Die Bundesländer fordern vom Bund mehr Geld zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen. Länder und Kommunen stießen an ihre Grenzen, heißt es in einem Beschluss der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten am Donnerstag in Berlin.
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, seit Beginn dieses Jahres sei die Zahl der Asylbewerberinnen und Asylbewerber gegenüber dem Vorjahr bereits um 76 Prozent gestiegen. Da zum Jahresbeginn in der Regel nicht die meisten Menschen kämen, schaue man mit Sorge auf die Entwicklungen der kommenden Monate.Der nordrhein-westfälische Regierungschef
Hendrik Wüst (CDU) fügte hinzu, der Anteil der Menschen, die nicht aus der Ukraine kämen, sei inzwischen höher als der Anteil ukrainischer Kriegsflüchtlinge. Er ging von zusätzlichen Kosten in diesem Jahr für den gesamten Bereich Flucht in Höhe von 3,7 Milliarden Euro alleine im Nordrhein-Westfalen aus. Die Finanzhilfen des Bundes betrugen demnach zugleich 600 Millionen Euro. Die Länder forderten daher eine "fairen Lastenverteilung" zu gleichen Teilen zwischen Bund und Ländern. In dem Beschlusspapier heißt es, die im November vom Bund zugesagte Unterstützung sei nicht in vollem Umfang umgesetzt worden.
Der Bund werde "dringend" gebeten, die bereits für 2023 zugesagten Mittel kurzfristig zur Verfügung zu stellen. Auch die Zusage des Bundes, weitere Liegenschaften bereitzustellen, sei nur teilweise erfüllt. Wegen steigender Flüchtlingszahlen sei darüber hinaus eine "deutlich über die bereits für 2023 zugesagten Mittel hinausgehende finanzielle Unterstützung des Bundes erforderlich".
Mit der Fluchtbewegung ab dem Jahr 2015 war der Bund mit in die Finanzierung der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen eingestiegen, unter anderem mit einer Pro-Kopf-Pauschale. Nach der föderalen Aufgabenteilung sind dafür eigentlich Länder und Kommunen zuständig. Kosten entstehen beim Bund in der Regel erst, wenn anerkannte Flüchtlinge Ansprüche auf reguläre Sozialleistungen, beispielsweise das Bürgergeld haben. Da ukrainischen Kriegsflüchtlingen der Zugang ins reguläre Sozialsystem schnell gewährt wurde, sparten die Länder Kosten, die sonst durch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz fällig gewesen wären.
Im vergangenen November hatten die Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vereinbart, dass der Bund die Länder in diesem Jahr mit 2,75 Milliarden Euro bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen unterstützt. Für das vergangene Jahr hatten die Länder wegen der Fluchtbewegung aus der Ukraine zusätzlich 1,5 Milliarden Euro bekommen.
Schon unmittelbar vor der Ministerpräsidentenkonferenz an diesem Donnerstag haben mehrere VertreterInnen der Länder den Druck auf die Bundesregierung erhöht. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) forderte eine Begrenzung der Flüchtlingsaufnahme. Die Zahl der Flüchtlinge sei so groß geworden, dass die Kommunen keine Aufnahmekapazitäten mehr hätten, sagte Kretschmer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Das heißt, der Bund muss aufhören mit freiwilligen Aufnahmeprogrammen.“ Ein solches Programm gibt es unter anderem im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und der Türkei. In diesem Rahmen nimmt Deutschland jährlich bis zu 3000 syrische und staatenlose Flüchtlinge aus der Türkei auf.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Deutschland hat bereits Rücknahmeabkommen mit einzelnen Ländern geschlossen, davon brauchen wir noch deutlich mehr.“ Die Bundesregierung dürfe nicht auf Initiativen der EU warten, sondern müsse von sich aus aktiv werden. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) forderte seinerseits vom Bund eine Pro-Kopf-Finanzierung für die Flüchtlingsversorgung. Das wäre ein deutlich gerechteres Verfahren als die aktuelle Pauschalfinanzierung“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Saarlands Regierungschefin Anke Rehlinger (SPD) sagte der „Rheinischen Post“, die Länder bräuchten mehr Liegenschaften des Bundes zur Unterbringung der Menschen. „Oder wo das nicht möglich ist, sollte der Bund zum Beispiel Container-Lösungen finanziell unterstützen.“ Neben der Organisation von Unterkünften seien die Kosten für Länder und Kommunen „im Moment das vordringlichste Problem“.
Im Streit mit den Ländern über die Aufteilung der Ausgaben für Flüchtlinge hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf das finanzielle Engagement des Bundes verwiesen. "Der Bund hat den Ländern und Kommunen im vergangenen Jahr mehr als 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt - und in diesem Jahr noch einmal 2,75 Milliarden", sagte er am Donnerstag im Bundestag.
Bei einem Flüchtlingsgipfel Mitte Februar in Berlin hatten Bund, Länder und Kommunen eine bessere Abstimmung zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen vereinbart. Vier Arbeitsgruppen wurden eingerichtet, die bis Ende März Ergebnisse vorlegen sollen. Eine Gruppe soll sich mit Fragen von Unterbringung und Finanzen, eine zweite mit der Entlastung von Ausländerbehörden und eine dritte mit Integration befassen. In einer vierten Arbeitsgruppe soll es um die Bekämpfung sogenannter irregulärer Migration und Rückführungen gehen. Ständige Abstimmungen zwischen Bund und Ländern gibt es schon bislang. Über die Arbeitsgruppen werden nun aber auch die Kommunen eingebunden.
Vereinbarungen über Geld vom Bund gab es nicht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: „Allein im Jahr 2022 hat der Bund die Länder und Kommunen finanziell mit 3,5 Milliarden unterstützt, für dieses Jahr haben wir 2,75 Milliarden vereinbart.“ Es gebe einen klaren Fahrplan, um die Finanzierung weiter zu regeln und Bilanz zu ziehen.
Nicht alle Probleme seien mit Geld zu lösen, sagte Hessens Innenminister, Peter Beuth (CDU). Er betonte: „Die Migration nach Europa muss stärker reguliert werden.“ Auch bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber müsse es Fortschritte geben. Der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), dämpfte allerdings die Erwartungen. Er verwies auf Afghanistan und Syrien, zwei Hauptherkunftsländer von Schutzsuchenden, und sagte: „Sie können ja mit den Taliban keine Migrationspartnerschaft machen und mit Assad sowieso nicht.“
Die CDU/CSU-Fraktion hatte die Bundesregierung Anfang März im Bundestag aufgefordert, die irreguläre Migration zu begrenzen und mehr Staaten zu sogenannten sicheren Herkunftsländern zu erklären. Abgeordnete der AfD-Fraktion unterstützten den Unions-Antrag. Der Antrag wurde mit den Stimmen von SPD, Grünen, FDP und Linkspartei abgelehnt.
„Sichere Herkunftsstaaten“ sind Länder, bei denen vermutet wird, dass es in der Regel weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung gibt. Das soll schnellere Asylentscheidungen und Abschiebungen ermöglichen. Der Vorschlag, Tunesien, Marokko, Algerien und Georgien als sichere Herkunftsländer einzustufen, war während der Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel an Widerstand im Bundesrat gescheitert.
Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna
Bildquelle: Kay Nietfeld/dpa
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