"Streit ums Testen und Impfen – wieder nicht gemeinsam gegen Corona?"

Fakten-Box 27. Januar 2022

• Infektionslage

  

  Die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland steigt weiter rasant an. Sie erreichte am Donnerstag mit mehr als 203.000 gemeldeten Infektionen einen neuen Höchststand. Die 7-Tage-Inzidenz hat erstmals die 1.000er-Marke durchbrochen. Das RKI hat den Wert für Infektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche mit 1017,4 angegeben (Stand 27.01.2022). Unter den Bundesländern hat Berlin mit 1863,2 die höchste 7-Tage-Inzidenz vor Hamburg (1616,2) und Bremen (1491,0). Die geringste Inzidenz hat den Angaben zufolge Thüringen mit 371,8.
  
  Bei den Neuinfektionen überwiegt auch in Deutschland die Omikron-Variante. Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung deshalb als sehr hoch ein. Omikron verbreite sich deutlich schneller und effektiver als die bisherigen Virusvarianten. Die Infektionsgefährdung wird für die Gruppe der Ungeimpften als sehr hoch, für die Gruppen der Genesenen und Geimpften mit Grundimmunisierung (zweimalige Impfung) als hoch und für die Gruppe der Geimpften mit Auffrischimpfung (dreimalige Impfung) als moderat eingeschätzt.
  
  
  Mittlerweile haben einige Gesundheitsämter in Deutschland wegen extrem hoher Inzidenzen die vollständige Kontaktnachverfolgung eingestellt. „Kontaktpersonen“ müssen damit rechnen, dass sie „nicht mehr durch die zuständigen Behörden kontaktiert werden können“, erklärten die Gesundheitsminister der Länder nach ihren Beratungen am Samstag. Die Ämter sollen sich künftig auf die Kontaktnachverfolgung bei Corona-Fällen im Klinik- und Pflegebereich und in Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung konzentrieren. Ursprünglich war der Inzidenzwert von 50 festgelegt worden, bis zu dem die Ämter es schaffen könnten, die Kontakte von Infizierten abzutelefonieren. Das Personal wurde inzwischen zwar aufgestockt, aber der Inzidenzwert liegt mittlerweile bei über 1000 und in manchem Landkreis schon bei deutlich über 2.000. „Das wird kein Gesundheitsamt mehr abarbeiten können“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
  
  Obwohl Fachleute bei den Fallzahlen von einer hohen und weiter steigenden Untererfassung ausgehen, erklärt das RKI in seinem Wochenbericht, auch weiterhin eine „zuverlässige Einschätzung der Gesamtentwicklung“ erstellen zu können. Möglich sei das durch verschiedene, sich gegenseitige ergänzende Meldesysteme, die auch in Hochinzidenzsituationen „die Krankheitslast zuverlässig erfassen“. Dennoch räumt das RKI ein: „Bedingt durch die hohen Fallzahlen werden, zum einen begrenzt durch die verfügbaren diagnostischen Kapazitäten zum anderen durch begrenzte Personalressourcen auf verschiedenen Ebenen, die Sensitivität und Detailtiefe der einzelfallbasierten Datensätze des Meldewesens vorübergehend nachlassen.“
  
  (Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna / RKI)
  

  Bildquelle: dpa

• Hospitalisierung

  

  Am Stand der Datenverarbeitung des deutschen Gesundheitswesens gibt es scharfe Kritik. Der Intensivmediziner Christian Karagiannidis forderte den sofortigen Aufbau eines Corona-Registers für die Krankenhäuser in Deutschland. Der Sachverständigenrat Gesundheit warnte, nicht verfügbare Gesundheitsdaten bedeuteten „ein Risiko für jeden Einzelnen“ und könnten sogar lebensbedrohliche Folgen haben. „Wir haben keinen blassen Schimmer, wie viele betreibbare Krankenhausbetten wir tagesaktuell in Deutschland haben, wie viele davon belegt sind und wie viele Pflegekräfte wirklich zur Verfügung stehen“, kritisierte Karagiannidis, der auch Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierung ist, in der „Augsburger Allgemeinen“ vom Mittwoch.
  
  Als Vorbild verwies er auf das von ihm mit aufgebaute Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Dieses gibt unter anderem über die Kapazitäten bei Intensivbetten Auskunft. Es gehe jetzt aber darum, „wie viele Corona-Patientinnen und -patienten nicht nur auf der Intensivstation, sondern auch auf den Normalstationen liegen“, betonte der Mediziner. „Die offiziellen Daten sind aktuell meilenweit von der Realität entfernt“, sagte Karagiannidis. So sei die sogenannte Hospitalisierungsinzidenz, die vor einer Überlastung der Kliniken warnen soll, in Nordrhein-Westfalen in Wirklichkeit dreimal höher als offiziell gemeldet.
  
  Der Stand der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen sei „eine Katastrophe“, so Karagiannidis. Ein Hauptgrund dafür sei, dass die seit 20 Jahren beschlossene elektronische Patientenakte noch immer nicht Praxis sei. Der Datenschutz sei dabei häufig nur eine Ausrede. Der „Grund für die Nichtumsetzung liegt eher darin, dass sehr viele unterschiedliche Beteiligte eine echte Transparenz im Gesundheitswesen nicht möchten“, sagte der Mediziner. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schrieb auf Twitter in Reaktion auf Karagiannidis, „an zeitnaher Übermittlung der Daten vom Krankenhaus an das RKI wird bereits gearbeitet“. Dies sei eine Aufgabe, der er sich nach seinem Amtsantritt „sofort gestellt“ habe.
  
  Das DIVI-Register gab die Zahl der Covid-19-Intensivpatienten am Donnerstag mit 2.290 an. Der Wert sinkt seit sechs Wochen kontinuierlich, was auch als Hinweis auf die milderen Verläufe mit einer Omikron-Infektion gewertet wird. Hinzukommt die langsam steigende Impfquote in Deutschland. Allerdings steigt die Zahl der Corona-Patienten auf den Normalstationen. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, berichtet: „Insgesamt liegen mehr als 12.000 Patienten mit Covid in den Kliniken – eine Zunahme von rund 15 Prozent.“ Die Dynamik sei bundesweit zu beobachten. „Allein in Nordrhein-Westfalen hatten wir zuletzt eine Steigerung von 37 Prozent innerhalb von sieben Tagen“, sagte Gaß. Die Steigerung auf den Normalstationen könne zusammen mit zunehmenden Personalausfällen „versorgungsrelevante Einschränkungen“ bringen.
  
  (Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna / RKI)
  

  Bildquelle: ZDF/dpa

• Impfkampagne

  

  In Deutschland sind 73,7% der Bevölkerung vollständig geimpft (Stand 26.01.2022). Das sind etwas mehr als 61 Millionen Menschen. 43 Millionen haben zusätzlich eine Auffrischungsimpfung erhalten (51,7%). Rund 20 Millionen Menschen in Deutschland sind ungeimpft, darunter auch Kleinkinder bis 4 Jahren, für die bisher kein zugelassener Impfstoff zur Verfügung steht. Das Bundesland mit der höchsten Quote an „vollständig“ Geimpften ist Bremen (86,4%).
  
  Zur Steigerung der Impfquote hat die Bundesregierung diese Woche eine neue Impfkampagne gestartet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) präsentierte am Montag die neuen Plakattafeln, auf einer steht: „Impfen hilft. Auch allen, die es nicht mehr hören können.“ Die neue Info-Offensive erscheint nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Arabisch, Englisch, Russisch und Türkisch. Scholz räumte ein, dass das erklärte Ziel von weiteren 30 Millionen Impfungen von Weihnachten bis Ende Januar nicht mehr zu schaffen ist.
  
  Seit Beginn der Impfungen in Deutschland vor 13 Monaten wurden rund 42 Millionen mehr digitale Impfzertifikate ausgestellt als Corona-Impfdosen verabreicht. Das Bundesgesundheitsministerium sieht auf Anfrage der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ in der Differenz weder einen Hinweis auf Fake-Impfpässe noch auf millionenfach nicht gemeldete Impfungen. Ein Ministeriumssprecher nannte „verschiedene Gründe“. Zum einen seien „insbesondere zu Beginn der Anwendung viele Zertifikate automatisch durch Impfzentren erstellt und an die geimpften Personen geschickt“ worden, während die betroffenen Personen oftmals bereits ein Zertifikat in einer Apotheke ausgestellt bekommen hätten. Des Weiteren könnten Zertifikate „auch mehrfach ausgestellt werden, wenn beispielsweise eine Person ihr Zertifikat verliert“. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung kann sich die Lücke nicht erklären. Das RKI wollte sich dazu nicht äußern. Die Opposition verlangt von der Bundesregierung Aufklärung.
  
  (Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna / RKI)

  Bildquelle: ddp-images

• Allgemeine Impfpflicht

  

  Der Bundestag hat am Mittwoch erstmals über das Für und Wider einer allgemeinen Impfpflicht diskutiert: In einer mehrstündigen Orientierungsdebatte warben die Befürworter einer solchen Regelung für ihre Position, es gab aber auch Unterstützung für eine partielle Impfpflicht ab 50 oder für den Verzicht auf jegliche Regelung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warb für eine allgemeine Pflicht: „Der einzige Weg ist eine Impfpflicht, mit der wir uns alle gegenseitig schützen, und damit müssen wir jetzt beginnen.“ Er widersprach dem Argument, dass eine Impfpflicht auf eine Einschränkung persönlicher Freiheiten hinauslaufe. „Die Freiheit gewinnen wir durch die Impfung zurück“, sagte Lauterbach. Da die Umsetzung einer Impfpflicht fünf bis sechs Monate dauere, müsse jetzt gehandelt werden: „Wenn wir das Problem vor uns wegschieben, wird das Problem mit voller Stärke zurückkommen.“ Lauterbach äußerte sich im Plenum nicht als Minister, sondern als Abgeordneter. Die Bundesregierung hat zur Impfpflicht keinen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt.
  
  Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt erklärte, die Impfpflicht sei für sie „kein leichter Schritt“, aber die Alternativen seien weitere „viele Tote, Kranke und Long-Covid-Patienten“ oder immer neue Kontakt- und Zugangsbeschränkungen. „Jetzt stehen wir in der Verantwortung, die bestehenden Impflücken zu schließen“, sagte die Grünen-Gesundheitsexpertin Kirsten Kappert-Gonther. Sie befürwortete ebenfalls eine Impfpflicht. Eine Verpflichtung für alle ab 50 berge die Gefahr, dass bei den Jüngeren die Impfbereitschaft nachlässt, warnte sie. Demgegenüber äußerte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Sympathie für eine Impfpflicht ab 50. Es müsse geklärt werden, ob es nicht mildere Mittel gebe als eine allgemeine Impfpflicht ab 18. Ausdrücklich würdigte er die Bundestagsdebatte, bei der der Fraktionszwang aufgehoben worden war. Der Unions-Gesundheitsexperte Tino Sorge (CDU) kritisierte im Namen der CDU/CSU erneut, dass die Bundesregierung keinen eigenen Gesetzentwurf für eine Impfpflicht vorgelegt hat. Auch er betonte, „dass Impfen der Weg aus der Pandemie ist“ und eine Impfpflicht daher sinnvoll. Er warb aber für eine „differenzierte“ Lösung und einen Kompromiss im Rahmen der parlamentarischen Beratungen.
  
  In der Debatte meldeten sich auch die Gegner einer Impfpflicht zu Wort. FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte, es gebe vielfältige Gründe, warum sich Menschen gegen eine Impfung entscheiden. „Wir tun gut daran, die Impfung nicht durch eine moralische Aufladung zu einer Solidaritätspflicht zu machen“, sagte der Bundestagsvizepräsident. Als Liberaler warne er aber davor, dass der Staat oder eine Mehrheit für eine Minderheit festlegen wolle, was vernünftig ist. Auch der Linken-Abgeordnete Gregor Gysi sprach sich gegen eine Impfpflicht aus. Diese würde die Spaltung der Gesellschaft vertiefen, warnte er. Die AfD bekräftigte ihr Nein zur Impfpflicht. Diese sei „verfassungswidrig und unverhältnismäßig“, sagte Fraktionschefin Alice Weidel in der Debatte.
  
  Verschiedene Gruppen von Abgeordneten wollen jeweils fraktionsübergreifend Anträge erarbeiten. Die Unionsfraktion kündigte einen eigenen Antrag an. Bislang zeichnen sich drei Modelle ab: Die Impfpflicht für alle Erwachsenen, eine Impfpflicht ab 50 sowie ein Nein zur Impfpflicht. Die nächste Gelegenheit für eine erste Lesung im Bundestag wäre Mitte Februar. Es ist die einzige Sitzungswoche, die bisher für Februar geplant ist.
  
  Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob für die Umsetzung einer allgemeinen Impfpflicht zuerst ein Impfregister eingerichtet werden muss. In der Orientierungsdebatte hatte die Union die Einführung gefordert. Damit könne man auch niedrigschwellige Impfangebote ausbauen, sagte Fraktionsvize Sepp Müller (CDU), etwa durch direkte Anschreiben oder verpflichtende Beratungsgespräche für Menschen aus Risikogruppen. Fraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) erläuterte, dass ein Register auch für die Kontrollierbarkeit einer möglichen Impfpflicht wichtig wäre. Gesundheitsminister Lauterbach hält ein Impfregister nicht für nötig und auch hinderlich, da eine Einführung deutlich zu lange dauern würde. Stattdessen wäre eine Möglichkeit, dass „der Impfnachweis am Arbeitsplatz erbracht werden muss oder bei der Nutzung bestimmter Verkehrsmittel. Es wäre möglich, dass der Impfnachweis erbracht werden muss bei Arztbesuchen, in Kliniken und so weiter. Es könnte auch einfach schlicht sporadisch kontrolliert werden wie in Österreich“, erklärte Lauterbach im ZDF „heute journal“.
  
  (Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna / RKI)

  Bildquelle: epa

• Einrichtungsbezogene Impfpflicht

  

  Ab Mitte März gilt eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen im Gesundheits- und Pflegewesen. Sie war von Bundestag und Bundesrat im Dezember beschlossen worden. Die entsprechende Änderung im Infektionsschutzgesetz nennt in §20a Absatz 5 auch Konsequenzen für die Beschäftigten, die den Nachweis nicht erbringen wollen. So kann das Gesundheitsamt die Weiterbeschäftigung von Ungeimpften untersagen. Die neue Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Claudia Moll (SPD), hat die Gesundheitsämter aufgefordert, vor der Verhängung eines Beschäftigungsverbots für ungeimpfte Pflegekräfte die konkrete Personallage vor Ort zu beachten. „Klar ist, dass die Gesundheitsämter sehr genau prüfen müssen, ob es durch ein Tätigkeitsverbot von Impfunwilligen zu Personalproblemen kommt“, sagte Moll dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Sie wies zugleich Warnungen von Pflegeanbietern zurück, dass ein Kollaps der Versorgung drohe, weil eine hohe Zahl von impfunwilligen Beschäftigen kündigen wolle. „Ich halte das für Panikmache“, sagte sie. Die meisten Pflegekräfte seien geimpft. „So wie ich meine Kolleginnen und Kollegen kenne, lassen sie weder die anderen Beschäftigten noch die Pflegebedürftigen im Stich.“
  
  Die bevorstehende Impfpflicht für Medizin- und Pflegepersonal hat bei ohnehin überlasteten Gesundheitsämtern für Zweifel an der Umsetzbarkeit gesorgt. Städte und Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern hatten in Schreiben an die Landesregierung erklärt, dass die Aufgaben im Zusammenhang mit den Regelungen „im vorgegebenen Umfang und zum vorgesehenen Zeitpunkt definitiv nicht leistbar sind“. Demnach kämen umfangreiche Aufgaben auf die Ämter zu: Erfassung und Verwaltung von Datensätzen, Aussprache von Tätigkeits- beziehungsweise Betretungsverboten, Durchführung von Bußgeldverfahren gegenüber den Betreibern der Einrichtungen sowie die Überprüfung der Impfbefreiungen. In ähnlicher Weise warnte auch der Landkreistag Baden-Württemberg. Die Kontrolle der Impfpflicht verlange in jedem Einzelfall eine Ermessensentscheidung mit einer Anhörung der Betroffenen sowie die ärztliche Prüfung der in der Sache vorgelegten Atteste. Landräte in Sachsen-Anhalt forderten von Bund und Ländern schnellstmöglich „Vollzugshinweise“.
  
  (Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna / RKI)

  Bildquelle: CLARK/obs

• Bund-Länder-Gipfel

  

  Angesichts der drastisch steigenden Corona-Infektionen hat es beim Bund-Länder-Gipfel am Montag dieser Woche keine Lockerungen der geltenden Corona-Maßnahmen gegeben. Allerdings wurden auch keine neuen Verschärfungen beschlossen. „Die Entwicklung der Omikron-Welle wird weiter aufmerksam beobachtet“, heißt es in dem Beschluss. Wenn eine Überlastung des Gesundheitssystems drohe, würden weitergehende Maßnahmen zur Infektionskontrolle vereinbart. Umgekehrt würden Bund und Länder „Öffnungsperspektiven entwickeln für den Moment, zu dem eine Überlastung des Gesundheitssystems ausgeschlossen werden kann.“ In einzelnen Ländern wurden Auflagen für den Handel gerichtlich gekippt.
  
  Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Länder-Vertreter stellten fest, dass die derzeit hohe und voraussichtlich weiter steigende Zahl der Neuinfektionen „zu Engpässen bei den verfügbaren PCR-Tests führt.“ Damit PCR-Tests für das Personal „insbesondere in Krankenhäusern, in Praxen, in der Pflege, Einrichtungen der Eingliederungshilfe“ sowie für Risikopatienten weiterhin zur Verfügung stehen, soll für den Großteil der Bevölkerung auf eine Bestätigung einer Infektion durch einen PCR-Test verzichtet werden. Ab wann die Regelung gilt, ist offen. Die Kapazität der PCR-Tests in Deutschland ist nach Angaben des Gesundheitsministeriums vom Mittwoch auf 2,8 Millionen pro Woche ausgebaut worden. In der vergangenen Woche wurden noch 2,4 Millionen angegeben. Die neue Testverordnung, die eine Priorisierung der PCR-Test-Nutzung für besonders gefährdetes Personal vorsieht, solle in den nächsten Tagen vorgelegt werden. Nach aktuell geltender Testverordnung hat beispielsweise noch jeder mit einem positiven Schnelltest Anspruch auf eine PCR-Nachtestung.
  
  (Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna / RKI)
  
  

  Bildquelle: phoenix

• Genesenen-Status

  

  Die Bundesländer übten heftig Kritik an der Bundesregierung, den Genesenen Status von einem Tag auf den anderen zu verkürzen. Das Robert-Koch-Institut hatte den ursprünglich für ein halbes Jahr gültigen Status auf drei Monate begrenzt und die Änderung lediglich auf seiner Webseite bekanntgemacht. Bürgerinnen und Bürger hätten „holterdipolter“ erfahren, dass ihr Genesenen-Status nicht mehr gelte, beschwerte sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). „Das geht so nicht, wir brauchen hier eine andere Form von Verlässlichkeit.“ Auch der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, kritisierte die Regeländerung. „Während Lauterbach den Genesenen-Status in Deutschland fragwürdig auf drei Monate verkürzt, stimmt die Ampel auf EU-Ebene einem Genesenen-Status von sechs Monaten zu. Das ist vollkommen planlos“, sagte Dobrindt der Zeitung „Die Welt“.
  
  Der Genesenen-Status ist ebenso wie der Impfstatus maßgeblich für Ausnahmen von Quarantäne- und Einreisevorschriften. Bundesgesundheitsminister Lauterbach verteidigte im ZDF „heute journal“ die Verkürzung des Genesenen-Status von sechs auf drei Monate. „Wir werden versuchen, die drei Monate auch auf europäischer Ebene umzusetzen. Es ist wissenschaftlich einfach richtig. Nach drei Monaten kann sich derjenige, der schon mit der Delta Variante infiziert war, erneut mit der Omikron Variante infizieren. Somit sind die drei Monate wissenschaftlich richtig.“
  
  Widerspruch kommt vom Dortmunder Immunologen, Prof. Carsten Watzl: „Wenn man eine Infektion durchgemacht hat, ist man immun“, sagt Watzl laut dpa. Er glaubt nicht, dass sich die Situation für Genesene durch Omikron entscheidend verändert hat. „Studien zeigen zwar, dass viele Antikörper von Genesenen die Omikron-Variante nicht mehr so gut erkennen können und diese Personen damit kaum noch einen Schutz vor der Infektion haben“, sagt der Immunologe. „Aber diese Veränderung gilt ebenso für Geimpfte. Wenn man den Genesenen-Status verkürzt, muss man das eigentlich auch für die Impfzertifikate tun.“ Die Verkürzung auf drei Monate sei eine „politische Entscheidung, die auf Basis der Daten nicht nachvollziehbar ist“. Kritiker sagen: Bei der Entscheidung sei es vor allem darum gegangen, mehr Menschen zum Impfen zu bewegen.
  
  Der Bundestag hat sich selbst eine Ausnahme von der Verkürzung gestattet. Die aktuelle Allgemeinverfügung, die insbesondere den Zutritt zum Plenarsaal und zu Ausschusssälen regelt, geht von der Gültigkeit des Genesenen-Status von sechs Monaten aus. Die Abweichung hatte zu Kritik geführt, von einer Ungleichbehandlung war die Rede. Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis‘90/Die Grünen) geht davon aus, dass der Bundestag die Corona-Sonderregelung beim Genesenen-Status wieder ändert: „Das war keine gute Idee.“
  
  (Quellen: Red. / dpa / reuters / afp / ap / epd / kna / RKI)

  "Von Statusänderung für Genesene überrascht" Bildquelle: dpa