Tommie Smith reckt seinen rechten Arm in die Luft, John Carlos den linken - die Hände im schwarzen Handschuh zur Faust geballt. Beide senken den Kopf. Ohne Schuhe, nur in schwarzen Socken, stehen die US-Sprinter auf dem Siegerpodest, während ihre Hymne gespielt wird. Die Bilder gehen um die Welt. Und in der Heimat löst ihr stiller Protest bei den Olympischen Spielen 1968 einen Skandal aus.
Thema ist aktueller denn je
Am Dienstag jährt sich dieser historische Moment von Mexiko-Stadt zum 50. Mal. Und doch ist das Thema, das Smith und Carlos in den Fokus rückte, aktueller denn je. "Eine Schnecke hat sich in 50 Jahren weiter bewegt als wir uns im Kampf für Bürgerrechte", sagte Carlos nun.
Am 16. Oktober 1968 war Smith in Weltrekordzeit zu Gold über 200 m gerannt, Carlos wurde Dritter. Aber Helden waren sie nur für kurze Zeit. Das Ende des Tages erlebten sie als Verachtete.
Denn mit ihrem Zeichen gegen Diskriminierung und Rassenhass in den USA hatten sie nicht nur mit einem der Grundpfeiler der olympischen Bewegung gebrochen: Sport und Politik gehören angeblich nicht zusammen. Ihre Haltung sollte für das restliche Leben des damals 24 Jahre alten Smith und des ein Jahr jüngeren Carlos weitreichende Konsequenzen haben.
Bis ins Detail geplant
Auf Druck des IOC wurden sie aus dem US-Olympiateam geschmissen,
Smith alle Fördergelder gestrichen. Plötzlich waren sie Ausgestoßene, Verbannte, die Morddrohungen erhielten. Sie hatten die Gemüter einer Gesellschaft erhitzt, deren Nervenkostüm zur Zeit der Bürgerrechts-Bewegungen in den USA ohnehin hauchdünn war.
"Wir mussten etwas tun, um vorwärts zu kommen", sagte Smith der "Bild am Sonntag". Dafür wollten er und Carlos die Bühne der Spiele nutzen, die erstmals global im Fernsehen übertragen wurden - eine Reichweite, die es zuvor nicht gegeben hatte.
Ihre Inszenierung war bis ins Detail geplant: Die in die Höhe gestreckte Faust galt als Zeichen der "Black-Power-Bewegung". Die schwarzen Socken symbolisierten die Armut der schwarzen Bevölkerung. Eine Perlenkette um den Hals von Carlos erinnerte an die Lynchmorde. Zudem trugen Smith und Carlos den weißen Anstecker der Menschenrechtsbewegung Olympic Project for Human Rights (OPHR), der beide ebenso angehörten wie Silbermedaillengewinner Peter Norman aus Australien.
Späte Anerkennung
Quelle: Ted S. Warren/AP/dpa
Smith und Carlos kämpften nach ihrer Rückkehr in die USA um ihre Existenz und bekamen nur schwer wieder Boden unter den Füßen. Beide spielten zunächst wenig erfolgreich in der amerikanischen Football-Profiliga NFL, arbeiteten anschließend als Trainer und Lehrer. Erst Jahre später ernteten sie Anerkennung für ihren Mut. Seit 2005 erinnert eine Statue an der Universität San Jose in Kalifornien an den Protest, der ehemalige Präsident Barack Obama empfing sie im Weißen Haus.
Doch der Kampf gegen die Rassendiskriminierung in den USA geht bis heute weiter. Der ehemalige NFL-Star Colin Kaepernick findet nach seinen umstrittenen Kniefallprotesten während der US-Hymne seit mittlerweile eineinhalb Jahren keinen Klub. US-Präsident Donald Trump beschimpfte den Quarterback als "Hurensohn".
Opfer bringen
Manchmal müsse man für eine Sache, an die man glaubt, Opfer bringen, schrieb Carlos Mitte September auf Facebook. Keiner von ihnen habe mit so drastischen Konsequenzen für das eigene Leben gerechnet. "Aber wir haben hinter unseren Aussagen gestanden. So wie Kaepernick", schrieb er. Die neue Ikone der Bewegung solle die Gesellschaft weiter auf Probleme aufmerksam machen. So wie es Smith und Carlos damals taten.