran liegt das?
    von Blanckenburg: Man würde die Abendhelligkeit das ganze Jahr über besser ausnutzen. Das führt dann auch zu einem anderen Freizeitverhalten, was wieder mit Energiesparen verbunden ist. Der Fernseher bleibt dann mal aus. Die Freizeitaktivität verlagert sich noch ein bisschen in den Abend. Das spart Energie.

    Die Freizeitaktivität verlagert sich noch ein bisschen in den Abend. Das spart Energie. Anders als man denkt, fällt Beleuchtungsenergie kaum noch ins Gewicht. Eher das Freizeitverhalten.

    Anders als man denkt, fällt Beleuchtungsenergie kaum noch ins Gewicht. Eher das Freizeitverhalten.
    Und morgens ist der Stromverbrauch relativ unabhängig von der Helligkeit. Toaster, Kaffeemaschine und Waschmaschine werden angemacht, egal wie hell es draußen ist.
    ZDFheute: Von welchen Summen sprechen wir?
    von Blanckenburg: Eine dauerhafte Sommerzeit spart rund 0,5 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs ein. Umgerechnet bei einem Strompreis von 39 Cent pro Kilowattstunde sind dies rund 516 Millionen Euro. Wechseln wir zu dauerhafter Winterzeit/Normalzeit zurück, käme ein Strommehrverbrauch von rund 0,78 Prozent auf uns zu. Die EU wollte die Zeitumstellung schon letztes Jahr abgeschafft haben.
    ZDFheute: Warum ist das noch nicht passiert?
    von Blanckenburg: Es scheitert an der Abstimmung der Mitgliedstaaten. Die Abschaffung der Zeitumstellung wurde beschlossen. Allerdings kann man sich nicht einigen, welches System man denn jetzt dauerhaft haben möchte. Also dauerhaft Winterzeit oder dauerhaft Sommerzeit. Da gehen die Interessen sogar in Deutschland auseinander.
    Auch hier gibt es Befürworter der Winterzeit und der Sommerzeit. Und wenn man sich das jetzt noch anschaut in den Mitgliedstaaten der EU, dann gehen die Interessen noch weiter auseinander. Das heißt, wir brauchen hier einen größeren Abstimmungsprozess. Der hat bisher noch nicht stattgefunden.
    ZDFheute: Welche Auswirkungen hat die Zeitumstellung auf Menschen und Wirtschaft?
    von Blanckenburg: Die Zeitumstellung hat viele ökonomische Nachteile. Das sind administrativen Kosten: Uhren und Fahrpläne müssen umgestellt werden. Darüber hinaus hat man auch gesehen, dass es zu Konzentrationsschwäche kommt, zu Müdigkeit.
    Milchkühe müssen schrittweise an die Zeitumstellung gewöhnt werden. Energieversorger müssen in der Nacht der Umstellung Sonderschichten fahren um die Systeme zu überwachen und sicher zu gehen, dass alles funktioniert. Das alles ist mit Kosten verbunden. Von den Fahrplanverspätungen, Zugausfällen und so weiter gar nicht zu sprechen. Es gibt auch Studien, die gezeigt haben, dass es in der Woche nach der Zeitumstellung zu mehr Verkehrsunfällen kommt. Ärzte berichten über mehr Biorhythmus-Störungen. Gerade auch ältere Menschen leiden unter der Zeitumstellung.
    Das Gespräch führte Claudia Oberst, Reporterin im ZDF-Landesstudio Saarbrücken