Immer mehr Topsportler/-innen setzen auf vegetarische oder vegane Kost. Das bringt zwar nicht gleich Vorteile, liefert aber ein gutes Vorbild. Gesunde Ernährung gilt auch im Fußball als Schlüsselfaktor, um Bestleistungen abzurufen.
Für den Deutschen Fußball-Bund und seine Nationalmannschaften genießt das Thema über die DFB-Akademie neuerdings einen besonderen Stellenwert. Bester Beleg: Erst am 21. Januar trafen sich in der Testküche des offiziellen DFB-Ernährungspartner, dem Lebensmittelkonzern Rewe, die Nationalmannschaftsköche mit den Experten der DFB-Akademie um Ernährungsexpertin Anna Lena Böckel.
„So wie Spielanalysten und Scouts, Mediziner und Athletiktrainer zum festen Expertenkreis einer Mannschaft zählen, so gehören inzwischen auch Ernährungsexperten dazu“, sagt Tobias Haupt, Leiter der Akademie. „Mit der DFB-Akademie verankern wir das Themenfeld der gesunden Ernährung nachhaltig im Spitzensport und entwickeln es gemeinsam weiter.“
Fußball als Vorreiter
Begrüßenswert, wenn der Fußball mit seiner Strahlkraft eine Vorreiterfunktion einnimmt, um zum Umdenken anzuregen. Jedes siebte Kind in Deutschland ist zu dick. Grund: falsche Ernährung. Die Beweglichkeit und Motorik stagniert auf niedrigem Niveau, ergab eine im Bundesgesundheitsblatt, der offiziellen Fachzeitschrift für Deutschlands Gesundheitswesen, veröffentlichte Studie. Um Zugang zu einer Bewusstseinsänderung zu schaffen, sind Vorbilder unerlässlich.
Aber nicht solche wie Lukas Podolski, der 2006 im Sommermärchen-Film mit einer Chips-Tüte im Bett einschlief und zusammen mit Bastian Schweinsteiger solche Produkte jahrelang intensiv bewarb. Dabei sorgte bereits bei der WM 2014 in Brasilien der damalige DFB-Koch Holger Stromberg für eine Kehrtwende, der auf einmal vorwiegend Pflanzenmilchprodukte und wenig Fleisch für die Verköstigung der späteren Weltmeister einsetzte.
Zusammenhang mit Klimawandel
Es war der Zeitpunkt, an dem auch Aleksandra Keleman das Thema für sich entdeckte und bald die Facebook-Gruppe „Top Athletes vegan“ gründete. Die 26-Jährige erteilt persönliche Beratung, begleitet Akteure beim Einkaufen, empfiehlt Bioläden, kocht auf Wunsch sogar mit ihnen. Und natürlich postet sie viele Belege, wie schlecht Massentierhaltung und Fleischkonsum sind. Nicht nur für den Menschen, sondern auch fürs Klima. Die Aktivistin: „Der Zusammenhang ist sehr präsent. Die Gesellschaft wird immer offener für solche Themen.“
Unter ihren knapp 2500 Gruppen-Mitgliedern findet sich ein Potpourri der deutschen Sportprominenz. Die Beachvolleyballerinnen Laura Ludwig und Margareta Kozuch, der Radprofi Simon Geschke, der Marathon-Rekordhalter Arne Gabius oder die Tennis-Bundestrainerin Barbara Rittner, die deutschen Leichtathletik-Meister Marc Reuther (800 Meter) und Constantin Preis (400 Meter Hürden), der ehemalige Eishockey-Nationalspieler Christian Ehrhoff oder NHL-Torwart Philipp Grubauer (Washington Capitals).
Immer mehr Fußballer ernähren sich fleischlos
Aber auch aktuelle Profis aus der Fußball-Bundesliga wie Mats Hummels (Borussia Dortmund), Luca Waldschmidt (SC Freiburg), Rhani Khedira (FC Augsburg), Erik Thommy (Fortuna Düsseldorf) oder Christopher Lenz (Union Berlin). Letzterer wurde erst kürzlich während einer Verletzungspause zum Veganer, um seine Entzündungen im Körper zu minimieren: Der eiserne Verteidiger verzichtet seitdem auf Ei, Käse oder Wurst. Stattdessen frühstückt er Vollkornbrot mit Avocado-Creme oder Müsli mit Mandelmilch.
Der Leiter der Abteilung Sporternährung am Institut für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule, Hans Braun, gibt allerdings zu bedenken, dass Veganismus nicht gleich das überlegende Modell ist: „Im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit würde ich einem Sportler eine vegane Ernährung nicht zwingend empfehlen. Das Wichtigste ist, dass der Sportler seinen Nährstoffbedarf abdeckt, und der besteht nun mal aus einem Nährstoff-Mix.“ Gar nicht die Eiweißzufuhr sei das Problem („Proteine können über Hülsenfrüchte wie Erbsen und Bohnen zugeführt werden“), sondern das Defizit an Vitamin B12.
Anderes Bewusstsein schaffen
Dass viele Athleten nach einer Ernährungsumstellung von einem besseren Körpergefühl berichten, ist für ihn wenig verwunderlich. „Im Schnitt essen die Deutschen deutlich mehr Fleisch- und Wurstwaren als aus ernährungswissenschaftlicher Sicht empfohlen. Der Verzicht kann dafür sorgen, dass man näher an die gewünschten Verzehrempfehlungen rückt - und sich besser fühlt.“
Auch Robert Erbeldinger, Herausgeber der „Sportärztezeitung“, möchte sich nicht anmaßen, die vegane Variante, die mit Tennis-Seriensieger Novak Djokovic oder Formel1-Weltmeister Lewis Hamilton absolute Topstars als Vorreiter führt, grundsätzlich für „besser“ zu erklären. Der 41-Jährige plädiert dafür, eine gesunde Mitte zu finden. „Wir müssen gar nicht zwischen den Extremen springen.“ Jedem Sportler würde es schon helfen, „wenn er sich mit dem Herstellungsprozess seiner Nahrungsmittel auseinandersetzt, sie selbst zubereitet und sich bewusster ernährt.“