Gegen seinen Ex-Verein Borussia Dortmund und vor leeren Rängen muss Thomas Tuchel Paris Saint-Germain ins Viertelfinale der Champions League führen. Sonst ist er wohl spätestens im kommenden Sommer wieder auf dem Trainermarkt.
Es hat alles nichts gebracht. Die Verantwortlichen von Paris Saint-Germain wollten mit aller Macht verhindern, dass das Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League gegen Borussia Dortmund vor leeren Rängen ausgetragen wird. Dazu hatte man am Sonntag sogar den kompletten Prinzenpark desinfizieren lassen. Montagmittag wurde es offiziell: Keine Fans werden dieses Duell aus dem Stadion verfolgen können. Für PSG bedeutet das einen Verlust von ca. fünf Millionen Euro, auf den ersten Blick ein Trinkgeld für die Scheichs, aber weniger in Zeiten des Financial Fair Play, bei dem PSG immer noch unter Druck steht.
Tuchel unter kritischer Beobachtung
In Doha, Tagungsort der PSG-Bosse, sorgte Thomas Tuchels taktische Aufstellung im Hinspiel in Dortmund für Kopfschütteln. Warum entschied er sich aus dem Nichts für ein 3-4-3-System, das in jüngster Vergangenheit dreimal zur Anwendung kam, am Ende immer mit demselben Ergebnis einer Niederlage. Warum blieb er nicht beim üblichen 4-4-2 mit seinen vier Offensiven Neymar, Kylian Mbappé, Angel Di Maria und Mauro Icardi, das in den vergangenen Monaten ganz gut funktioniert hat?
Dieser mutige, aber erfolglose Schritt könnte für Tuchel gravierende Folgen haben, sollte Paris Saint-Germain heute Abend gegen den BVB zum vierten Mal in Folge bereits im Achtelfinale der Königsklasse ausscheiden. Für den ehemaligen Mainzer Coach wäre es das zweite Aus in einem Jahr in der Runde der letzten 16 Mannschaften. Zwar gilt sein Vertrag in der französischen Hauptstadt noch bis Juni 2021, jedoch wird er ein erneut europäisches Erdbeben definitiv nicht überleben. Die Scheichs würden ihm vorwerfen, nicht in der Lage zu sein, das Niveau seiner Elf und das Potenzial seines Kaders auszuschöpfen. Seine Bosse schwärmen vom besten PSG-Kader aller Zeiten.
Kader mit Weltklasse-Format
Unrecht haben sie nicht, denn seit dieser Spielzeit steht mit Keylor Navas ein Torwart im Tor der Güte Weltklasse, im Sturm mit Mbappé, Neymar, Icardi, Cavani, Di Maria und Sarabia wohl die Creme de lá Creme des Weltfußballs (Julian Draxler spielt keine Rolle mehr) und der Kader wurde so breit aufgestellt, dass Tuchel die Qual der Wahl hat. Wenige Monate vor dem 50.Geburtstag von PSG wird ein zweites Aus in Serie, gegen eine in Frankreich zwar als gute, aber nicht top angesehene Mannschaft aus Dortmund, gravierende Folgen nach sich ziehen.
Ob PSG gegen den BVB weiterkommt, wird wie (fast) immer vom kongenialen Duo Neymar-Mbappé abhängen. Beide Weltstars haben im Hinspiel auf der ganzen Linie enttäuscht. Ihre Lustlosigkeit bei Ballverlusten könnte sich rächen. Ein solches Verhalten im Prinzenpark wird nicht geduldet und wäre wohl für die Pariser der Todesstoß.
Keine Rückendeckung von der Klubspitze
Von Leonardo wird Tuchel komplett im Stich gelassen. Keine Rückendeckung des Sport-Direktors, der seit dem Hinspiel schweigt. Seit seiner Rückkehr nach Paris im letzten Sommer ist der Brasilianer kein einziges Mal seinem Coach zur Seite gesprungen. Tuchels größter Gegner heißt aber Kylian Mbappé. Mit dem jungen Weltmeister passt es menschlich nicht. Der französische Nationalstürmer vermisst die Wertschätzung seines Trainers. Und Tuchel traut sich seit dem Wutanfall nach der Auswechslung gegen Montpellier nicht mehr, seinen Star aus dem Spiel zu nehmen.
Zumindest wird Tuchel hoch angerechnet, dass er sich mit extrem viel Professionalität alle drei Tage den Medien für Pressekonferenzen in fließendem Französisch zur Verfügung stellt, in denen er stets authentisch und ehrlich wirkt. Vor dem zweiten Duell mit dem BVB wurde die Pressekonferenz allerdings wegen des Coronavirus abgesagt.