Mit Augsburg und Kiel haben die Regionalliga-Kicker aus Verl schon einen Erst- und einen Zweitligisten aus dem DFB-Pokal geworfen. Gegen Union Berlin planen die Ostwestfalen nun ihren dritten Coup - nach dem bewährten Rezept ihres Trainers.
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Beim Gedanken an die zurückliegenden Tage und Wochen wird Guerino Capretti spürbar unruhig. Der Trainer des SC Verl erzählt von mobilen Flutlichtern, die für das Pokalspiel gegen Union Berlin bestellt werden mussten - oder von all den Menschen, die für das nächste Cup-Highlight in dem 26000-Einwohner-Städtchen mit einer Karte versorgt sein wollten. "Bei uns", schnauft der 37-Jährige im Gespräch mit zdfsport.de schließlich durch, "herrschte Ausnahmezustand. Denn für so etwas haben wir gar nicht die Manpower."
Pokalheld Brüseke
Kraft genug, um sich bis unter die letzten 16 des nationalen Cups durchzubeißen, hatten Caprettis Spieler allerdings. Deshalb rangelt der Viertligist aus Ostwestfalen am Mittwoch gegen den Bundesliga-Aufsteiger aus der Hauptstadt nun um das Ticket ins Viertelfinale. In einem Stadion, in dem in der ersten Runde mit Augsburg bereits ein Klub aus dem Fußball-Oberhaus die Segel streichen musste. Ehe die Verler Ende Oktober dann auch Zweitligist Kiel aus dem Wettbewerb kegelten.
Verls Pokalheld war damals Torwart Robin Brüseke - mit zwei gehaltenen Strafstößen im Elfmeterschießen. "Wenn wir wieder einen so perfekten Tag wie gegen Augsburg und Kiel erwischen, ist es sicher möglich, noch mal eine Runde weiterkommen", betont der gebürtige Paderborner, der seit Sommer 2008 für den Tabellenzweiten der Regionalliga West spielt.
Schmuckkästchen auf dem Land
Es ist ein Klub mit 1100 Mitgliedern und einem vergleichsweise bescheidenen Etat von rund 900.000 Euro, der deutlich finanzkräftigeren Vereinen wie Rot-Weiss Essen oder dem SV Rödinghausen im Aufstiegsrennen Richtung Dritte Liga bestens Paroli bietet. Und der sein "familiäres Flair" (Brüseke) ebenso zu schätzen weiß wie die eigene Spielstätte.
"Unser Stadion mit seinen 5000 Plätzen ist ein kleines Schmuckkästchen. Das ist ähnlich wie in England, ganz eng, die Zuschauer sind direkt am Rasen", schwärmt Coach Capretti. Der Mann, der selbst viereinhalb Jahre für den SCV spielte, sagt aber auch: „"Wenn man nach Verl kommt, weiß man gleich, dass man auf dem Land ist. Es ist alles überschaubar, es gibt gefühlt drei Straßen."
Überwältigende Kulisse
Nicht nur gefühlt, sondern ganz reell mächtig aufgeregt sind seine Fußballer vor Pokalduellen wie jetzt gegen Union. "Man darf nicht vergessen: Wir haben sonst einen Schnitt von 1500 Zuschauern, und plötzlich spielen wir vor voller Hütte. Das ist erst mal überwältigend für uns", weiß Capretti aus den Partien gegen den FCA und Kiel.
Es sei aber "das Normalste auf der Welt, dass so etwas nicht einfach an einem vorbeiläuft", findet der Mann, der neben seinem Trainerjob acht bis zehn Stunden pro Woche an einer Realschule in Gütersloh unterrichtet. Mit der Fächerkombination Sport, Mathematik und katholische Religionslehre.
Praktisch und lebensnah
"Ich bin ein gläubiger Mensch", sagt Capretti - und schmunzelt: "Das klingt danach, dass wir den Ball nach vorne schießen - und der liebe Gott hilft uns dann. So ist es nicht." Das Thema Glauben packt der frühere Verteidiger bei seiner Arbeit mit Verls Kickern vielmehr ganz praktisch und lebensnah an.
"Ich denke und glaube, dass Glaube Berge versetzen kann. Das muss nicht unbedingt nur der Glaube an den lieben Gott sein. Sondern auch der Glaube an sich selbst und an das, was man schaffen kann", erklärt Verls Trainer - der gemerkt hat, dass dieser Ansatz gerade im Umgang mit Fußballern, in einer Gemeinschaft also, immer gut funktioniert.
Geburtstag am Pokalabend
"Dabei ist es nicht so, dass ich hier anfange, irgendetwas zu predigen", fügt Guerino Capretti, der am Tag des Union-Spiels 38 wird, noch lächelnd hinzu. "Aber wenn man davon überzeugt ist und das immer mal einwirft, ist eben alles möglich. Das hat man in unseren ersten beiden Pokalspielen ja auch gesehen."