Großoffensive oder Endlos-Krieg – schafft die Ukraine die Wende?

Fakten-Box | 20. April 2023

• "Leaks"

  

  Seit Wochen mehren sich Veröffentlichungen möglicher geheimer Pentagon-Dokumente in den Medien. Die Dokumente beinhalten US-Medienberichten zufolge unter anderem Informationen zu Waffenlieferungen an die Ukraine und Angaben zum Munitionsverbrauch. Es gibt auch Landkarten, auf denen der Frontverlauf eingezeichnet ist und Standorte russischer und ukrainischer Truppenverbände und deren Mannschaftsstärken.
  
  Bisher konnte die Ukraine eine starke Luftabwehr aufrechterhalten, die sie relativ zuverlässig vor schweren russischen Angriffen schützt. Die Dokumente zeichnen hingegen ein pessimistisches Bild über die aktuelle Position der Ukraine. Es wird prognostiziert, dass bereits am 2. Mai die Raketen für das Luftabwehrsystem S-300 ausgehen könnten – dies hätte fatale Folgen auch für die Hauptstadt Kiew.
  
  Der ukrainische Generalstabschef Walerij Saluschnyj hat erklärt, dass 300 Kampfpanzer, 600 bis 700 Schützenpanzer und 500 Artilleriesysteme benötigt werden, um die besetzten Gebiete zurückzuerobern. Doch die Dokumente zeigen, dass der Westen nur begrenzte Unterstützung bei der Ausrüstung der ukrainischen Armee geleistet hat. Laut den Leaks können nun zwölf mechanisierte Brigaden ausgestattet werden, davon neun mit Material der USA.
  
  Die Leaks legen auch offen, dass China sich in Gesprächen mit Russland dazu bereit erklärt haben soll, tödliche Waffen zu liefern. Allerdings möchte China dies geheim halten und die Lieferungen sollen unter dem Radar stattfinden. Nähere Informationen zu den Waffen und den genauen Umständen der Lieferungen sind jedoch nicht bekannt.
  
  Es gibt Hinweise darauf, dass die US-Geheimdienste nicht nur geopolitische Gegner, sondern auch Alliierte ausspionieren. Aus den geleakten Dokumenten geht hervor, dass sowohl der ukrainische Präsident Selenskyj als auch der UNO-Chef Antonio Guterres bespitzelt werden.
  
  Der US-Sender CNN berichtete, Regierungsmitarbeiter hätten die Echtheit der Unterlagen bestätigt. Die US-Behörden scheinen die Sache sehr ernst zu nehmen. US-Präsident Joe Biden sei «besorgt» über die Menge der Dokumente, die an die Öffentlichkeit gelangt sei.
  
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

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• Großoffensive

  Die militärische Lage im Ukraine-Krieg gilt als festgefahren, die Frage, wann die ukrainische Offensive kommt, wird laut. Mehrere Orte könnten dann strategische Bedeutung erlangen.

• Waffenlieferungen

  

  Nach Luftabwehr und Kampfpanzern fordert die Ukraine seit Wochen Artillerie-Munition. Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow sprach Anfang März von "einer Million Schuss Munition", um sich gegen die russischen Angreifer verteidigen zu können. Die Europäische Union hat dafür am Montag ein Hilfspaket im Umfang von zwei Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Mit dem "außerordentliches Hilfspaket", das der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vorgeschlagen hat, will die EU in den nächsten zwölf Monaten eine Million Geschosse an die Ukraine liefern und zugleich ihre eigenen, zur Neige gehenden Bestände wieder auffüllen.
  
  Bis Ende Februar hat Deutschland bereits militärische Regierungshilfen im Wert von 3,6 Milliarden Euro an die Ukraine geliefert. Damit ist Deutschlandim internationalen Vergleich auf Platz drei, hinter den USA und dem Vereinigten Königreich. Schaut man sich hingegen die Regierungshilfen im Anteil zum BIP des Landes an, liegt Deutschland nur auf Platz 16., Großbritannien und die USA folgen auf Platz 19 und 21, alle mit einem Anteil von 0,4%. Die baltischen Staaten liegen mit über 1% Anteil am BIP deutlich an der Spitze. Die Daten können dem Ukraine Support Tracker des Kieler Instituts für Weltwirtschaft entnommen werden.
  
  
  
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: dpa

• Russland

  

  Einen Wendepunkt in der russischen Geschichte hatte der Präsident Wladimir Putin die Invasion der Ukraine genannt und einen raschen Sieg bei dem von ihm so bezeichneten militärischen Sondereinsatz in Aussicht gestellt. Nach über einem Jahr ist jedoch kein Ende des Krieges in Sicht.
  
  Putins Hoffnung, sein Image zu polieren, sei zunichtegemacht worden, sagt ein russischer Insider, der Kenntnisse der Entscheidungsfindung in der Führung hat und sich nur unter der Bedingung der Anonymität Reuters gegenüber äußert. „In Zukunft wird es sowohl für die Ukraine als auch für Russland noch schwieriger und teurer. Wirtschaftliche Verluste dieser Größenordnung sind ein paar eroberte Gebiete nicht wert.“ Er sei überzeugt, dass viele in der russischen Elite seine Ansicht teilten, sagt der Insider. Dies öffentlich zu äußern, wage aber niemand.
  
  Auch innenpolitisch gerät Putin immer weiter unter Druck. So berichtete die New York Times mit Verweis auf die Leaks, dass Putin offenbar persönlich einen Streit zwischen dem Söldnerchef Jewgeni Prigoschin und dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu schlichten musste. Parallel dazu wirft der Inlandsgeheimdienst FSB den Militärs vor, die tatsächliche Zahl der getöteten russischen Soldaten und Soldatinnen zu verschleiern und so der Moskauer Führung wichtige Informationen vorzuenthalten – so steht es jedenfalls in den öffentlich gewordenen Dokumenten. Die russische Armee scheint unterdessen mit fehlenden Soldaten zu kämpfen. Am Freitag unterzeichnete Putin ein erst am Mittwoch vom Parlament verabschiedetes Gesetz zur einfacheren Mobilmachung russischer Bürger. Künftig kann Reservisten ihr Einberufungsbescheid auch über ein staatliches Online-Portal übermittelt oder einer anderen Person zugestellt werden.
  
  Das nun von Putin unterzeichnete Gesetz ermöglicht es der Polizei, zum Dienst an der Waffe aufgerufene Staatsbürger zu suchen. Finanzämter, Universitäten und andere öffentliche Einrichtungen sind nun verpflichtet, persönliche Informationen über für die Mobilmachung in Frage kommende Bürger zu liefern. Bisher mussten Einberufungsbescheide persönlich zugestellt werden. Putin hatte im September 2022 die Mobilmachung von 300.000 Reservisten angeordnet. Diese war jedoch schleppend verlaufen, zehntausende Russen waren ins Ausland geflohen.
  
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

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• Russland bereitet sich auf Offensive vor

  Russland bereitet sich seit langem auf den bevorstehenden Gegenangriff der Ukraine vor, indem es verschiedene Arten von Befestigungsanlagen in den besetzten Gebieten errichtet. Einem kürzlich erschienenen Artikel der spanischen Zeitung El País zufolge haben die russischen Truppen bisher mehr als 800 Kilometer an verschiedenen Befestigungsanlagen in den von ihnen besetzten ukrainischen Gebieten gebaut. Die verfügbaren Satellitenbilder sowie die geographische Verteilung dieser Befestigungen lassen einige Rückschlüsse auf die Erwartungen Russlands an die ukrainische Offensive sowie auf die Prioritäten Moskaus zu.
  
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  Russland bereitet sich auf Offensive vor

• Ukraine und die NATO

  

  Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat der Ukraine bei einem überraschenden Besuch in Kiew weitere Unterstützung bei ihren Bemühungen um einen Beitritt zum Militärbündnis versprochen.
  
  "Der Ukraine steht ein Platz in der Nato zu", sagte der 64-Jährige am Donnerstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Mit Unterstützung der Nato werde sie diesen auch im Laufe der Zeit einnehmen können.
  
  Stoltenberg verwies dabei auch auf ein bereits Anfang April angekündigtes Unterstützungsprogramm für den Weg zur geplanten
  Nato-Mitgliedschaft der Ukraine. Die auf mehrere Jahre angelegte Initiative soll dem Land die Anpassung an Bündnisstandards erleichtern und eine nahtlose Zusammenarbeit mit der Nato ermöglichen. Es sei "ein Beleg für das langfristige Engagement der
  Nato in der Ukraine" sagte Stoltenberg in Kiew. Eine genaue zeitliche Perspektive für den Beitritt der Ukraine gibt es bislang nicht. Stoltenberg hatte bei der Ankündigung des neuen Programms lediglich darauf verwiesen, dass es gemeinsame Position der
  Nato sei, dass die Ukraine Mitglied werde. Er spielte damit auf eine Gipfelerklärung aus dem Jahr 2008 ab. In ihr heißt es mit Blick auf die Ukraine und Georgien: "Wir haben heute vereinbart, dass diese Länder Mitglieder der Nato werden."
  
  Einen Beitritt der Ukraine in Kriegszeiten schloss Stoltenberg damals indirekt aus. So verwies er darauf, dass es eine Voraussetzung für die Nato-Mitgliedschaft sei, dass die Ukraine den Krieg als demokratische unabhängige Nation überstehe.Zum Kriegsverlauf sagte Stoltenberg jetzt in Kiew: "Wir wissen nicht, wann dieser Krieg enden wird, aber wir wissen, dass die russische Aggression ein toxisches Verhaltensmuster ist, das gestoppt werden muss". Deshalb müssten die ukrainischen Streitkräfte weiter gestärkt werden und man müsse dafür sorgen, dass es robuste und kraftvolle Vorkehrungen für die Sicherheit der Ukraine gebe.
  
  Nach Angaben von Stoltenberg haben die Nato-Staaten seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar vergangenen Jahres bereits mehr als 150 Milliarden Euro an Hilfe geleistet. "Die Alliierten liefern jetzt mehr Jets, Panzer und gepanzerte Fahrzeuge", sagte Stoltenberg. All das mache heute einen echten Unterschied auf dem Schlachtfeld. Nach Angaben der Nato besichtigte Stoltenberg bei seinem Besuch auch den Kiewer Vorort Butscha, der im Frühjahr 2022 von russischen Truppen besetzt war und wo später die Leichen Hunderter Zivilisten gefunden worden waren. Selenskyj bedankte sich für die durch Stoltenberg persönlich ausgesprochene Einladung zum Nato-Gipfel in Vilnius im Juli. "Für die Staatsführer ist die Zeit gekommen, die Perspektive eines Nato-Beitritts für die Ukraine zu bestimmen", sagte der 45-Jährige.
  Die Ukraine benötige auf dem Weg zur Nato-Mitgliedschaft auch Sicherheitsgarantien durch die Militärallianz.
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: ap

• Selbstkritische Töne in der Ampel

  

  Für seinen Kurs beim russischen Angriffskrieg in der Ukraine wurde Deutschland im In- und Ausland heftig kritisiert. Zu lange habe die Ampel-Koalition mit der Lieferung von Waffen gewartet, zu zögerlich sei die Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gegenüber Russland gewesen. Trotz Bemühungen als Regierungspartner geeint aufzutreten, standen bereits zu Beginn des Krieges die Forderungen der Grünen und FDP, Waffen an die Ukraine zu liefern, Scholz‘ sicherheitspolitischen Bedenken gegenüber. Später führte die Frage nach Lieferungen von Leopard 2 Panzern zu heftigen Debatten.
  
  Bei seinem Besuch in Kiew Anfang April legte Robert Habeck (Grüne) unfreiwillig noch einmal die Uneinigkeit in der Ampelkoalition offen. In einem vertraulichen Gespräch mit Ukraines Präsident Selenskyj gestand Robert Habeck seine Scham darüber, dass die deutsche Regierung nicht zügig genug Waffen und Munition geliefert habe. Auf die Frage, ob sich Scholz ebenfalls für den späten Zeitpunkt der Lieferungen schäme, sagte Regierungssprecher Hebestreit: Die Bundesregierung sei fest der Auffassung, dass „immer das Richtige immer zum richtigen Zeitpunkt“ getan worden sei. „Es ist alles sehr gut abgestimmt gewesen.“
  
  Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) kritisierte Habecks Bekenntnis als „seltsam“. Die Menschen in der Ukraine bräuchten aber nun „keine Krokodilstränen, sondern jetzt und in Zukunft unsere verlässliche Unterstützung.“ Doch auch Strack-Zimmermann äußerte sich selbstkritisch: „Nach der wichtigen Zeitenwende-Rede des Kanzlers ist wochenlang nichts passiert“. Anstatt zu handeln, „schleppten wir uns mühselig von Debatte zu Debatte, über die Lieferung von unterschiedlichen Waffensystemen bis hin zum Kampfpanzer Leopard. Das Ganze begleitet von Ausrede zu Ausrede, warum was nicht geht.“ (Quelle: 16.04.2023, Welt)
  
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

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• Das Ramstein-Format

  Am Freitag treffen sich die Verteidigungsminister der Ukraine-Unterstützerländer erneut auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz, um die weitere Militärhilfe für das Land abzustimmen. Die monatlichen Beratungsrunden waren und sind von zentraler Bedeutung bei Entscheidungen zu Lieferungen von schweren Waffen, Munition und Ausrüstung, wie des Leopard 2 Kampfpanzers der Bundeswehr. Es nehmen Partner und Verbündete aus mehr als 50 westlichen Staaten teil. Ein NATO-Gremium ist das Ramstein-Format aber ausdrücklich nicht, weil keine Mitglieder der Allianz in den Krieg zwischen Russland und der Ukraine involviert sind. Eines der Hauptthemen bei der nächsten Zusammenkunft dürfte die Versorgung der Ukraine mit Munition sein.
  
  Die ukrainische Führung erhofft sich zudem weitere Unterstützung durch schwere Geschütze. Selenskyj sagte am Montagabend: „Wir erwarten solide Entscheidungen, die den Perspektiven auf dem Schlachtfeld gerecht werden.“ Er sprach von „ziemlich ehrgeizigen Aussichten, denen wir uns nach Kräften nähern wollen“. Mit dem gemeinsamen Vorgehen im Ramstein-Format der westlichen Partner und Verbündeten soll über die Unterstützung der Ukraine hinaus das Signal gesetzt werden, dass die Geschlossenheit des Westens gegenüber Russland so groß wie nie ist. (Quelle: Bundesministerium der Verteidigung)
  
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

• Bundeswehr-Reform

  

  Wenige Tage nach der russischen Invasion in die Ukraine im Februar 2022 hatte Bundeskanzler Scholz eine „Zeitenwende“ bei der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik inklusive eines 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögens zur Modernisierung der Bundeswehr angekündigt. Der Wiederaufbau des Militärs ist seit Kriegsbeginn eine der wichtigsten Aufgaben der Bundesregierung geworden. Die Kasernen sind marode, es fehlt seit Jahren an Gerät und Munition, und die Anzahl der Soldat*innen geht zurück.
  
  Die Bundeswehr sei derzeit “nicht verteidigungsfähig”, würde Deutschland militärisch angegriffen, beschrieb der seit Januar amtierende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Durch eine umfassende Reform der Bundeswehr will Pistorius jetzt verlorene Zeit aufholen. Ziel seien „schnellere, nachhaltige und anhaltende Wiederbeschaffungswege und -zeiten“. Dazu plant er, Strukturen zu verschlanken, auch im Ministerium selbst, das mit mehr als 3000 Mitarbeitern deutlich größer als die Zielmarke von 2500 ist.
  
  Zudem fordert er eine Aufstockung des Verteidigungshaushaltes in Höhe von zehn Milliarden Euro über Scholz‘ Sondervermögen hinaus. Schon für den laufenden Betrieb werde mehr benötigt, „weil wir sonst die Aufgaben nicht wahrnehmen können, die es 30 Jahre lang nicht wahrzunehmen galt“. Pistorius betonte, dass dies auch für die Zeit nach dem russischen Krieg gegen die Ukraine gelte. Die Hilfslieferungen an die Ukraine verringern die Waffenbestände. Einen großen Teil möchte das Heer nachbeschaffen. Wo das Geld herkommen soll, müsse nun mit dem Finanzministerium verhandelt werden.
  
  Pistorius‘ Reformpläne werden vom Verteidigungsausschuss der Ampel zum Großteil unterstützt. „Die Zeitenwende ist nicht ausschließlich eine Frage des Geldes, sondern auch der Bereitschaft, Strukturen anzugehen“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Pistorius habe Mut zur Veränderung, die Reform müssten allerdings auch konsequent umgesetzt werden. Ähnlich äußerten sich die verteidigungspolitischen Sprecher der SPD und Grünen.  (Quellen: Business Insider, 19.04.2023; tagesschau, 26.02.2023)
  
  Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat heute im Bundestag weitere Anstrengungen zur Stärkung der Bundeswehr angekündigt, dafür aber auch mehr Geld angemahnt. "Wir müssen besser werden mit Blick auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen", sagte Pistorius am Donnerstag in der Debatte über den Bericht der Wehrbeauftragten. Die Union kritisierte, die Regierung habe das erste Jahr der von ihr ausgerufenen "Zeitenwende" verschlafen.
  
  Pistorius nannte als einen Ansatz dafür die von ihm eingeleiteten Strukturreformen im Verteidigungsministerium. Diese sollten dazu dienen, "die Zeitenwende schneller und kraftvoller umzusetzen", sagte der SPD-Politiker. Insgesamt stehe die Bundeswehr dabei noch "am Anfang einer großen Anstrengung". Der Verteidigungsminister benannte vier "Hauptbaustellen": Die erste sei die Fortsetzung der Unterstützung der Ukraine und die Wiederbeschaffung des ihr aus Bundeswehrbeständen gelieferten Materials.
  
  Als zweites nannte Pistorius die Landes- und Bündnisverteidigung: "Wir brauchen eine einsatzbereite, kampfstarke und durchhaltefähige Bundeswehr." Er verwies dabei auch auf die Zusage an die Nato, dieser ab 2025 eine komplette deutsche Division zur Verfügung zu stellen. Drittens müssten "wir wieder lernen, in großen sicherheitspolitischen Zusammenhängen und Linien zu denken", sagte Pistorius. Schließlich nannte er den Faktor Geld. "Verteidigung ist teuer und sie wird noch teurer werden", sagte der Minister. Er pochte daher auf die Einhaltung der Vorgabe, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Wehretat einzuplanen.
  
  Die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) lobte zum Auftakt der Debatte die Leistungen der Soldatinnen und Soldaten, sagte aber auch: "Sie tun dies unter Rahmenbedingungen, die besser sein könnten und sein müssten." Auch sie verwies dabei auf die Zunahme der Herausforderungen durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
  
  Mit Blick auf das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr sagte Högl: "Das Geld muss jetzt zügig und spürbar bei unseren Soldatinnen und Soldaten ankommen." Es habe sich bei den Rahmenbedingungen für deren Einsatz schon "viel verbessert, aber es gibt auch noch sehr viel zu tun".
  
  Die CDU-Politikerin Kerstin Vieregge kritisierte, dass mit dem Sondervermögen bisher wenig erreicht worden sei. "Das zweite Jahr der Zeitenwende darf nicht so verschlafen werden wie das erste", mahnte sie. Dazu gehöre auch eine substanzielle Erhöhung des regulären Verteidigungshaushalts, der aber stattdessen von der Ampel-Regierung sogar gekürzt worden sei.
  
  Einen "massiven Investitionsstau" räumte auch der FDP-Verteidigungsexperte Marcus Faber ein. Er betonte jedoch, dass die Koalition dabei sei, hier vorhandene Mängel abzustellen. Von einer "Bankrotterklärung" sprach mit Blick auf den Bericht der Wehrbeauftragten der AfD-Politiker Hannes Gnauck. Für die Linksfraktion sagte Ali Al-Dailami, es fehle jedoch nicht am Geld, sondern dieses "versickert im Beschaffungswesen". Er verwies auf deutliche Erhöhungen des Verteidigungshaushalts in den vergangenen Jahren.
  
  
  Quellen:  Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna

  Bildquelle: Reuters