Severin Freund ist nach seiner Hüftoperation noch nicht bei 100 Prozent, deshalb gilt Markus Eisenbichler als deutscher Hoffnungsträger bei der am Freitag beginnenden Vierschanzentournee. Zum Auftakt-Ort Oberstdorf hat er eine besondere Beziehung.
Die Schattenberg-Schanze hat im Leben von Markus Eisenbichler schon mehrmals Schicksal gespielt. "Ich mag die Schanze extrem gern", sagt der deutsche Geheimfavorit für die 65. Vierschanzentournee mit tiefer Überzeugung. Diese Aussage erstaunt, schließlich wäre Eisenbichler nach einem schweren Sturz auf dieser Anlage fast einmal im Rollstuhl gelandet.
Schwerer Sturz im Training
Es war im September 2012, als er bei einem Trainingsversuch nach dem Absprung die Kontrolle verlor und kopfüber auf dem Hang aufschlug. Der dritte Brustwirbel war gebrochen, vier weitere angebrochen. "Als ich da unten lag und nichts mehr gespürt habe, habe ich schon mal gedacht, dass es das jetzt mit dem Skispringen war", erinnert sich Eisenbichler an die dramatischen Momente und die Zeit danach: "Als ich dann im Krankenhaus lag, hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Ich habe mir gesagt: Falls ich wieder fit werde, dann probiere ich es nochmal. Dann nicht mehr mit 80 Prozent. Sondern unter dem Motto Alles oder Nichts. Ich bin dann später mit einem mulmigen Gefühl wieder das erste Mal auf die Schanze in Oberstdorf gestiegen und habe meine Angst überwunden."
Bis zu seinem Crash galt der einst von der Nordischen Kombination zu den Flug-Spezialisten gewechselte Eisenbichler als Talent, das aber wohl auch wegen seiner nicht hundertprozentigen Arbeitseinstellung nie den ganz großen Durchbruch schaffte. Seinen ersten Weltcup-Punkt holte der Siegsdorfer (natürlich) in Oberstdorf. Am 30. Dezember 2011 besiegte er dort im K.o.-Duell im ersten Durchgang völlig überraschend den viermaligen Weltmeister Martin Schmitt und belegte am Ende Platz 30.
2014 „kläglich gescheitert“ in Oberstdorf
Nach seinem schweren Sturz im Sommer 2012 war es 2014 Zeit für das nächste einschneidende Erlebnis an der Schattenberg-Schanze. Eisenbichler hatte das deutsche Team mit glänzenden Leistungen zum Sieg beim Weltcup-Auftakt in Klingenthal geführt und galt vor dem Auftaktspringen der Tournee als einer der Geheimtipps. Doch als es drauf ankam, "bin ich kläglich gescheitert". Der Druck aus dem Inneren und von der Öffentlichkeit war damals wohl noch zu groß für den Bundespolizisten.
Nach einem weiteren schwachen Winter ist Markus Eisenbichler in den vergangenen Wochen am bisherigen Höhepunkt angekommen. In sechs der ersten sieben Weltcupspringen landete er unter den besten sieben, in Lillehammer am 11. Dezember als Dritter sogar erstmals auf dem Podest.
Traum erfüllt
"Das war eine extreme Bestätigung und superwichtig für mich. Ich wusste erstmal gar nicht, wohin mit meinen Gefühlen", erzählt der 25-Jährige: "Im Weltcup auf dem Podest zu stehen, war ein großer Traum von mir, schon als ich klein war. Und jetzt habe ich den Traum, irgendwann auch mal zu gewinnen."
Bundestrainer Werner Schuster traut ihm jedenfalls eine Überraschung zu: "Markus weiß noch gar nicht, wie gut er eigentlich ist. Man sieht ihm förmlich an, wie der Gedanke langsam in ihm reift, dass er ganz vorn reinspringen kann." Vielleicht fehlt einfach nur noch das letzte Fünkchen Selbstbewusstsein im Wettkampf.
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Chefcoach Schuster berichtet von Trainingstagen, an dem Eisenbichler "auf Augenhöhe" mit dem momentanen Überflieger Domen Prevc geflogen sei. "Er muss das halt nur noch im Wettkampf zu 100 Prozent zeigen. Markus hat ein irrsinniges Fluggefühl und hat sich körperlich herangetastet", lobt Schuster.
Lohnender Ausflug in den B-Kader
Das hat auch etwas damit zu tun, dass Eisenbichler im vergangenen Sommer alles anders als bisher gemacht hat. Er war nur bis zum Herbst nur bei ganz wenigen Wettkämpfen mit von der Partie und trainierte mit dem B-Kader von Trainer Bernhard Metzler. Dort fand Eisenbichler die "extrem intensive Beziehung", die er als gefühlsbetonter Athlet einfach braucht.
"Das Ziel war, so gut Ski zu springen wie noch nie. Das hat bisher durch die andere Trainingssteuerung funktioniert", sagt Eisenbichler. Geholfen hat ihm in diesem Prozess seit dem vergangenen Jahr auch ein Psychologe.
"Weniger nachdenken"
Nun steht allerdings als Reifeprüfung die Vierschanzentournee auf dem Plan, mit der Markus Eisenbichler bisher nicht so viel anfangen konnte. Wie sich das ändern könnte? "Ich darf mir einfach nicht zu viele Gedanken machen."
Beste deutsche Gesamtplatzierungen seit zehn Jahren Jahr Name Platzierung 2015/2016 Severin Freund Zweiter 2014/2015 Richard Freitag Sechster 2013/2014 Andreas Wellinger Zehnter 2012/2013 Michael Neumayer Sechster 2011/2012 Severin Freund Siebter 2010/2011 Michael Uhrmann Elfter 2009/2010 Pascal Bodmer Siebter 2008/2009 Martin Schmitt Vierter 2007/2008 Michael Neumayer Dritter 2006/2007 Michael Uhrmann Neunter
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