Vogelgrippe: Durchseuchen "macht keinen Sinn"

Interview

Durchseuchen statt Keulen?:Umstrittener Plan gegen die Vogelgrippe

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Mit steigenden Eierpreisen zu Ostern sorgt auch die Bekämpfung der Vogelgrippe in den USA für Schlagzeilen. Veterinärmediziner Martin Beer erklärt, welche Maßnahmen wirken.

Rinder im Stall
Gregor Steinbrenner und Prof. Martin Beer analysieren die Probleme der US-Reaktion auf die Vogelgrippe und die potenziellen Gefahren, die für Deutschland bestehen.02.04.2025 | 5:07 min
ZDFheute: Die Amerikaner denken darüber nach, das Virus einmal durchlaufen zu lassen - also eine Durchseuchung. Was halten Sie davon?
Martin Beer: Bei dem Vogelgrippe-Virus macht das keinen Sinn, denn das Virus hat eine enorm hohe Mortalitätsrate, nahe 100 Prozent bei Hühnervögeln und Puten. Es tötet auch Enten und Gänse. Da würden kaum Tiere übrig bleiben. Die Infektion läuft dann viel zu lange, so erhöht sich das Risiko einer Weiterverbreitung. Das ist in der Realität eigentlich so nicht machbar.

Porträtfoto von Martin Beer
Quelle: Friedrich-Loeffler-Institut

... ist Leiter der Virusdiagnostik am Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald.

ZDFheute: Das heißt, Sie glauben, die Amerikaner werden das auch nicht machen?
Beer: Ich gehe eigentlich davon aus, dass die das nicht machen, beziehungsweise wenn sie es probieren, werden sie es wieder stoppen müssen, weil es zu größeren Problemen führt als das bisherige Verfahren.




Toter Vogel am Boden
Durch die Vogelgrippe steigen die Preise für Eier in den USA stark an. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um das Virus zu bekämpfen und besteht Gefahr für die Bevölkerung?02.04.2025 | 4:26 min
ZDFheute: Wie gehen wir in Deutschland denn mit der Situation um, welche Überwachungsmöglichkeiten haben wir im Moment?
Beer: Wir setzen auf Früherkennung. Wenn Tiere auch schon erste Krankheitszeichen zeigen, auch wenn nur einzelne Hühner, Puten oder Enten schwer erkranken oder sterben, dann sollen und müssen diese auch auf H5 getestet werden.
Zudem setzen wir auf sehr strenge Biosicherheitsmaßnahmen, das heißt beispielsweise, dass wenn ich meinen Stall betrete, ich meine Kleidung wechseln muss, kein Wasser von draußen einbringen darf etc., um diese Betriebe wirklich abzuschirmen. Das hat in Deutschland bisher sehr gut funktioniert. Deswegen haben wir auch nur einzelne Ausbrüche und keine Serienausbrüche.
Eier stehen in einem Regal eines Lebensmittelgeschäfts zum Verkauf, in Windham, Maine
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ZDFheute: Ist das auch der Grund dafür, dass es bei uns momentan glimpflich läuft und in Amerika so schwierig oder spielen da noch andere Faktoren eine Rolle?
Beer: Es sind mehrere Faktoren, aber sowohl in den USA als auch bei uns ist das Virus bei Wildvögeln vorhanden und wird von dort eingetragen. Allerdings ist es bei uns durch diese Maßnahmen gelungen, es auf einzelne Bestände zu beschränken und wir testen immer sehr früh. Damit kann [früh eingegriffen werden, auch] durch die Tötung des Bestandes. In den USA ist es nicht so gut gelungen.
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ZDFheute: Nun ist das Virus auch auf über 200 Säugetierarten übergesprungen. Inwieweit ist das eine Verschärfung des Problems?
Beer: Das hängt damit zusammen, dass so viele Wildvögel positiv [sind. So hat das Virus] auch Kontakt zu Fleischfressern, die solche erkrankten Vögel aufnehmen und sich infizieren können. Sie können auch daran sterben. Bei den hohen Zahlen an Wildvogelfällen sind die Zahlen bei Säugetieren aber immer noch moderat. Wo wir vorsichtig sein müssen, sind Pelztierhaltungen. Da breitet sich das Virus auch aus, wie in Finnland. Das konnte aber zum Glück gestoppt werden.
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ZDFheute: In Frankreich werden die Entenbestände großflächig geimpft. Ist das eine gute Strategie?
Beer: In dem Augenblick, [wo sehr viele zusammenhängende Ausbrüche vorkommen, die man] mit normalen Maßnahmen nur schwer begrenzen kann, ist die Impfung ein zusätzliches Mittel. Das ist in Frankreich bei Enten angewendet worden und hat da auch gut funktioniert. Es gibt kaum mehr Ausbrüche.
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ZDFheute: Es heißt ja immer, wenn geimpft wird, dann kann es sein, dass der Selektionsdruck steigt und dadurch möglicherweise gefährliche Mutationen entstehen. Wie sehen Sie die Gefahr?
Beer: Grundsätzlich kann die Impfung dazu führen, dass das Virus driftet, sich also entfernt und versucht, dem Impfstoff auszuweichen. Das kann man zum einen dadurch verhindern, dass man Impfstoffe immer wieder anpasst und zum anderen, dass man sehr genau testet. Man muss immer wieder nachsehen, ob das Virus in geimpften Beständen vorkommt oder nicht.

Deswegen ist die Impfung nur ein Baustein.

Die anderen Bausteine Biosicherheit, Testen und Früherkennung müssen natürlich bleiben. Dann wird dieses Risiko eingeschränkt.
ZDFheute: Wie hoch schätzen Sie die Gefahr ein, dass wir vor einer neuen Pandemie stehen, von der auch wir Menschen betroffen sind?
Beer: Im Moment ist die Gefahr für die Allgemeinbevölkerung, so bewerten das auch das ECDC oder die WHO, gering. Wir haben diese einzelnen Übersprünge des Virus auf den Menschen, die aber zum Glück nie weiter gegangen sind. Wir müssen das sehr genau beobachten, sodass keine weitere Anpassung erfolgt. Das Wichtigste ist, dass auch die Fälle im Tier reduziert werden, dann gibt es auch weniger Fälle beim Menschen und damit sinkt das Risiko weiter.
Das Interview führte NANO-Moderator Gregor Steinbrenner
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Quelle: dpa

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Quelle: ZDF

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