Die deutschen Handballer können heute aus eigener Kraft das EM-Halbfinale erreichen. Dazu braucht das Team von Bundestrainer Christian Prokop einen Sieg gegen Spanien (20.30 Uhr / ZDF ab 20.15) - in der Neuauflage des EM-Endspiels von 2016.
Natürlich hatte Finn Lemke am Dienstagabend gebannt vor dem Fernseher gesessen. Und gejubelt, als Tomas Mrkva, der Keeper der Tschechen, den letzten Siebenmeter parierte und so den 25:24-Sieg seines Teams gegen Mazedonien besiegelte. Denn dadurch können die deutschen Handballer bei der EM in Kroatien wieder aus eigener Kraft das Halbfinale erreichen.
Ein bekannter Gegner
Abwehrchef Lemke, der nach seiner Nachnominierung die Defensive deutlich stabilisiert und wieder Zuversicht ins das Team gebracht hatte, jubelte aber nur kurz. Denn sein Ritual vor großen Spielen sieht eine lange und stille Vorbereitung vor. Lemke schaut viel Video, um die Bewegungsmuster des Gegners zu studieren: „Ich brauche Ruhe für meine Analyse.“
Die meisten Gegenspieler kennt er gut. Denn die deutschen Handballer, bei denen Maximilian Janke für den verletzten Paul Drux in den Kader rückte, spielten ja nicht nur im Oktober in zwei Testspielen gegen den Weltmeister von 2013 (ein Sieg und eine Niederlage). Vor allem jenes mythische EM-Endspiel von 2016, als sie die Iberer mit 24:17-Toren deklassierten, haben sie noch bestens im Gedächtnis.
Diejenigen Profis wie Lemke, Andreas Wolff, Hendrik Pekeler, Steffen Fäth oder Kai Häfner, die damals dabei waren, werden mit sehr guten Gefühlen auf das Spielfeld laufen. Torwart Wolff stieg in diesem Spiel zum Star seiner Sportart auf, Häfner warf sieben Tore. „Dieser Titel bei Europameisterschaft hat für viele von uns das Leben verändert“, sagt Rückraum-Linkshänder Häfner.
Spanier mit Respekt
Der Respekt des Gegners ist immer noch groß. „Die Deutschen haben die beste Abwehr des Turniers“, sagt Gedeon Guardiola. Der Profi von den Rhein Neckar-Löwen weiß wovon er spricht, schließlich zählt er zu den besten Abwehrstrategen auf diesem Planeten.
Niemand bei den Spaniern hat die wuchtige Entschlossenheit, mit der die Deutschen sie in Krakau überrannten, vergessen. Doch selbstverständlich brennen sie auf Revanche und wollen das erste Mal Europameister werden.
Andere Voraussetzungen
Bob Hanning hat deshalb schon mal einen rausgehauen: „Da kann ich Deutschland einen Sieg versprechen“, teilte der Delegationschef des deutschen Teams direkt nach der 25:26-Niederlage gegen Dänemark mit. Andererseits sind die Voraussetzungen nicht die gleichen. Bei der EM in Polen schwammen Lemke & Co. seit der Hauptrunde auf einer Welle der Euphorie. Nun aber war die Stimmung lange kühl, Bundestrainer Prokop stand in der Kritik, und noch kein einziges Mal spielte das Team wie aus einem Guss.
Auch der Gegner hat seinen Stil verändert. Der neue Trainer Jordi Ribeira, ein sehr ruhiger Charakter, hat die Spielweise seines Teams modernisiert. Die sogenannte „spanische Schule“, die insbesondere das Kleingruppenspiel Zwei gegen Zwei mit dem Kreisläufer favorisiert, gehört zwar immer noch zu den Stärken des Teams. Da Ribeira aber klassische Shooter im Rückraum fehlen, ließ er viele längere Angriffskonzepte einstudieren.
Ein Tag weniger Regeneration
Ein krasser Wettbewerbsnachteil für die Spanier besteht darin, dass sie am Dienstagnachmittag noch gegen Slowenien antreten mussten (und überraschend 26:31 verloren), während die Deutschen regenerieren konnte. „Das kann schon ein großer Vorteil sein“, sagte Kapitän Uwe Gensheimer im Interview mit dem ZDF. „Vielleicht können wir so ein paar Prozentpunkte mehr reinlegen in dieses Spiel.“ Und auf diese Feinheiten kommt es im Leistungshandball oft an.