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Streit um Kastenstände in der Schweinezucht

Muttertier im Ferkelschutzkorb

In der industriellen Schweinezucht setzen die Mäster sogenannte Kastenstände ein. Das sind Gitterboxen aus Stahl, in denen sich die Sauen kaum bewegen können.

Datum:
10.05.2016
Verfügbarkeit:
Video leider nicht mehr verfügbar

Fast 60 Millionen Schweine werden in Deutschland jährlich geschlachtet. Um den ständigen Nachschub zu sichern, müssen Zuchtsauen in einem streng getakteten Produktionszyklus möglichst viele Ferkel werfen. Dafür setzen die Mäster sogenannte Kastenstände ein, in denen sich die Sauen kaum bewegen können.

Fast die Hälfte des Jahres sind Zuchtsauen in sogenannten Kastenständen, engen Gitterboxen aus Stahl, fixiert. Das kritisiert die Tierschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Cornelie Jäger: „Mit dieser Haltungsform sind erhebliche Einschränkungen verbunden, die meiner Meinung nach auch dem Sinn des Tierschutzgesetzes so nicht entsprechen.“

Ohne Kastenstand geht es nicht

Doch viele Schweinezüchter sind überzeugt: Ohne Kastenstand geht es nicht. Die Argumente dafür sind vielfältig. Zum einen müssen die Sauen zur Besamung fixiert sein. Zum anderen können Züchter relativ viele Schweine auf einer bestimmten Fläche unterbringen. Und schließlich sollen sich die Tiere nicht gegenseitig verletzen. Das kann passieren, weil die Sauen untereinander Rangkämpfe austragen, vor allem während die Tiere in der Brunst sind, bei Schweinen Rausche genannt.

Kurz bevor die Sauen ihre Ferkel werfen, kommen sie wieder in speziell geformte Kastenstände, so genannte Ferkelschutzkörbe. Auch dort können sich die Tiere kaum bewegen. Die Ferkelschutzkörbe sollen verhindern, dass die Sauen die kleinen Ferkel erdrücken.
Laut gesetzlicher Vorgaben sollen die Kastenstände für ausgewachsene Sauen mindestens 70 Zentimeter breit sein. Doch selbst diese Mindestvorgaben erfüllen viele Mäster nicht. Das belegen immer wieder Videoaufnahmen von Tierschutzorganisationen wie “Animal Rights Watch“.

Wirtschaftliche Interessen wichtiger als Tierschutz?

“Kastenstände gehören zu den schlimmsten tierquälerischsten Haltungsbedingungen überhaupt“, sagt Dorothea Frederking, Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen-Anhalt. “Die Sauen werden in diese Metallkäfige über mehrere Wochen eingesperrt“, erklärt die Politikerin. “Sie können nur aufstehen und sich hinlegen, sie sind eingeschränkt im Sozialverhalten, sie können ihre arteigenen Bedürfnisse überhaupt nicht ausleben.“

Und trotzdem lassen viele Kontrollbehörden vor Ort immer wieder Kastenstände durchgehen, die enger als 70 Zentimeter sind. Denn die Landkreise und Veterinärbehörden haben einen Ermessensspielraum. Und gerade bei Alt-Anlagen, die umgebaut werden müssen, lassen die Behörden “wirtschaftliche Gründe“ gelten. Das bedeutet im Klartext: Die Umbaukosten für den Schweinhalter sind wichtiger als der Tierschutz. “Das zeigt eben, dass die Umsetzung des Tierschutzgesetzes an den wirtschaftlichen Interessen der Industrie angelehnt ist und nicht an den Bedürfnissen der Tiere“, sagt Sandra Franz von “Animals Rights Watch“. „Und das ist ein Skandal.“

Gruppenhaltung statt Einzelhaltung

Diese Praxis könnte jedoch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg ändern. Die Richter haben im Verfahren gegen Adrianus Straathof, lange Zeit einer der größten Schweinhalter Deutschlands, entschieden, dass die Schweine sich in Kastenständen ausreichend bewegen können müssen. Es sei Paragraf 24 der Tierschutznutztierhaltungsverordnung anzuwenden. Darin heißt es: “Kastenstände müssen so beschaffen sein, dass (…) jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann.“ Was sich so einfach anhört, ist vor dem Hintergrund der zahlreichen behördlichen Ausnahmen bahnbrechend. Denn erstmals gewichtet ein Oberverwaltungsgericht den Tierschutz höher als mögliche wirtschaftliche Interessen eines Schweinehalters. Noch ist das Urteil allerdings nicht rechtskräftig. Straathof hat Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.

Von Ferkelwurf zu Ferkelwurf vergehen bei einer Sau etwa 21 Wochen. Zehn Wochen steht sie davon in einem Kastenstand. Dass es in der industriellen Schweinzucht auch anders geht, zeigt die Landwirtschaftliche Bildungsstätte des Landes Baden-Württemberg in Boxberg. Angehende Landwirte lernen hier, wie sie die Schweine deutlich kürzer in einem Kastenstand halten können. Statt fünf Wochen vor und nach der Besamung sind es nur noch wenige Tage. Möglich ist das mit einer Gruppenhaltung anstelle von Einzelhaltung in der Gitterbox. “Die Gruppenhaltung hat den Vorteil, dass das Tierverhalten hier entsprechend den Anforderungen der Tiere gelebt werden kann." Schweine seien Herdentiere, lebten gemeinsam in Gruppen, erläutert Hansjörg Schrade, Leiter der Bildungsstätte. Durch Freigang von den Kastenständen könnten die Tiere gemeinsam fressen, gemeinsam liegen oder sich tierindividuell bewegen. Die Fress-/Liegeboxen sind hier so konzipiert, dass die Sauen rein- und wieder rausgehen können. Somit können sie in Ruhe fressen und auch Rangkämpfen und damit Verletzungen aus dem Weg gehen.

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