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Das Attentat von Köln

Was eine Festplatte über den Täter verrät

Vor einem Jahr stach Frank S. die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Reker nieder. Im Prozess sagte er, ein "wertkonservativer Rebell" zu sein, kein Nazi. Die Auswertung einer Kopie seiner Festplatte durch ein Team von Frontal21 und dem Recherche-Netzwerk CORRECTIV zeichnet nun schärfere Konturen des Attentäters.

"Aufwachen, ein Kunde hat eine kurze Frage!" - ohne Anrede, ohne Begrüßung schreibt Frank S. am 15. Juni 2011 einem Online-Händler eine Mail. Er hatte ein Rambo III-Editionsmesser mit Sylvester Stallone Signatur bestellt. Das Messer hat eine 33 Zentimeter lange Klinge, ist etwa anderthalb Kilo schwer. Wann denn das "Brotmesser" bei ihm eintreffen werde, will er wissen. Die Verharmlosung der Waffe beginnt schon, bevor er sie in den Händen hält.

Mit so einem Rambo-Messer sticht Frank S. vor einem Jahr auf einer Wahlkampfveranstaltung in Köln der Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker in den Hals. Reker überlebt den Angriff nur knapp. Das vier Jahre zuvor bestellte Messer könnte die Tatwaffe sein, mit der Frank S. Henriette Reker lebensgefährlich verletzte. Bislang konnten Ermittlungsbehörden die Herkunft der Tatwaffe offenbar nicht eindeutig klären. Als Ermittler nach der Festnahme von Frank S. dessen Wohnung in Köln-Nippes durchsuchen, sind die Festplatten seines Computers ausgebaut. Während einer Vernehmung soll Frank S. gesagt haben, "alles zerstört" zu haben, die Polizei werde "nichts finden".

Rambo-Messer und Collage mit Nazi-Orden

Doch zumindest eine Festplatte konnte wiederhergestellt werden, Rechercheure von Frontal21 und CORRECTIV haben eine Kopie ausgewertet. Es sind mehrere hundert Gigabyte Daten, E-Mails, Audio-Files, Bilder und Browser-Verläufe, ein Ausschnitt aus dem digitalen Vorleben des späteren Attentäters bis in das Jahr 2012 hinein. Die Daten wurden über mehrere Monate mit einer Software analysiert, die auch Geheimdienste nutzen. Jetzt dringt an die Öffentlichkeit, was Frank S. verbergen wollte.

Unter den Daten fällt eine Collage besonders auf. Darauf ist ein Totenkopf mit dunkler Kapuze zu sehen. Offenbar wurden zwei Orden mit Hakenkreuzen hinzuretuschiert. Es sind Eiserne Kreuze aus der Zeit des Nationalsozialismus, in der Mitte der Schriftzug "Berserker". Ein Verweis auf alte Kameraden in Bonn? Denn dort gehörte Frank S. in den 90er Jahren der Skinhead-Gruppe "Berserker an. In altdeutschen Buchstaben prangt ihr Name auch auf dem Bauch von Frank S., ein Foto von dem Tattoo findet sich ebenfalls in den Daten. Frank S. hatte Kontakte in die 1995 verbotene rechtsextreme und militante Freiheitliche Arbeiterpartei (FAP). Die Polizei hat ihn wegen mehrerer Gewaltdelikte im Auge. Im Jahr 2000 wird er aus dem Gefängnis entlassen, Frank S. fällt seit dem nicht mehr durch rechte Gewalttaten auf. Er zieht nach Köln, weg von den alten Kameraden. In seiner digitalen Welt aber haben sie scheinbar weiterhin einen Ehrenplatz.

Rechtsextreme Musik und Todesmystik

Es finden sich indexierte Lieder von rechtsextremen Bands mit vielsagenden Namen wie Stahlgewitter oder Division Germania. Frank S. surft nicht nur auf gängigen Medienportalen, auch auf der Website des Kopp-Verlages, der Verschwörungstheorien verbreitet oder dem 2016 verbotenen rechtsextremistischen Internet-Portal "Altermedia". Es findet sich eine Datei die "Adf 88" benannt ist. Die "88" ist der Neonazi-Code für "Heil Hitler". Die Buchstaben "Adf" sind Bestandteil des Vornamen Hitlers.

Die Daten zeichnen das Bild eines Mannes, für den Radikales zur Normalität geworden zu sein scheint, der wenige soziale Kontakte hat, unter Druck steht, eine gewaltgetränkte Sprache pflegt. Als er sich zum Online-Spiel mit anonymen Mitspielern verabredet, schreibt Frank S. beispielsweise: "Eine Legion marschiert zum Sieg und riecht nicht unterwegs an den Blümchen. Sieg oder Tod." Dieser Satz ist offenbar bedeutsam für Frank S., er hat von der Nachricht einen Screenshot abgespeichert. In einer der wenigen privaten E-Mails schreibt er im Jahr 2011 an eine alte Bekannte: "Man versucht nur hinzunehmen, was passiert ist und dann das zu tun, was nötig ist, um noch Schlimmeres zu vermeiden." Es ist die Argumentation, mit der Frank S. vier Jahre später das Attentat auf Henriette Reker rechtfertigen wird. Das Schlimme, das ist eine in seinen Augen verfehlte Flüchtlingspolitik in Deutschland, gegen die er sich zur Wehr setzen muss - offenbar mit allen Mitteln.

Prozess und Urteil

Im April 2016 wird dem 45-jährigen Frank S. vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf der Prozess gemacht. Der Generalbundesanwalt hatte Frank S. angeklagt, schließlich ist es das schwerwiegendste politische Attentat nach den Attacken auf Oskar Lafontaine und Wolfgang Schäuble im Jahr 1990. Vor Gericht sagt Frank S., für ihn seien die "Berserker" eine Art "Bürgerwehr" gewesen. Es habe lediglich "gemeinsame Treffen" und "Diskobesuche" gegeben. Er sei kein Nazi sondern ein "wertkonservativer Rebell". Henriette Reker habe er nicht töten, nur verletzen wollen, um ein Zeichen zu setzen.
Der psychiatrische Gerichtsgutachter, Norbert Leygraf, diagnostiziert bei Frank S. eine "paranoid-narzisstische Persönlichkeitsstörung". Dennoch sei er voll schuldfähig. Frank S. widerspricht. Er sei "bei bester Gesundheit" und "bei klarem Verstand". Frank S. wird am 1. Juli 2016 zu einer Gesamtstrafe von 14 Jahren Haft verurteilt. Mit seinem Pflichtverteidiger hat er Revision beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt.

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