Vor 17 Jahren schaffte es Newcastle United als bislang einziges Team in der Champions League drei Auftaktniederlagen zum Trotz ins Achtelfinale. Die Leverkusener können dieses Kunststück gegen Juventus Turin wiederholen - und lassen dies Fernduell-Gegner Atlético Madrid auch spüren.
Sieben Wochen sind vergangen, seit Lars Bender mit einigen recht ernüchterten Erkenntnissen zu seinen Leverkusenern an die Öffentlichkeit trat. Obwohl das Team gar nicht mehr so jung sei, fehle ihm etwas Reife, monierte der Kapitän, der fand: "Das kann man aber durch andere Dinge kompensieren. Wir müssen da mehr rauskitzeln."
"Klick" nach dem Gladbach-Spiel
Beim anschließenden Königsklassenmatch bei Atlético Madrid klappte es mit dem Kitzeln zumindest schon mal optisch, ein 0:1 setzte es dennoch. Auch Anfang November bei der Heimpleite in der Liga gegen Gladbach machte der Tabellenführer der Werkself noch vor, wie man mit Konzentration, Einsatz und dem richtigen Schuss Coolness solche Top-Duelle besteht. Und das war dann auch der Tag, an dem es bei Bayer "klick" machte.
Seitdem blieb die Mannschaft von Peter Bosz ungeschlagen, gewann fünf ihrer sechs Spiele, die letzten zwei bei den Bayern und gegen den harten Brocken Schalke. Dabei offenbarten die zuvor häufig etwas ziellosen, in ihrem Spiel unscharfen Rheinländer jedes Mal jene Leidenschaft, die der Kapitän Ende Oktober vor der Reise nach Madrid so vermisst hatte. Und können es deshalb in der Champions League, trotz der drei Niederlagen zu Beginn, jetzt noch ins Achtelfinale schaffen.
Lust am Reinbeißen
Auch die jüngsten Siege auf internationalem Parkett gegen Atlético und bei Lokomotive Moskau verdankten die Leverkusener ihrer lange verschütteten Widerstandskraft und ihrem Willen. "Wir können uns in Spiele reinbeißen und haben gezeigt, dass wir auch auf die Weise Spiele gewinnen können", benennt Bank-Chef Bosz den entscheidenden Fortschritt in diesem Herbst.
"Im Moment läuft’s", sagt Sportgeschäftsführer Rudi Völler lächelnd - wobei das knappe 2:1 gegen Schalke nach eigener 2:0-Führung am Wochenende am Ende allen ans Gemüt ging. "Das nervte - und das muss uns auch nerven", betont Lars Bender, der für das Fernduell mit Madrid am Mittwochabend nun seinerseits den Griff zur Nervensäge anregt.
Benders Schlachtplan
Leverkusen muss gegen das bereits für die K.o.-Runde qualifizierte Ensemble von Juventus Turin gewinnen - und zudem darauf hoffen, dass Atlético im Parallelspiel gegen Moskau Federn lässt. Schaffen die Spanier gegen die auswärtsstarken Russen nur ein Remis, stünde Bayer bei einem Heimerfolg gegen den Zweiten der Serie A unter den Top 16 des Kontinents.
"Das Ziel muss sein, relativ schnell etwas aufs Scoreboard zu bringen und damit vielleicht den Druck in das andere Stadion zu bringen. Dann muss man sehen, was passiert. Im Fußball ist alles möglich", lautet der psychologische Schlachtplan von Defensivkraft Bender. Und auch Simon Rolfes haben die zurückliegenden Wochen den Rücken und die Zunge gestärkt.
Rolfes‘ Massage
Nach dem Sieg in Moskau Ende November ortete der Sportdirektor Leverkusens Chance auf das Erreichen des Achtelfinals bei "vielleicht vier oder fünf Prozent". Rein zahlenmäßig dürfte sich daran seitdem nicht viel verändert haben, doch die kleinen mentalen Kniffe gefallen auch dem früheren Mittelfeldakteur inzwischen sehr gut.
"Wir hatten Spiele dabei, in denen wir fußballerisch überzeugt haben - aber wir hatten auch Spiele dabei, in die wir uns reingekämpft haben", beschreibt Rolfes das erweiterte Portfolio des Bosz-Teams - und massiert den Bayer-Profis vor dem Gang gegen Juve die Fußballerseelen. "Es war keine einfache Situation für uns in der Bundesliga und international", erwähnt der 37-Jährige und betont: "Da muss man sich erst einmal herauskämpfen."