Atlético Madrid visiert das Champions-League-Finale im eigenen Stadion an. Doch vor dem Spiel heute (21 Uhr) gegen den BVB ist schon der Gruppensieg in Gefahr.
Die Ausgangslage für Atlético Madrid ist denkbar ungewohnt: Eine Mannschaft, die lieber verteidigt als angreift, sieht sich einem 0:4 gegenüber. Sicher, in der Champions League läuft erst die Gruppenphase, und wahrscheinlich werden sich die Spanier bei fünf Punkten Vorsprung auf den Dritten so oder so für das Achtelfinale qualifizieren.
Aber um den Gruppensieg noch in Hand zu haben, müssten sie heute Borussia Dortmund mit demselben Ergebnis schlagen, mit dem sie vor zwei Wochen verloren. Was als ein Ding der Unmöglichkeit erscheint.
Nur 13 Tore in elf Spielen
Offensivfeuerwerke sind schließlich nicht gerade die Spezialität des Hauses. In dieser Saison gab es in elf Ligaspielen erst 13 Tore. Gegen den BVB werden zudem Mittelstürmer Diego Costa und Spielmacher Koke verletzt fehlen, wie auch Rekordeinkauf Thomas Lemar und Innenverteidiger Stefan Savic.
"Wir gehen das Spiel nicht mit Revanchegelüsten an", versicherte Trainer Diego Pablo Simeone am Montagabend in Madrid.
Dabei war das 0:4 im Hinspiel ein einschneidendes Ereignis: die höchste Niederlage in seiner siebenjährigen Amtszeit, und das erste Mal seit 2012, dass man vier Treffer in einer regulären Spielzeit kassierte.
Dortmund? Geradezu perfekt
Wie nach dem Schlusspfiff in Dortmund formulierte Simeone erneut Lobeshymnen an den BVB. "Sie verlieren keine Zeit beim Umschaltspiel und können so ihre Schnelligkeit ausnutzen." Geradezu "perfekt" hätten sich die Borussen im Hinspiel präsentiert. "Aktuell sind sie eine der besten Mannschaften Europas", betonte der Trainer. Atlético hingegen präsentiert sich seit dem Gewinn des europäischen Supercups zum Saisonauftakt nicht mehr in idealer Form.
In der Liga hat Atlético mit 20 Punkten aus den ersten elf Partien den schlechtesten Start der Ära Simeone hingelegt. Woran das liegt, war am Samstag während des 1:1 beim Madrider Vorortklub Leganés zu beobachten.
Mal wieder gab es die altbekannten Probleme, ein dominantes Angriffsspiel aufzuziehen - "wir müssen ambitionierter sein", fordert Mittelfeldspieler Saúl. Regelrecht zum Bumerang wird Simeones Resultatsfußball gar, wenn man ein Resultat nicht mehr halten kann. Bereits zum dritten Mal kassierte Atlético nach einer Führung noch den Ausgleich. Das kam sonst in einer ganzen Saison nicht so oft vor.
"Sehr wichtiges Spiel für unseren Verein"
Von einer Krise zu sprechen, verbietet sich - schon weil dafür das Vertrauen in den Trainer viel zu groß ist. Aber vor dem "sehr wichtigen Spiel für unseren Verein" (Simeone) gibt es im Umfeld zumindest Zweifel, ob sich die Mannschaft wirklich in "aufsteigender Linie" befindet, wie der Trainer hofft.
Die Champions League hat für Atlético dieses Jahr besondere Bedeutung. Das Finale findet im heimischen Stadion statt. Nach drei unglücklichen Finalniederlagen in Wiederholungsspiel (1974), Verlängerung (2014) und Elfmeterschießen (2016) will man sich erlösen und endlich den wichtigsten Vereinstitel gewinnen.
Es drohen Juventus oder Manchester City
Den Gruppensieg zu verpassen, wäre auf diesem Weg ein erster Rückschlag - denn es ginge im Achtelfinale dann gegen einen Gruppenersten, also womöglich einen der Topfavoriten wie Juventus Turin oder Manchester City.
Auf den gleichfalls hoch gehandelten FC Barcelona oder Titelverteidiger Real Madrid kann Atlético als spanischer Verein erst ab dem Viertelfinale treffen.
Ein geringerer Sieg als 4:0 würde Atlético nach Punkten mit Dortmund gleichziehen lassen und damit zumindest die Chance erhalten, bei einem Ausrutscher der Deutschen gegen Brügge oder Monaco noch vorbeizuziehen. Vor allem aber würde er wieder für eine positive Grundstimmung sorgen. Und die braucht Atlético für seinen großen Traum vom "final en casa" - dem, auf gut Deutsch gesagt: "Finale dahoam".