Die Pause zwischen Speerwurf und 1500-Meter-Lauf war für Niklas Kaul die Zeit des Zweifelns gewesen. "Vor dem Lauf hatte ich Angst und war aufgeregt. Ich hatte Angst, alles zu ruinieren", gestand er in Doha nach dem Triumph in der Nacht zum Freitag.
Mit persönlicher Bestzeit
Nach dreieinhalb Runden in 4:15,70 Minuten war jegliche Befürchtung vergessen: Mit der persönlichen Bestleistung von 8691 Punkten siegte Kaul vor dem Esten Maicel Uibo (8604) und dem Kanadier Damien Warner (8529).
"So ganz verstanden habe ich das noch nicht", sagte er kurz nach Mitternacht (MESZ) im ZDF-Interview: "Dazu brauche ich noch ein, zwei Tage." Bisher einziger deutscher Zehnkampf-Weltmeister war 1987 der Schweriner Torsten Voss aus der DDR.
Nach den fünf Disziplinen des ersten Wettkampftages lag der 1,90 Meter große Ausnahmeathlet vom USC Mainz nur an elfter Stelle und sprach allein davon, "Schadensbegrenzung" betreiben zu wollen. "Ich wusste, dass ein Platz unter den Top Sechs noch gehen würde", sagte er.
Pech der Konkurrenz
Erst nachdem Titelverteidiger und Weltrekordler Kevin Mayer (Frankreich) im Stabhochsprung aufgegeben hatte und der bis dahin Victor Lindon (Grenada) im Diskuswerfen ohne Punkte geblieben war (Kaul: "Leider, denn das wünscht man auf gar keinen Fall jemandem."), war ihm klar: "Jetzt kann’s um eine Medaille gehen - und, dass es knapp werden kann zwischen Damien Warner, Maicel Uibo und mir. Da wusste ich: Die Chance kriegst du vielleicht nie wieder in deinem Leben", sagte Kaul im ZDF: "Ich bin nicht der beste der Zehnkämpfer, die hier teilgenommen haben, aber vielleicht der konstanteste."
Ausschlaggebend war aber vor allem der Speerwurf, seine Königsdisziplin. Mit 79,05 Metern steigerte Kaul seine persönliche Bestweite um 56 Zentimeter und katapultierte sich auf Platz drei in der Zwischenwertung. Vor dem abschließenden Lauf über 1500 Meter lag er nach dem großen Wurf nur 19 Punkte entfernt von dem bis dahin an der Spitze liegenden Uibo.
Wie einst Busemann
"Du rennst jetzt einfach und gibst alles, was du hast", lautete seine am Ende von Erfolg gekrönte Devise. Damit ist ihm ein ähnlicher Überraschungscoup wie Frank Busemann mit Olympia-Silber 1996 geglückt.
"Riesen-Chapeau vor Niklas. Er ist sehr weit für sein Alter, auch im Kopf", sagte Teamkollege Kai Kazmirek. "Er weiß genau, was er will." Für den WM-Dritten von 2017 von der LG Rhein Wied war nach einem Patzer im Hürdensprint der Traum von einer weiteren Medaille geplatzt. Der 28-Jährige beendete trotzdem den WM-Wettkampf und landete auf dem 17. Platz. Zehnter wurde der Ulmer Tim Nowak.
Quelle: dpa/ZDF