Alles in allem konnte die DFB-Auswahl mit dem Auftakt der heißen Vorbereitungsphase aber zufrieden sein: Der Test der 3-4-3-Taktik verlief ungeachtet einiger Abstimmungsprobleme ordentlich, Ilkay Gündogan kehrte mit einer ansprechenden Leistung zurück, Debütant Marcel Halstenberg fügte sich gut ein. Zudem blieb der Weltmeister zum 20. Mal in Folge ohne Niederlage - längere Erfolgsserien gab es in der DFB-Geschichte nur zweimal. Bei Spielen in England hat die deutsche Nationalmannschaft nun sogar seit 42 Jahren nicht mehr verloren. Die nächste Bewährungsprobe steht zum Jahresabschluss am Dienstag in Köln gegen Frankreich an. Dann kann die Nationalelf Revanche für das 0:2 im EM-Halbfinale nehmen.
Ungewohnte Formationen auf beiden Seiten
"In der ersten Halbzeit haben wir es in manchen Phasen gut gemacht. Da hatten wir drei sehr gute Tormöglichkeiten. Das hat in der zweiten Halbzeit gefehlt. Wir müssen Richtung WM wieder lernen, dass wir, wenn wir den Ball erobern, schnell umschalten", sagte Löw im ZDF. Beiden Mannschaften waren die vielen Umstellungen zunächst deutlich anzumerken. Auch die Engländer mussten auf sieben Stammkräfte, darunter Topstar Harry Kane, verzichten. In der Anfangsphase bemühten sich daher sowohl Löw wie auch Three-Lions-Trainer Gareth Southgate immer wieder an der Seitenlinie, Ordnung in die eigenen Reihen zu bringen - mit begrenztem Erfolg. Bei den Deutschen fehlte bisweilen die Bindung zwischen Mittelfeld und Angriff, bei den Engländern lange Zeit Tempo und Struktur im Spiel nach vorn.
Chancen ergaben sich angesichts der Unsicherheiten auf beiden Seiten trotzdem. Die besseren hatten zunächst die Gäste. Schon nach wenigen Sekunden wurde Timo Werner nach einem Fehler der Hausherren schmerzhaft von Keeper Jordan Pickford gestoppt und musste kurz behandelt werden. Auf der Gegenseite traf Kieran Trippier nach einem Stellungsfehler der deutschen Abwehr nur das Außennetz.
Sané trifft nur die Latte
Auffälligster Akteur zu Beginn war Premier-League-Legionär Leroy Sané, der wie bei Manchester City über die linke Seite stürmen durfte. Julian Draxler musste dafür zumeist nach rechts ausweichen. Sané sorgte zunächst mit einem Schuss ans Außennetz (8.) für Gefahr, ehe er in der 20. Minute die Latte traf. Der Ball prallte aber deutlich vor der Torlinie wieder auf - kein Fall also für den Video-Schiedsrichter, der erstmals bei einem Freundschaftsspiel der DFB-Auswahl im Einsatz war.
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In der 22. Minute hatten Werner, Sané und Draxler dann dreifach die dicke Gelegenheit zur Führung, doch dank der Rettungskräfte Pickford und Phil Jones und viel Glück kam England schadlos davon. Auch in der 39. Minute scheiterte Werner am überzeugenden Pickford, von dem sich die Three Lions die Lösung ihrer ewigen Torwartsorgen erhoffen. "Ich denke, dass beide Mannschaften ihre Chancen hatten. Wir hätten das Spiel früh entscheiden können. Es ärgert mich sehr, dass ich noch kein Tor für die Nationalmannschaft geschossen habe", sagte Sané.
Zähe Partie nach der Pause
Erst in den letzten Minuten der ersten Hälfte drehten die Gastgeber auf. Tammy Abrahams abgefälschter Schuss strich knapp vorbei, Jake Livermore (44.) und Jamie Vardy (45.) deckten ebenfalls einige Schwächen in der deutschen Defensive auf, in der Kapitän Mats Hummels immer wieder Löcher stopfte. Vardy hatte auch kurz nach Wiederbeginn (49.) die erste Möglichkeit, als Manuel-Neuer-Vertreter Marc-André ter Stegen den Kopfball des Leicester-Torjägers glänzend parierte.
Danach wurde die Partie jedoch zunehmend zäher. Der deutschen Mannschaft mangelte es nun an Esprit und Ideen im Angriffsspiel. Die Engländer hatten mehr Sicherheit gewonnen, offensiv aber fiel ihnen auch nur wenig ein. Beide Trainer versuchten daher mit Wechseln für neue Impulse zu sorgen. Löw schickte Emre Can für Draxler aufs Feld, dann auch Sandro Wagner für den müde gelaufenen Werner. Doch den durchaus hohen Unterhaltungswert der ersten Halbzeit erreichte das Geschehen nicht mehr, auch weil beide Teams nicht mehr ins Risiko gehen wollten. So wurde es das erste torlose deutsche Länderspiel im Jahr 2017.