Der Zeitpunkt, überraschend. Vergessen der Treueschwur, öffentlichkeitswirksam ausgesprochen von DHB-Sportvorstand Axel Kromer vor gut zwei Wochen: „Wir werden natürlich mit Christian Prokop in Richtung Olympia gehen... .“ Wie wir heute wissen: Ein Lippenbekenntnis ohne Substanz.
Schon während der EM gab es offenkundige Risse zwischen dem Bundestrainer und Bob Hanning, dem starken Mann im deutschen Handball, der durch verbales Vorpreschen für Unruhe im Team gesorgt hatte. Hat der DHB-Vizepräsident da womöglich bereits den Markt nach Alternativen sondiert? Prokop war darüber sichtlich irritiert – es fiel schwer zu glauben, dass diese Zusammenarbeit noch eine effektive Fortsetzung finden könnte.
Christian Prokop hat ganz sicher Fehler gemacht bei der zurückliegenden EM - unklare Auszeiten, unglückliche, zu häufige Wechsel. Am Ende steht ein 5. Platz – einerseits das erklärte Ziel (Halbfinale) knapp verfehlt, andererseits aber durchaus akzeptabel angesichts vieler verletzter Stammspieler. Im Gegensatz zu Prokops Anfängen beim DHB bildeten Team und Trainer bei diesem Turnier eine Einheit.
Prokop war Hannings Mann – er machte ihn 2017 zum Bundestrainer (ungewöhnlich hoch die 500.000-Euro-Ablöse, die der Verband zu zahlen bereit war), Hannings Stimme gab 2018 den Ausschlag, dass Prokop trotz missratener EM weitermachen durfte. Die Heim-WM 2019 – ein Erfolg, auch wenn die Medaille knapp verpasst wurde. Jetzt also das überraschende Aus - entgegen anderslautender Beteuerungen ist Hanning von Prokop abgerückt. Inhaltlich mag es sehr wohl Argumente für den Trainer-Tausch geben, die Art und Weise, wie der 41-Jährige jetzt hinauskomplimentiert wurde, wirkt doch einigermaßen stillos.
Der Neue, ein Altbekannter: Alfred Gislason, der Kieler Meistertrainer, eine gestandene Persönlichkeit mit Erfolgsaura. Der 60-Jährige muss nun gleich im April beim Olympia-Qualifikationsturnier unter Beweis stellen, dass er nicht nur ein guter Vereinscoach ist, sondern auch eine Verbandsmannschaft führen kann, mit der er nur punktuell und nicht kontinuierlich zusammenarbeitet.