mit Video
Interview
Durchseuchen statt Keulen?:Umstrittener Plan gegen die Vogelgrippe
|
Mit steigenden Eierpreisen zu Ostern sorgt auch die Bekämpfung der Vogelgrippe in den USA für Schlagzeilen. Veterinärmediziner Martin Beer erklärt, welche Maßnahmen wirken.
ZDFheute: Die Amerikaner denken darüber nach, das Virus einmal durchlaufen zu lassen - also eine Durchseuchung. Was halten Sie davon?
Martin Beer: Bei dem Vogelgrippe-Virus macht das keinen Sinn, denn das Virus hat eine enorm hohe Mortalitätsrate, nahe 100 Prozent bei Hühnervögeln und Puten. Es tötet auch Enten und Gänse. Da würden kaum Tiere übrig bleiben. Die Infektion läuft dann viel zu lange, so erhöht sich das Risiko einer Weiterverbreitung. Das ist in der Realität eigentlich so nicht machbar.
Quelle: Friedrich-Loeffler-Institut
... ist Leiter der Virusdiagnostik am Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald.
ZDFheute: Das heißt, Sie glauben, die Amerikaner werden das auch nicht machen?
Beer: Ich gehe eigentlich davon aus, dass die das nicht machen, beziehungsweise wenn sie es probieren, werden sie es wieder stoppen müssen, weil es zu größeren Problemen führt als das bisherige Verfahren.
Unter Wildvögeln ist das Vogelgrippevirus H5N1 weltweit verbreitet. Schon vor Monaten ist das Virus auf Geflügelbetriebe in den USA übergesprungen, sodass bereits 170 Millionen Hühner gekeult werden mussten. Neben dem Keulen betroffener Geflügelbestände wurden bereits strengere Schutzmaßnahmen in Hühnerställen eingeführt.
Der neue Gesundheitsminister Robert Kennedy sprach sich zuletzt gegen das Keulen weiterer Geflügelbestände aus. Wenn man das Virus laufen lasse, könne man resistente Tiere weiter züchten - eine höchst umstrittene Meinung.
Der neue Gesundheitsminister Robert Kennedy sprach sich zuletzt gegen das Keulen weiterer Geflügelbestände aus. Wenn man das Virus laufen lasse, könne man resistente Tiere weiter züchten - eine höchst umstrittene Meinung.
Auch Kühe steckten sich mit dem Vogelgrippe-Virus an: Die Hälfte der Rinderfarmen in Kalifornien war schon betroffen, inzwischen ist das Virus bereits in 1.000 Kuhherden in 17 Bundesstaaten nachgewiesen worden. Die Milch wird nun landesweit regelmäßig auf Viren getestet.
Doch einige Forscher fordern eine strengere Überwachung der einzelnen Kühe sowie einen Transportstopp für Rinder, die im Verlaufe ihres Lebens häufig quer durch das Land transportiert werden und so das Virus verbreiten können.
Doch einige Forscher fordern eine strengere Überwachung der einzelnen Kühe sowie einen Transportstopp für Rinder, die im Verlaufe ihres Lebens häufig quer durch das Land transportiert werden und so das Virus verbreiten können.
Auch Menschen haben sich in den USA bereits mit der Vogelgrippe infiziert, hauptsächlich Mitarbeiter von Bauernhöfen, die in Kontakt mit roher Milch kamen. Ihre Krankheitsverläufe waren größtenteils mild.
Einige wenige der 70 registrierten Fälle führten zu schweren und sogar zu einem tödlichen Verlauf. Dieser geht zurück auf die Virusvariante D1.1, die ansteckender für Säugetiere ist, aber bei Kühen bislang weniger schwere Verläufe hervorrief. Ein zwischenzeitlicher Ausbruch von D1.1 bei Kühen in Nevada konnte durch strenge Nachverfolgung beendet werden.
Einige wenige der 70 registrierten Fälle führten zu schweren und sogar zu einem tödlichen Verlauf. Dieser geht zurück auf die Virusvariante D1.1, die ansteckender für Säugetiere ist, aber bei Kühen bislang weniger schwere Verläufe hervorrief. Ein zwischenzeitlicher Ausbruch von D1.1 bei Kühen in Nevada konnte durch strenge Nachverfolgung beendet werden.
ZDFheute: Wie gehen wir in Deutschland denn mit der Situation um, welche Überwachungsmöglichkeiten haben wir im Moment?
Beer: Wir setzen auf Früherkennung. Wenn Tiere auch schon erste Krankheitszeichen zeigen, auch wenn nur einzelne Hühner, Puten oder Enten schwer erkranken oder sterben, dann sollen und müssen diese auch auf H5 getestet werden.
Zudem setzen wir auf sehr strenge Biosicherheitsmaßnahmen, das heißt beispielsweise, dass wenn ich meinen Stall betrete, ich meine Kleidung wechseln muss, kein Wasser von draußen einbringen darf etc., um diese Betriebe wirklich abzuschirmen. Das hat in Deutschland bisher sehr gut funktioniert. Deswegen haben wir auch nur einzelne Ausbrüche und keine Serienausbrüche.
ZDFheute: Ist das auch der Grund dafür, dass es bei uns momentan glimpflich läuft und in Amerika so schwierig oder spielen da noch andere Faktoren eine Rolle?
Beer: Es sind mehrere Faktoren, aber sowohl in den USA als auch bei uns ist das Virus bei Wildvögeln vorhanden und wird von dort eingetragen. Allerdings ist es bei uns durch diese Maßnahmen gelungen, es auf einzelne Bestände zu beschränken und wir testen immer sehr früh. Damit kann [früh eingegriffen werden, auch] durch die Tötung des Bestandes. In den USA ist es nicht so gut gelungen.
ZDFheute: Nun ist das Virus auch auf über 200 Säugetierarten übergesprungen. Inwieweit ist das eine Verschärfung des Problems?
Beer: Das hängt damit zusammen, dass so viele Wildvögel positiv [sind. So hat das Virus] auch Kontakt zu Fleischfressern, die solche erkrankten Vögel aufnehmen und sich infizieren können. Sie können auch daran sterben. Bei den hohen Zahlen an Wildvogelfällen sind die Zahlen bei Säugetieren aber immer noch moderat. Wo wir vorsichtig sein müssen, sind Pelztierhaltungen. Da breitet sich das Virus auch aus, wie in Finnland. Das konnte aber zum Glück gestoppt werden.
ZDFheute: In Frankreich werden die Entenbestände großflächig geimpft. Ist das eine gute Strategie?
Beer: In dem Augenblick, [wo sehr viele zusammenhängende Ausbrüche vorkommen, die man] mit normalen Maßnahmen nur schwer begrenzen kann, ist die Impfung ein zusätzliches Mittel. Das ist in Frankreich bei Enten angewendet worden und hat da auch gut funktioniert. Es gibt kaum mehr Ausbrüche.
ZDFheute: Es heißt ja immer, wenn geimpft wird, dann kann es sein, dass der Selektionsdruck steigt und dadurch möglicherweise gefährliche Mutationen entstehen. Wie sehen Sie die Gefahr?
Beer: Grundsätzlich kann die Impfung dazu führen, dass das Virus driftet, sich also entfernt und versucht, dem Impfstoff auszuweichen. Das kann man zum einen dadurch verhindern, dass man Impfstoffe immer wieder anpasst und zum anderen, dass man sehr genau testet. Man muss immer wieder nachsehen, ob das Virus in geimpften Beständen vorkommt oder nicht.
Deswegen ist die Impfung nur ein Baustein.
Die anderen Bausteine Biosicherheit, Testen und Früherkennung müssen natürlich bleiben. Dann wird dieses Risiko eingeschränkt.
ZDFheute: Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, dass wir vor einer neuen Pandemie stehen, von der auch wir Menschen betroffen sind?
Beer: Im Moment ist die Gefahr für die Allgemeinbevölkerung, so bewerten das auch das ECDC oder die WHO, gering. Wir haben diese einzelnen Übersprünge des Virus auf den Menschen, die aber zum Glück nie weiter gegangen sind. Wir müssen das sehr genau beobachten, sodass keine weitere Anpassung erfolgt. Das Wichtigste ist, dass auch die Fälle im Tier reduziert werden, dann gibt es auch weniger Fälle beim Menschen und damit sinkt das Risiko weiter.
Das Interview führte NANO-Moderator Gregor Steinbrenner
Quelle: dpa
Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.
Quelle: ZDF
Mehr zur Vogelgrippe und den Auswirkungen
FAQ
H5N1-Ansteckung bei Menschen:Vogelgrippe-Risiko trotz Todesfall "gering"
von Nils Metzger, Jan Schneider
mit Video
Vogelgrippevirus H5H1:Deutschland legt keinen Impfstoff-Vorrat an
mit Video