Kein Verein ist aktuell so im Umbruch wie Hertha BSC. Ein neuer Investor schüttelt den Verein ganz ordentlich durch. Und wie immer gibt es dabei jede Menge Gewinner und Verlierer. Ein Überblick vor dem Spiel gegen Bayern München.
Was passiert, wenn ein großer Investor bei einem kleinen Bundesligisten einsteigt? Eine ganze Menge! Fast schon exemplarisch lässt sich das aktuell bei Hertha BSC ausmachen. Vom vergangenen Sommer bis heute hat der ehemalige Jungunternehmer Lars Windhorst über seine Investment-Holding „Tennor“ gut 220 Millionen Euro in den Hauptstadtklub gesteckt. Seitdem ist nichts mehr wie es bei der einstmals biederen „Alten Dame“ einmal war. Nicht nur die Fans von Hertha reiben sich verwundert die Augen, was es heißt, ein „Big City Club“ zu werden. Zu einem solchen hat nämlich Lars Windhorst diesen, seinen neuen Verein auserkoren.
Weniger ist mehr
Im November wurde Jürgen Klinsmann zum neuen Cheftrainer als Nachfolger des glücklosen Hertha-Eigengewächses Ante Covic berufen. Trainerwechsel gehören zum normalen Bundesligageschäft. Doch mit welcher Vehemenz und Radikalität der 55 jährige Wahlamerikaner den Umbau seines Teams vorantreibt, ist beachtenswert. Klinsmann wurde zunächst im Sommer 2019 als eine Art Markenbotschafter von Windhorst in den Aufsichtsrat gehievt, schließlich auf die Trainerbank gesetzt. Diese wird er nach der Spielzeit allerdings wieder verlassen. Der Hertha-Coach ist also nicht mehr als ein Übergangstrainer. Ähnlich wie Hansi Flick, dessen Team Bayern München die Berliner am Sonntag im ausverkauften Olympiastadion empfangen. Ein „Mega-Spiel“ nennt Klinsmann das.
Klinsmann pflegt nach außen weiter sein Image als „Gute Laune-Typ“. Intern jedoch greift er mit harter Hand durch, getragen von einer unerbittlichen Leistungsideologie. „Jeder muss zeigen, dass er besser ist als der andere, der nicht zum Zug kommt. Das ist ein Wettbewerb, unabhängig vom Alter der Spieler“, so die Losung des ehemaligen Bundestrainers. Klinsmann reduzierte folgerichtig den Kader binnen zweier Monate von 34 auf 25 Spieler.
Kein Platz mehr für Kalou
Der Stürmer Eduard Löwen, erst im Sommer für sieben Millionen von Nürnberg als Hoffnungsträger an die Spree gelockt, wurde an Augsburg verliehen. Ähnlich erging es Ondrej Duda, der in der vergangenen Saison noch Leistungsträger der Hertha war. Jetzt darf er bis zum Sommer als Leihspieler für den englischen Premier-League-Club Norwich City auflaufen.
Salomon Kalou hat Klinsmann unmissverständlich klargemacht, dass er ihn nicht mehr braucht. Zudem war Hertha BSC ein Bundesligist, der sich immer als klassischer Ausbildungsverein definiert hat. In der Klinsmann–Ära gibt er seinen Nachwuchskräften keine Chance mehr. Arne Meier, 21, und Jordan Torunarigha, 22, finden sich auf der Tribüne wieder. Sidney Friede, 21, wurde zum SV Wehen Wiesbaden abgeschoben.
Gewinner und Verlierer
Auch an der internen Hierarchie des Mannschaftsgefüges wurde ordentlich gerüttelt. Gewinner sind seit Klinsmanns Amtsantritt Davie Selke, Marvin Plattenhardt und Dedryck Boyota. Verlierer ehemals gesetzte Akteure wie Nationalspieler Niklas Stark oder Vedad Ibisevic. In schöner Regelmäßigkeit schwirren dafür allerhand Namen von potentiellen Neuzugängen durch das weite Rund des Berliner Olympiastadions: Julian Draxler, Granit Xhaka oder Mario Götze. Bei „voller Kriegskasse“, wie Sportdirektor Michael Preetz die entspannte Finanzlage seines Klubs im US-Trainingslager in Florida realistisch beschrieb, verwundert das nicht.
Quelle: Reuters
Im Gegensatz dazu gestaltet sich allerdings bis dato die magere Ausbeute auf dem wilden Winter-Transfermarkt. Mit dem Argentinier Santiago Ascacibar, 22, konnte für 12 Millionen Euro erst ein Spieler zum Rückrundenstart verpflichtet werden. Der Argentinier wechselte vom Zweitligisten VfB Stuttgart nach Berlin. Mahner und Warner Auch Sportdirektor Preetz zeigt sich unsicher in der fragilen Hertha-Machtbalance, die seit dem Einstieg von Windhorst so nachhaltig aus den Fugen geraten ist.
Der 52 Jährige sieht sich in der Öffentlichkeit seit neuestem als Mahner und Warner. „Wir formulieren mutige Ziele, wollen aber realistisch bleiben“, oder „Meine Rolle ist es, etwas auf die Bremse zu treten“, ließ er verlautbaren. Aktuell wirkt Preetz eher wie ein Getriebener, fast schon wie ein (machtloser) Erfüllungsgehilfe des neuen Hertha-Machtzentrums Windhorst/Klinsmann. Ob sich Preetz damit zufrieden gibt, steht in den Sternen. Wie so vieles aktuell bei Hertha BSC.
Hertha BSC: Zehn Jahre – zehn Trainer
- 27.11.2019 - 30.06.2020 Jürgen Klinsmann
- 01.07.2019 - 26.11.2019 Ante Covic
- 05.02.2015 - 30.06.2019 Pal Dardai
- 01.07.2012 - 05.02.2015 Jos Luhukay
- 19.02.2012 - 30.06.2012 Otto Rehhagel
- 12.02.2012 - 19.02.2012 Rene Tretschok
- 01.01.2012 - 12.02.2012 Michael Skibbe
- 19.12.2011 - 21.12.2011 Rainer Widmayer
- 01.07.2010 - 18.12.2011 Markus Babbel
- 03.10.2009 - 30.06.2010 Friedhelm Funkel