Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft verbreitet vor dem WM-Auftakt gegen China (Samstag, 15 Uhr) große Vorfreude. Aber selbst Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg kann "feuchte Hände" vor dem Start nicht leugnen.
Quelle: Sebastian Gollnow/dpa
Nein, Lagerkoller gibt es bei der deutschen Frauen-Nationalmannschaft nicht in der Bretagne. Das Vier-Sterne-Golfresort Domaine de Cicé-Blossac in der Gemeinde Bruz mag ein ganzes Stück abseits der Stadt Rennes liegen und das raue Klima in Frankreichs Norden gerade dieser Tage seine Launen ausleben, aber noch fällt niemand im DFB-Tross die Decke auf den Kopf, wie Angreiferin Svenja Huth versicherte.
Stattdessen macht sich bei den Fußballerinnen große Vorfreude breit, dass mit dem Auftaktspiel gegen China endlich der Startschuss für diese WM erfolgt.
"Feuchte Hände"
Auch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat eine Mischung aus Vorfreude und Anspannung ergriffen. Die 51-Jährige hatte am Freitag bei der Pressekonferenz im Roazhon Park von Rennes kein Problem damit, bei ihrer WM-Premiere auf der deutschen Trainerbank in ihr Seelenleben blicken zu lassen: "Ich weiß nicht, wie ich mich am Spieltag fühle. Wenn der Anpfiff näher kommt, wird es auch mal im Magen grummeln oder feuchte Hände geben. Kann sein!"
Es gehört zu ihrem authentischen Charakter, auch mal eigene Schwächen zuzugeben, wo die Powerfrau doch gemeinhin bei ihren Spielerinnen "die Stärken stärken" will. „Was macht das mit mir?“ fragte sich die gebürtige Duisburgerin. "Es macht mich stolz und demütig. Für das Land, in dem ich geboren bin, für das ich gespielt habe: Ich freue mich mega!"
Es geht auch um mehr Bekanntheit
Spätestens nach dem selbstironischen Werbespot mit der selbst verbreiteten These, für eine Nation anzutreten, "die unsere Namen nicht kennt", bearbeitet die Generation Popp-Marozsan-Leupolz eine Metaebene mit. Sich nämlich wieder ins öffentliche Bewusstsein zu bringen.
Die Bundestrainerin versicherte, dass sie auf solche Aspekte vorerst nicht schauen werde. "Damit können wir uns nicht beschäftigen. Wir wollen das mit der sportlichen Kernkompetenz regeln und eine gute Spielqualität anbieten."
15 WM-Neulinge
Leidenschaft, Bereitschaft und Offensivgeist soll ihre Mannschaft vor den erwarteten 14.000 Zuschauern in Rennes offenbaren.
Das DFB-Team stellt die fünftjüngste Mannschaft der 24 Teilnehmer; 15 Spielerinnen sind erstmals bei einer WM dabei. Statt noch einmal Babett Peter (31 Jahre) oder sogar Simone Laudehr (32) in den Kader zu berufen - beide traten daraufhin aus dem Nationalteam zurück -, hat sie lieber Lena Oberdorf (17), Klara Bühl (18) oder Giulia Gwinn (19) berufen.
Unerfahrenheit bedeutet Unbekümmertheit - und das kann durchaus ein Vorteil sein. Voss-Tecklenburg verbreitet jedenfalls großen Optimismus: "Wir sind bereit den ersten großen Schritt zu machen."
Alles andere als ein Sieg würde den Druck für das zweite Gruppenspiel gegen Spanien in Valenciennes (12. Juni) erhöhen und die Gefahr vergrößern, bereits im Achtelfinale auf den Weltmeister und Topfavoriten USA zu treffen.
China hat den Führungsanspruch verloren
China gilt definitiv nicht mehr als Titelanwärter. Denn aus der einstigen Führungsmacht ist eine Nation geworden, die im Frauenfußball den Anschluss sucht.
Vor 20 Jahren war China im WM-Finale vor mehr als 90.000 Zuschauer in Pasadena drauf und dran, die Übermacht USA in deren Wohnzimmer zu besiegen.
Seitdem fehlte dem Vizeweltmeister 1999 mal mehr oder mal weniger, um Zählbares zu verbuchen. Bei der WM 2015 scheiterte China an den USA (0:1), bei den Olympischen Spielen 2016 an Deutschland (0:1). Jeweils im Viertelfinale. In 30 Duellen mit der DFB-Auswahl hat China überhaupt nur sechsmal gewonnen, "diese Bilanz wollen wir verbessern", versicherte Nationaltrainer Jia Xiuquan.
Große Ziele bei Männern und Frauen
Natürlich kennt der 55-Jährige das übergeordnete Ziel seines Staatspräsident Xi Jinping, der davon träumt, dass China bis 2050 im Fußball an die Weltspitze vordringt.
Bei Frauen und Männern. Der Coach möchte daher, dass sich mehr junge Spielerinnen durch in europäischen Vereinen "mental und physisch verbessern".
Einzige Legionärin ist bislang Shuang Wang (95 Länderspiele / 26 Tore), die sich bei Paris St. Germain durchgesetzt hat. Die 24-Jährige gibt mit Shanshan Wang (131/ 45) ein erstaunlich treffsicheres Offensivgespann ab, vor der auch Voss-Tecklenburg einigen Respekt hegt. "Sie können ein Spiel entscheiden. Sie haben ihre Stärken in der Offensive und brauchen wenige Chancen."