Da der gegnerische Rückraum mit Stars gespickt ist, gehen die deutschen Handballer nicht als Favorit ins entscheidende EM-Hauptrundenspiel gegen Kroatien (Samstag, 20.30 Uhr, ZDF). Bundestrainer Christian Prokop beschwört den Teamgeist.
Quelle: Valdrin Xhemaj/epa
Der alte Fuchs Domagoj Duvnjak, 31, hatte sich nicht täuschen lassen. Ja, er habe gelesen, dass die Deutschen in der Vorrunde nicht allzu gut gespielt hätten. "Aber das hat doch gar nichts zu bedeuten, die Hauptrunde beginnt doch erst", hatte der Leader der kroatischen Handball-Nationalmannschaft gesagt. Deutschland sei ein "Weltklasseteam". In dem Duell am Samstagabend in der Wiener Stadthalle (ZDF live) werde "die Tagesform" entscheiden.
Deutschland-Kenner Duvnjak
Duvnjak weiß, wovon er spricht. Er spielt seit 2009 in der Bundesliga, gewann mit dem HSV die Champions League und Meisterschaft und mit dem THW Kiel seit 2014 weitere zahlreiche Titel.
Nur im Nationaldress klappte es bisher nicht mit dem großen Coup, drei Mal scheiterte er mit Kroatien in einem großen Finale.
Aber nun, da seine beiden großen Favoriten Dänemark und Frankreich ausgeschieden sind, dürfte er noch motivierter sein, seinen großen Traum mit Kroatien zu verwirklichen.
Bisher sieht es gut aus für das Team von Lino Cervar, der Kroatien schon zum WM-Titel (2003) und zum Olympiasieg (2004) führte. Sie sind schließlich keineswegs völlig abhängig von Duvnjak, dem Welthandballer von 2013, den sein Klubkollege Patrick Wiencek als "einen der besten Spieler der Welt" adelte.
Starke Rechtshänder
Sie verfügen mit Luka Cindric (FC Barcelona) und Igor Karacic (Kielce) auch über zwei weitere blitzgescheite Rückraum-Rechtshänder, die den Ball extrem schnell machen können. Auch ist Bundestrainer Christian Prokop beeindruckt: "Sie lassen den Ball gut laufen."
Zudem bringen sie den Shooter Luka Stepancic (Szeged) auf Halbrechts oft in aussichtsreichte Wurfpositionen. Im Rückraum, dem zentralen Mannschaftsteil, sind die Kroaten also eindeutig besser besetzt als die hier verletzungsgeplagten Deutschen. Hinzu kommt eine massive Abwehr, die im Zentrum ausschließlich aus Zwei-Meter-Männer besteht.
Oft agiert hier Duvnjak als vorgezogene Spitze und macht es mit seinem überragenden Gefühl für den Raum allen Angreifern schwer. Allein die kroatischen Torhüter stellen mit Matej Asanin (Zagreb) und Marin Sego (Montpellier) nicht allerhöchstes Niveau dar.
Nur Siege helfen
Will die deutsche Mannschaft (2:2 Punkte) das Halbfinale in Stockholm noch erreichen, muss sie die bisher souveränen Kroaten (4:0) schlagen und - Siege über Österreich und Tschechien vorausgesetzt - am letzten Spieltag auf Schützenhilfe der Spanier (4:0) hoffen.
"Es geht um sehr viel, wir können alle rechnen", sagt Prokop. Dabei steht das Team um Kapitän Uwe Gensheimer vor einer ähnlich kniffligen Aufgabe wie beim Debakel gegen Spanien (26:33): Wieder geht es gegen eine offensive Abwehr, gegen die man diszipliniert und mit viel Tempo spielen muss.
Auf der anderen Seite muss die deutsche Abwehr ihren Aufwärtstrend bestätigen, um nach Ballgewinnen in Tempogegenstöße und zu leichten Toren zu kommen. Er hoffe, dass man nicht ähnlich überengagiert ins Spiel gehe wie gegen Spanien, sagte Torwart Andreas Wolff nach dem 31:22 gegen Weißrussland in der ARD. "Das hat uns verkrampft“, so Wolff: "Ich hoffe, dass wir aus dem Spiel gegen Spanien gelernt haben."
Die Mannschaft soll's richten
Eine Aufgabe wie gegen Kroatien könne man "nur mannschaftlich lösen", mahnte Prokop. Er erinnerte an das WM-Hauptrundenspiel vor einem Jahr, als seine Mannschaft Kroatien in Köln mit 22:21-Toren niederrang und vorzeitig das Halbfinale erreichte. Diese Emotionalität, Intensität und große Überzeugung von Köln müsse man wieder an den Tag legen.
Woran Prokop nicht erinnerte: Dass der Gastgeber in den letzten Minuten wichtige Pfiffe erhielt, über die sich die Kroaten überaus echauffierten. Duvnjak, der als großer Sportsmann bekannt ist, spuckte damals den dänischen Referees vor die Füße