Im zweiten EM-Gruppenspiel treffen die deutschen Handballer in Trondheim auf Titelverteidiger Spanien (Samstag, 18.15 Uhr, ARD). In der Neuauflage des EM-Finals von 2016 werden die Weichen in Richtung Halbfinale gestellt.
Spanien: Dieser Gegner zaubert Kai Häfner sofort ein Lächeln ins Gesicht. Schließlich legte er vor vier Jahren gegen die Iberer das Spiel seines Lebens auf das Parkett. Beim 24:17-Finalsieg 2016 bei der Europameisterschaft in Krakau war es Häfner, der erst einige Tage zuvor nachnominiert worden war und dennoch die spanische Abwehr mit seinen unorthodoxen Bewegungen düpierte.
Mit sieben Treffern avancierte er zum besten Torschützen. "Natürlich denke ich sofort an dieses Spiel und habe ein gutes Gefühl", bekannte Häfner nach dem 34:23-Auftaktsieg der deutschen Handballer gegen die Niederlande.
Vorentscheidung für den weiteren Turnierverlauf
Doch sei für diese wohligen Gedanken kein Platz mehr, wenn der Anpfiff ertöne. "Dann ist das sofort vergessen", so der 30-Jährige. Zumal es im zweiten Gruppenspiel gegen Spanien (18.15 Uhr, live in der ARD) schon um eine Vorentscheidung geht.
Denn der Sieger dieser Partie wird die beiden Punkte mit in die Hauptrunde nach Wien nehmen. Und der Verlierer ist in allen vier Hauptrundenspielen zum Siegen verdammt, will er noch das Halbfinale erreichen.
Auf Häfner wird daher viel zukommen in diesem Klassiker des internationalen Handballs. Der Rückraumstar der MT Melsungen ist der einzige verbliebene Rückraum-Linkshänder mit internationaler Erfahrung, nachdem Fabian Wiede (Füchse) und Steffen Weinhold (Kiel) abgesagt hatten. Von David Schmidt (Stuttgart), der im Auftaktspiel ein ansprechendes EM-Debüt feierte, darf man gegen den cleveren Titelverteidiger nicht allzu viel erwarten.
Glücklicherweise präsentierte sich Häfner gegen die Niederländer in großer Form, er brillierte mit fünf Toren und sehenswerten Anspielen an den Kreis. "Das wird ein sehr schweres Spiel für uns", prophezeite Häfner. Bundestrainer Christian Prokop nennt es eine "Qualitätsaufgabe".
Auch Spanien mit Start-Problemen
Auch die Spanier taten sich in ihrem Auftaktspiel gegen Lettland (33:22) zunächst schwer, bewältigten die Pflichtaufgabe aber souverän. "Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit meinen Freunden aus Deutschland", sagte danach Spielmacher Joan Canellas, der einst mit Torwart Johannes Bitter (beim HSV) und mit Patrick Wiencek (in Kiel) zusammenspielte. "Die Deutschen haben ein paar neue Leute dabei, darauf müssen wir uns einstellen", meinte Canellas. "Ich bin sicher, es wird ein sehr knappes Spiel."
Für die spanische Taktik maßgeblich zuständig ist Cheftrainer Jordi Ribera Romans, 56. Der zurückhaltende Katalane setzte, als er 2016 übernahm, die große spanische Trainertradition fort, die auf intensive taktische und technische Arbeit mit der Jugend und vor allem den Austausch und Kooperation unter den Kollegen setzt.
"Das ist ein wesentliches Kennzeichen und Qualitätsmerkmal des spanischen Handballs", sagt der Experte Frank Nörenberg, einer der besten Kenner der spanischen Szene. Dabei spielten, so Nörenberg, Eitelkeiten überhaupt keine Rolle. "Es ist völlig normal, dass Elitetrainer sich bei Trainerseminaren oder Fortbildungen zur Verfügung stellen, um ihre Erfahrungen und Methoden zu diskutieren."
Trainer-Ausbildung als starke Basis
Nörenberg rühmt die spanische Trainerausbildung als eine der besten der Welt. "Sie geht unheimlich tief und ist viel komplexer als beispielsweise die deutsche. Wer in Spanien eine A-Lizenz machen will, muss alle großen historischen Abwehrsysteme, etwa das jugoslawische 3:2:1 oder die rumänischen Abwehrsysteme der 1960er Jahre draufhaben."
Diese Hingabe im Trainerwesen sei verantwortlich dafür, dass Spanien über Jahrzehnte absolute Weltklasse darstelle - obwohl im spanischen Handballverband nur rund 50.000 Mitglieder organisiert sind, mithin weniger als ein Zehntel als im DHB.