Weil die BVB-Innenverteidigung auf der letzten Rille läuft, muss der Mittelfeld-Stratege wohl weiter hinten aushelfen. Funktioniert das auch gegen flinke Leipziger (Bericht mit Interviews im aktuellen portstudio ab 23 Uhr)?
Plötzlich zurück im Rampenlicht: Julian Weigl darf sich bei Borussia Dortmund wieder gebraucht fühlen, nachdem die grandiose Vorrunde des Bundesliga-Spitzenreiters am Mittelfeldspieler eher vorbeilief. Auf der ungewohnten Position des Innenverteidigers hat sich Platz für Weigl gefunden. Unfreiwillig, doch vielleicht sogar über den wichtigen Rückrundenstart gegen RB Leipzig hinaus.
Kaltstart für Diallo
Denn nachdem der BVB schon mit Personalsorgen in die Winterpause gegangen war, reißen die Hiobsbotschaften nicht ab. Kurz vorm Topspiel erlitt Ömer Toprak eine Muskelverletzung, er droht länger auszufallen. Damit gesellte er sich zu Manuel Akanji. Der Abwehrchef darf sich zurzeit nur darüber freuen, dass seine malade Hüfte nicht sogar operiert werden muss. Abdou Diallo hat die Team-Einheiten im Wintertrainingslager in Marbella verpasst und kämpft sich seit Beginn dieser Woche erst wieder ran. Sollte Toprak ausfallen, wäre der Franzose gegen Leipzig zum Kaltstart gezwungen. Denn auch für den vierten Innenverteidiger im üppigen BVB-Kader kommt Leipzig zu früh: Dan-Axel Zagadou fehlt seit Anfang Dezember aufgrund einer Mittelfußprellung.
Dass Weigl die Rolle im defensiven Zentrum ausfüllen kann, hat er beim Hinrunden-Finale gegen Borussia Mönchengladbach bewiesen. Der 23-Jährige organisierte die Abwehr mit Übersicht, war stets anspielbar und trug mit großer Passgenauigkeit zudem zum sicheren Spielaufbau bei. Diese Qualitäten zeichneten Weigl schon als „Sechser“ im defensiven Mittelfeld aus. Nach dem Sieg über Gladbach gab es viel Lob für den Auftritt des Nationalspielers und im „kicker“ die Note 3.
Piszczek wäre eine Option
Andererseits war jenes Spiel auch auf Weigl zugeschnitten. Die Gäste vom Niederrhein blieben im Borussen-Duell merkwürdig zurückhaltend und stellten ihn kaum vor Probleme. So zwangen die Fohlen Dortmunds Nummer 33 kaum in Laufduelle, in denen ein Tempodefizit hätte offensichtlich werden können. Oder in Dribblings, die sich nicht spielerisch lösen lassen. Selbst die Lufthoheit im Strafraum forderte Gladbach nicht heraus. Dabei wären Flanken durchaus ein Mittel gewesen, um den schmächtigen BVB-Star unter Druck zu setzen. Körperlich entspricht Weigl nun mal nicht dem Typus des Innenverteidigers.
Daher hatten viele BVB-Kenner auch damit gerechnet, dass Trainer Lucien Favre Außenverteidiger Lukasz Piszczek nach innen zieht. Der Routinier ist zwar nicht mehr der Schnellste und technisch wohl weniger versiert. Aber insgesamt die robustere Lösung, um nötige Zweikämpfe zu gewinnen. Der Pole, von Favre einst zu Berliner Zeiten vom Stürmer umgeschult, bleibt eine Option. Vorerst aber scheint sich Favre festgelegt zu haben. Weigl durfte sich in den jüngsten Testspielen gegen Düsseldorf und Rotterdam in der Abwehrmitte einspielen. Zudem hat der BVB darauf verzichtet, den gerade erst für 15 Millionen Euro von Boca Juniors verpflichteten Leonardo Balerdi ins kalte Wasser zu werfen. Das 19 Jahre alte Verteidiger-Talent soll behutsam aufgebaut werden.
Optimales Stellungsspiel gefragt
Vielleicht wächst Weigl ja auch an der neuen Aufgabe. Es wäre nicht das erste Mal. Mit 18 Jahren war er schon Kapitän bei 1860 München, und in Dortmund startete er bekanntlich als Bundesliga-Frischling direkt durch. In jedem Falle wird es spannend sein zu sehen, wie er auf die Angriffe der heimstarken Leipziger reagiert. Trainer Favre hat den Respekt vom „gefährlichen Spielaufbau, der gefährlichen Balleroberung“ und der „sehr schnellen Kombination“ des Tabellenvierten sicher als Warnung an Weigl weitergegeben. Gerade im Umschaltspiel gegen die flinken und dribbelstarken Spitzen Timo Werner und Yussuf Poulsen sind Konzentration und optimales Stellungsspiel gefragt.
Für Weigl bietet sich die Chance auf Eigenwerbung, nachdem der jüngste Aufschwung des BVB an ihm vorbeiging. Die Neuzugänge Thomas Delaney und Axel Witsel haben Weigl klar den Rang abgelaufen, selbst Mo Dahoud scheint in der Mittelfeld-Hierarchie vorne zu liegen. Obwohl Weigl beim Schützenfest gegen Nürnberg sogar das dritte Tor seiner Karriere gelang, liegen die bislang nur acht Pflichtspieleinsätze deutlich unter seinen Ansprüchen. Möglich, dass Weigl im Sommer - dann zum Allrounder gereift - seinem Förderer Thomas Tuchel zum Topklub Paris Saint-Germain folgt. Ohne das Verletzungspech beim BVB wäre ein solcher Schritt wohl auch früher denkbar.