Bundestrainer Joachim Löw wehrt sich gegen einen radikalen Umbruch. Im Länderspiel der Nationalmannschaft gegen Russland (heute, 20:45 Uhr) sollen sich aber immerhin die drei Tempostürmer wieder austoben dürfen.
Ein paar Aufschlüsse liefern die Übungsstunden der deutschen Nationalmannschaft ja schon. Wenn beispielsweise ein anspruchsvoller Parcours aufgebaut ist, bei dem die Spieler einbeinig über Hürden gehen müssen, dann flache Pässe spielen, lossprinten und abschließend durch eng gesteckte Stangen dribbeln. Rasch fällt dabei auf, wer dabei eine besonders gute Figur macht. Spielertypen wie Serge Gnabry. Flink, beweglich und ballsicher. Auch in Bedrängnis von Metallfiguren.
Einsatzgarantie
Der Stürmer vom FC Bayern erhielt für das Freundschaftsspiel gegen Russland genauso eine Einsatzgarantie wie Leroy Sané und Timo Werner. Die jungen Tempostürmer sollen sich noch einmal austoben. "Die Tendenz geht dahin, die drei haben das gegen Frankreich gut gemacht", sagte Joachim Löw am Mittwochabend in der Leipziger Arena.
Der Bundestrainer schränkte allerdings ein, dass keiner aus seiner Truppe ein Niveau von Torjägern wie Edinson Cavani (Paris St. Germain), Luis Suarez (FC Barcelona) oder Robert Lewandowski (FC Bayern) verkörpere: "Stürmer mit Weltklassequalität haben wir nicht."
In England weiterentwickelt
Aus deutscher Sicht ist vor allem Gnabry auf der Überholspur. Er zeigt sich von Schaffenskrisen seiner Mitspieler unbeeindruckt. Löw hält großes Stücke auf ihn: "Wenn er so weitermacht, wird er für die Nationalmannschaft ein extrem wichtiger Spieler." Der 23-Jährige hat es nach eigener Aussage gar nicht wahrgenommen, dass er der Gewinner der vergangenen Wochen sein soll. Sein Motto: "Wenn du spielst, alles geben, egal auf welcher Position.
Seine Weiterentwicklung sei den Erfahrungen zu verdanken, die er "als Person" (Gnabry) nach seinem Wechsel in jungen Jahren nach England gemacht habe. "Da musste ich mich neu anpassen und bin danach mehr ins Risiko gegangen."
Sané im zweiten Anlauf
Auch Sané hat der Wechsel nach England schon jetzt gut getan, und eigentlich hätte der beste Jungprofi der Premier-League-Saison 2017/2018 auch zwingend zur WM nach Russland mitgenommen werden müssen. Nun startet der 22-jährige Ex-Schalker eben im zweiten Anlauf beim DFB-Team durch.
Sie sind in der bei weitem nicht ausverkauften Leipziger Arena am Elsterbecken die Hoffnungsträger, dass "die Phase des Umbruchs" (O-Ton Löw) in die richtige Richtung weist. "Die Spiele zum Jahresabschluss wollen wir wenn möglich siegreich gestalten."
Aber gleichzeitig schränkte Löw am Vorabend schon wieder ein: "Das Ergebnis ist nicht allzu relevant." Er wolle in erster Linie die Erkenntnisse gewinne, wem er für die Neuausrichtung vertrauen kann.
Kein Umbruch aus dem Nichts
"Ich bin ganz sicher, dass es bis 2020 noch viele Veränderungen geben wird, aber eben wohl dosiert und Schritt für Schritt und nicht überhastet", sagt Löw. Seinen gezügelten Reformeifer erklärt der Coach mit einem begrenzten Pool an Nachrückern. Er habe eben nicht das Gefühl wie 2009, als sieben, acht U 21-Europameister direkt in der Lage waren, sich auf höchstem Niveau zu etablieren.
Gleichwohl: Es gibt keinen Grund, auch Niklas Süle oder Thilo Kehrer nicht weitere Lernfortschritte zuzutrauen. Löw ist gefordert, diese Akteure zu fördern; sei es durch praktische Erfahrung in Länderspielen, aber auch theoretische Unterweisung. Dass sich der Südbadener vor anderthalb Wochen in Mainz blicken ließ, um sich ein Bild vom Bremer Mittelfeldspieler Maximilian Eggestein zu machen, war ein wichtiges Signal.
Eggestein, Klostermann, Halstenberg, Hofmann
Explizit nahm der Budestrainer am Mittwochabend nun Stellung, wer denn die künftigen Kandidaten sein könnten. Der erst 21-jährige Eggestein sei für sein Alter "schon sehr reif". Er möchte den vielseitigen Techniker, der allerdings ein gewisses Tempoproblem mitbringt, erst einmal weiter in der U21-Nationalmannschaft sehen. Auch Lukas Kostermann (RB Leipzig) stehe auf dem Zettel. Und: "Marcel Halstenberg hat gute Ansätze."
Der Leipziger Linksverteidiger hat vor einem Jahr in Wembley gegen England debütiert, bald darauf riss das Kreuzband des 27-Jährigen, der nun wieder im Kommen ist.
Vierter im Bunde der namentlich Erwähnten: Jonas Hofmann (26) von Borussia Mönchengladbach, der Löw auch „gut gefällt.“ Alle stünden fürs neue Jahr unter Beobachtung.