Um sich vom faszinierenden Panorama der französischen Alpen einen Überblick zu verschaffen, bietet sich die fünfminütige Gondelfahrt auf die Bastille von Grenoble an. Auch die deutsche Frauen-Nationalmannschaft hat kürzlich diesen Abstecher unternommen, wobei auch ein schöner Schnappschuss von Martina Voss-Tecklenburg entstanden ist: die Bundestrainerin mit ausgebreiteten Armen vor der Bergkulisse. Was im Nachhinein das passende Bild zur Frauen-WM ergibt.
Mit dem 3:0 (2:0) gegen Nigeria im Achtelfinale von Grenoble bieten sich auf einmal prächtige Perspektiven für ihre Fußballerinnen. Anders als die Männer leisten sich die Frauen kein WM-Versagen, sondern setzen ein Statement, dass die oft beschworenen deutschen Tugenden gerade wieder en vogue sind. Eine vorzügliche Torhüterin und aufmerksame Abwehr, starke Standards und enorme Willenskraft sind die Trümpfe dieser Mannschaft, die das vor jedem Spiel ausgerufene Motto „Allez maximal“ tatsächlich mit jeder Faser vorlebt.
Rückkehr nach Rennes
„Wir haben in jedem Spiel das rausgeholt, um das Spiel zu gewinnen. Diese Mannschaft hat einen unheimlichen Charakter, auch wenn wir noch nicht so glanzvoll Fußball spielen, wie sich das alle auch wünschen. Aber ich habe immer gesagt: Wir sind in einem Prozess“, bilanzierte Voss-Tecklenburg zufrieden.
Für Sonntagabend war die Weiterreise vom Flughafen Lyon nach Rennes angesetzt, wo der DFB-Tross nun in das sehr geschätzte, ruhige Golfresort in Bruz zurückkehrt. „Ich bin sehr froh, dass wir einmal durchatmen können; dass wir am Montag wissen, gegen wen wir spielen und dass wir auch einen Tag mal komplett freimachen können. Aber dass wir auch gezielt darauf schauen können, was wir im Viertelfinale leisten müssen“, sagte Trainerin.
Dzsenifer Marozsan soll im Viertelfinale spielen
Die 51-Jährige kündigte an, nächsten Samstag wieder auf Dzsenifer Marozsan zu setzen. Ihr kam in der bisherigen Bewertung die Bedeutung der mit einem Bruch der Mittelzehe ausgefallenen Spielmacherin offenbar deutlich zu kurz: „Uns fehlt eine der besten Fußballerinnen der Welt, dafür haben wir es gut gemacht. Teilweise wird noch hinterfragt, warum wir dies oder das nicht richtig machen. Im Viertelfinale wird sie wieder auflaufen.“
Selbst äußerte sich die Nummer zehn zwar etwas zurückhalten („ich habe noch Schmerzen, ich bin froh, dass ich noch nicht spielen musste“), aber der Notfallplan hatte schon einen Einsatz gegen Nigeria vorgesehen. „Wir hätten sie eingewechselt, wenn wir sie gebraucht hätten“, bestätigte Voss-Tecklenburg. „Jetzt sind wir froh, dass sie eine Woche an ihrer Physis arbeiten kann. Stand heute würde ich sagen: Sie wird spielfähig sein.“
Kanada oder Schweden wird der nächste Gegner
Ihr im Umbruch befindliches Ensemble hat bei dem dichter gewordenen Leistungsniveau eine fast einmalige Chance, denn die DFB-Frauen befinden sich in der vermeintlich viel leichteren Hälfte des Turniertableaus. England, Frankreich und die USA kommen frühestens im Finale als Gegner infrage. Zuerst aber steht in der Hauptstadt der Bretagne das Viertelfinale gegen Kanada oder Schweden an.
„Ich bin gespannt auf Montag, beide Gegner haben gute physische Eigenschaften und erfahrene Spielerinnen. Es wird ein Spiel auf Augenhöhe, es bringt nichts, überdimensionierte Träume darzustellen.“ Gleichwohl hat Torhüterin Almuth Schult, die auch im vierten WM-Spiel ihre weiße Weste wahrte, schon angekündigt, „das Finale spielen zu wollen.“
Alexandra Popp als Vorbild
Dass ihre Vorderleute „fußballerisch was drauflegen können“ (Co-Trainerin Britta Carlson) ist unbestritten, aber so lange Kapitänin Alexandra Popp fast für zwei kämpft und rennt, vorne als Mittelstürmern wieder ein wichtiges Tor köpft, um dann hinten auf der Doppel-Sechs zu schuften, sind solche Mängel zweitrangig.
Die 28-jährige Anführerin vereinte mit unendlich anmutenden Extrakilometern in ihrem 100. Länderspiel fast alle Vorzüge einer Mannschaft, die sich durch die Tore von Popp (20.), Sara Däbritz (27./Foulelfmeter) und Lea Schüller (82.) für eine letztlich souveräne Leistung belohnte.
Dass zweimal die japanische Schiedsrichterin Yoshimi Yamashita den Videobeweis zugunsten des deutschen Teams auslegte, schmälerte die Freude nicht. „Wir haben auch nicht immer gewusst, wieso weshalb warum. Aber 3:0 gegen den Afrikameister: was will man mehr. Ein perfekter Tag“, sagte Popp. Die Spielführerin war auch diejenige, die bei der Rückkehr ins Kurstädtchen Uriage-les-Bains ihre Mitstreiterinnen mit den gängigen Mallorca-Hits beschallte.
Die Freude schwappt bis zur Bundeskanzlerin
Die fröhliche Stimmung aus den französischen Alpen schwappte sogar bis zur Bundeskanzlerin. Bundestrainerin Voss-Tecklenburg nutzte die Wartezeit bis zur Pressekonferenz im Stade des Alpes nämlich, um auf eine SMS von Angela Merkel zu antworten, „die sich sofort nach dem Spiel gemeldet hat, sie hat direkt gratuliert, sie freut sich mit dieser Mannschaft“. Als die Trainerin die Nachricht den Spielerinnen mitgeteilt habe, sei die Kanzlerin „gefeiert“ worden. Das hörte sich nach prächtiger Laune an.