Beim FC Schalke 04 geht die Angst um. Im Heimspiel heute (20.30 Uhr/ab 22.45 Uhr im aktuellen sportstudio) gegen Hoffenheim müssen die völlig verunsicherten Knappen um Interimstrainer Huub Stevens unbedingt punkten, sonst droht der Abstieg.
Fünf Spieltage vor Saisonschluss hat der auf Platz 15 abgestürzte Vorjahres-Vizemeister zwar sechs Zähler Vorsprung auf den Relegationsrang. Nach den zuletzt gezeigten Leistungen fragen sich aber Fans und Experten, wie und gegen wen diese Mannschaft überhaupt noch etwas holen soll.
Hausgemachte Krise
Auch der von den eigenen Anhängern zum S04-Jahrhunderttrainer gewählte Huub Stevens hat als Nachfolger von Domenico Tedesco das Ruder nicht herumreißen können.
Die Krise des Champions-League-Achtelfinalisten allerdings ist keine Momentaufnahme, sondern droht den stolzen Traditionsklub im Kampf um die besseren Plätze auf Jahre zurückzuwerfen - und vor allem ist sie hausgemacht.
"Der Fisch stinkt vom Kopf her" heißt es oft, wenn in einer Organisation ganz oben Fehler gemacht werden, die bis nach unten hin die komplette Struktur schwächen. Dieses Problem trägt auf Schalke den Namen Clemens Tönnies. Der Unternehmer ist seit 1994 Mitglied des S04-Aufsichtsrats, seit 2001 führt er das Gremium ununterbrochen an.
Viele Trainerentlassungen
In diese nunmehr 18-jährige Amtszeit fallen seit dem Weggang eben jenes Huub Stevens nach dem DFB-Pokalsieg 2002 insgesamt 14 Trainerentlassungen, dabei sind Übergangslösungen wie Oliver Reck, Mike Büskens oder Seppo Eichkorn gar nicht mitgerechnet.
Außerdem wurde nach dem Rausschmiss der inzwischen verstorbenen Managerlegende Rudi Assauer fünfmal der Sportvorstand ausgetauscht. Kontinuität auf Führungsebene beweisen die Gelsenkirchener hingegen nur in Person von Tönnies und Geschäftsführer Peter Peters, der bereits seit 1992 dabei ist.
Verheerende Fehlplanungen
Vergleichbare Hire-and-Fire-Praktiken haben sich in der Bundesliga in dieser Zeit nur der VfB Stuttgart und der Hamburger SV geleistet - der eine Verein war zwischenzeitlich in die zweite Liga abgestiegen und aktuell Schalkes Konkurrent um den Strohhalm Relegation, der andere müht sich gerade zum Wiederaufstieg in die erste Klasse.
In Gelsenkirchen sind ganz frisch der vor knapp einem Jahr noch rauschend gefeierte Jungcoach Domenico Tedesco und der 2016 aus Mainz geholte Christian Heidel gescheitert.
Mit Heidel sollte ja alles anders werden auf Schalke, bei seiner Vorstellung versprach Tönnies, sich endlich aus dem operativen Geschäft, und vor allem dessen öffentlicher Bewertung, heraus zu halten.
Heidel wurde zum starken Mann gemacht, die Konsequenzen sind verheerend: In zweieinhalb Jahren durfte der 55-Jährige über 150 Millionen Euro für neue Spieler ausgeben, dem gegenüber stehen Transfereinnahmen in Höhe von etwas mehr als 110 Millionen Euro. Die teuersten Flops im aktuellen Kader heißen Breel Embolo (26,5 Mio), Sebastian Rudy (16), Yevhen Konoplyanka (12,5) und Omar Mascarell (10), keiner von ihnen hat bisher sich als Verstärkung erweisen.
Abstieg wäre Worst Case
Um in Zukunft wieder in der Tabelle weiter vorne und damit um einen internationalen Startplatz mitspielen zu können, muss der neue Sportvorstand Jochen Schneider nach dem Saisonende für neue Spieler wieder richtig Geld in die Hand nehmen.
Voraussetzung: Der Worst Case, sprich der Abstieg in die zweite Liga, kann vermieden werden. Wie dringend am Samstag Punkte gegen Hoffenheim sind, wissen die Königsblauen übrigens schon vor dem Anpfiff am Abend. Um 15.30 Uhr empfängt der FC Augsburg den VfB Stuttgart. Bei einem Auswärtssieg des Tabellendrittletzten zieht sich die Schlinge noch enger um Schalkes Hals.
Clemens Tönnies könnte also bis zur Jahreshauptversammlung am 30. Juni, auf der er von den Mitgliedern wiedergewählt werden möchte, die Luft ausgehen. Auch für ihn sind die nächsten fünf Spiele lauter Endspiele.