Carlo Ancelotti trifft im Champions-League-Viertelfinale mit dem FC Bayern auf seinen Ex-Klub Real Madrid. Der Italiener kennt Stärken und Schwächen der Königlichen genau. Doch das ist nicht das einzige Problem von Real-Trainer Zinédine Zidane.
Zinédine Zidane ist schon zu lange ein Teil von Real Madrid, um auf den Gedanken zu kommen, der Champions-League-Titel in seiner ersten Saison als Trainer gebe ihm eine Jobgarantie auf Lebenszeit. Er treffe keine Vorbereitungen im Hinblick auf die neue Saison, betonte der einstige Ballkünstler kurz vor dem Viertelfinal-Kracher gegen den FC Bayern, denn er sei sich "überhaupt nicht sicher", ob er sein Amt auch über den Sommer hinaus ausüben werde.
Zidane unter Erfolgsdruck
Der Franzose weiß, dass einzig und allein der Erfolg seine Zukunft bei den Königlichen sichert. Ihm ist bewusst, wie es etlichen Trainern während seiner Zeit als Spieler erging. Und ihm ist vor allem bewusst, was 2015 mit Carlo Ancelotti geschah. Platz zwei in der Meisterschaft und das Aus im Halbfinale der Königsklasse kosteten dem heutigen Bayern-Coach damals den Job, obwohl er im Verein mindestens genauso beliebt war wie aktuell Zidane.
Für die Spieler, selbst für die nur selten eingesetzten, war die von Klub-Boss Florentino Pérez angeordnete Entlassung des Italieners eine riesige Enttäuschung. Noch heute stehen sie in engem Kontakt zu dem Ruhepol, der es wie kaum ein zweiter versteht, unter unzähligen Egos eine sorgenfreie Wohlfühlatmosphäre zu schaffen.
"Einer der schlimmsten Gegner"
Jetzt kommt es zum Wiedersehen mit dem "großen Bären“, wie Cristiano Ronaldo ihn einst nannte. Ein emotionales Duell. Auch für Zidane, denn schließlich assistierte er Ancelotti ein Jahr lang als Co-Trainer. Man kennt sich, man schätzt sich - und genau deshalb ist die Ehrfurcht der Madrilenen vor den Münchnern diesmal besonders groß. Bayern sei "einer der schlimmsten Gegner, die wir hätten kriegen können“, meinte Real-Direktor Emilio Butragueño bereits nach der Auslosung.
Während Ancelottis Bayern nach einer durchwachsenen Hinrunde pünktlich zur "Prime Time“ in Top-Form sind, spielt Real solide, aber keinesfalls überragend. Das Team steuert zwar seit langem mal wieder der spanischen Meisterschaft entgegen, hat seine Spitzenposition zu einem großen Teil aber auch der Schwäche des Erzrivalen FC Barcelona zu verdanken, der sich vor allem auswärts immer wieder Patzer leistet. Mit Offensiv-Stars wie Ronaldo ist Real nach wie vor torgefährlich - aber "nicht zum Fürchten“, wie die Sportzeitung "Marca" zuletzt urteilte.
Königliche Defensive funkt SOS
Hinzu kommen Probleme in der königlichen Defensive. Mit Raphael Varane und Pepe fallen zwei Top-Innenverteidiger verletzt aus. Der fleißige, in großen Spielen jedoch unerfahrene Nacho Fernandez rückt dafür ins Abwehrzentrum neben Kapitän Sergio Ramos. Und dieser kann Robert Lewandowski und Co. nicht so bearbeiten wie er gerne würde, da er mit Gelb vorbelastet ist. Für Real wäre ein Ramos-Ausfall im Rückspiel der Super-GAU. Die spanische Kämpfernatur ist die Seele des Teams, verkörpert neben Einsatz und Leidenschaft sogar Torgefahr.
In dieser Saison stehen für Ramos bereits zehn Treffer zu Buche - mehr als bei Gareth Bale. Toni Kroos hat daran einen großen Anteil. Die Standards des Weltmeisters fanden schon sechs Mal den Kopf des Abwehrchefs - und kaschierten so den zuweilen stotternden Offensiv-Motor. Die Bayern können davon ein Lied singen: Ramos erzielte beim letzten Aufeinandertreffen einen Doppelpack. Ancelotti kann sich gut an die 0:4-Lehrstunde aus Sicht des deutschen Rekordmeisters erinnern. Er stand damals für Real an der Seitenlinie. Arm in Arm mit Zidane. Diesmal wird nur einer der beiden jubeln.