Es ist nicht das einzige Problem von Ferrari, aber es wird sich durch die komplette Formel-1-Saison ziehen: die teaminterne Rivalität von Sebastian Vettel und Charles Leclerc.
Es wird kein einfaches Jahr für Ferrari in der Formel 1. Auch wenn zumindest ein akutes Problem nicht mehr zu bestehen scheint: Trotz Coronavirus und Quarantäne in Norditalien verlief und verläuft die Anreise zum Saisonauftakt in Melbourne problemlos, wie Ferrari jedenfalls betont. Der letzte Teil der Truppe, das Management, steigt heute in den Flieger – und man habe von den italienischen Behörden keine gegenteiligen Anweisungen erhalten.
Affäre kocht hoch
Noch nicht ausgestanden dürfte dagegen die Affäre um den Privatdeal zwischen FIA und Ferrari um die Unregelmäßigkeiten am Motor der Roten 2019. Nach dem offenen Brief von sieben Konkurrenzteams, die das Vorgehen der FIA in diesem Fall heftig kritisierten, und der Reaktion des Weltverbandes, dass das doch alles den eigenen Regeln entsprechend abgelaufen sei, ist zu erwarten, dass die Sache ab Donnerstag in Melbourne wieder hochkocht: Spätestens dann treffen alle Teamchefs und Medien im Fahrerlager ein und werden dieses umstrittene Vorgehen sicher nicht aus sich beruhen lassen, die Teams haben sich ja ausdrücklich die Möglichkeit von Klagen offengehalten.
Und dann ist da noch das Problem, das Ferrari wohl das ganze Jahr über beschäftigen wird: Die interne Rivalität zwischen Sebastian Vettel und Charles Leclerc, die schon letztes Jahr für viel Ärger sorgte. Für Vettel wird 2020 ein ganz entscheidendes Jahr in seiner Karriere: Nach der auch für ihn selbst enttäuschenden Saison 2019 mit „zu vielen Fehlern“, wie er selbst zugibt, muss er noch einmal deutlich zulegen.
Dass Ferrari im Winter den Vertrag mit Leclerc gleich bis einschließlich 2024 verlängerte, zeigt, auf wen die Scuderia für die Zukunft setzt. Der klare Nummer-eins-Status, mit dem Vettel bis letztes Jahr an den Start geht, ist Vergangenheit. Beide Fahrer sind jetzt von Anfang an gleichberechtigt. Worauf der Heppenheimer hoffen muss: Dass das diesjährige Auto seinem Fahrstil wieder etwas besser entgegenkommt, das „lose Heck“, das ihm letztes Jahr immer wieder große Probleme machte, Vergangenheit ist. „Mit einem Auto, das ihm entgegenkommt, kann Vettel Leclerc immer noch schlagen“, glaubt der Schweizer Ex-GP-Pilot und TV-Experte Marc Surer. „Zumindest bei den Testfahrten hatte man den Eindruck, dass der Ferrari eher zum Untersteuern neigt, das müsste ihm dann eigentlich helfen. Aber man weiß natürlich nie, wie sich das im Laufe der Saison entwickelt.“
Bleibt Vettel bei Ferrari?
Im Laufe der Saison wird Vettel dann auch eine Entscheidung über seine Zukunft treffen müssen. Sein Vertrag bei Ferrari läuft aus, und auch wenn Teamchef Mattia Binotto derzeit immer wieder betont, er wolle sehr gerne mit ihm weiter machen, Vettel sei Nummer 1 auf der Wunschliste: Als Wasserträger für Leclerc will der viermalige Weltmeister seine Karriere sicherlich nicht beenden. Das heißt im Klartext: Er bräuchte zumindest Garantien, mit Leclerc gleichgestellt zu sein.
Noch etwas kommt hinzu, was Vettel möglicherweise dazu bringen könnte, sich gegen einen Verbleib bei Ferrari zu entscheiden: Die Betrugsaffäre um die Motoren – denn er ist ein Fahrer, der mit solchen Tricksereien und Machenschaften eigentlich nichts zu tun haben will. Als im Laufe der Zeit immer wieder entsprechende Gerüchte hochkamen, ließ er privat schon durchblicken, darüber äußerst unglücklich zu sein.
Oder wechselt er demnächst zu McLaren?
Entweder ein kompletter Rückzug aus der Formel 1 – oder doch noch einmal ein Teamwechsel. Aber wohin? Wenn Lewis Hamilton bei Mercedes bleibt, dürfte dort die Tür zu sein. Eine Paarung Hamilton – Vettel wird sich Teamchef Toto Wolff kaum antun. Red-Bull-Motorsportkoordinator Helmut Marko hat schon verlauten lassen, dass man sich Max Verstappen und Vettel zusammen finanziell nicht leisten könne.
Ein Team könnte Vettel allerdings vielleicht reizen: McLaren, 2021 mit Mercedes-Motoren unterwegs, wo der deutsche Teamchef Andreas Seidl seit 2019 tolle Aufbauarbeit leistet und auf dem Weg ist, das Team wieder näher an die Spitze heran zu führen. Vettel und Seidl kennen sich aus gemeinsamen BMW-Zeiten 2006/2007 bestens – und verstehen sich sehr gut.