Im Interview mit zdfsport.de erläutert Tim Reichert, warum sich der FC Schalke 04 auf dem E-Sport-Sektor engagiert. Der ehemalige Zweitliga-Fußballprofi leitet die im Mai 2016 gegründete Abteilung bei den Königsblauen.
zdfsport.de: Was hat zum Engagement des FC Schalke 04 im E-Sport geführt? Was verspricht sich der Verein davon?
Tim Reichert: Es gibt viele junge Leute, die eine absolute Faszination für einen neuen Sport entwickelt haben. Diese Faszination teilen wir bei Schalke. Es ist ein sehr wichtiges Thema für uns, diese jungen Leute auf eine sympathische Art und Weise zu erreichen - Stichwort Zielgruppenerschließung der digitalen Generation. Das Ganze Thema Digitalisierung ist uns sehr wichtig, und da ist der E-Sport natürlich sein sehr schönes Vehikel, um weitere Schritte machen zu können.
zdfsport.de: Schalkes Marketingvorstand Alexander Jobst sagt: E-Sport kann helfen, die Unabhängigkeit des Vereins zu sichern - und zwar dadurch, dass man damit Geld verdient.
Reichert: Absolut. Wir haben vom ersten Tag an gesagt, dass das Thema E-Sport für uns kein Marketingprodukt ist, sondern es basiert auf einer ganz klaren Business-Philosophie. Wir wollen eher mittel- als langfristig mit dem Engagement Geld verdienen, das dann auch dem Fußball zu Gute kommt. Wir haben immer betont, dass Fußball das Kerngeschäft bleiben wird und wir den Verein über gute Arbeit unterstützen wollen. Dazu müssen wir neue Geschäftsfelder erschließen.
zdfsport.de: Im E-Sport wird mittlerweile sehr viel Geld umgesetzt. Wo kommt das Geld her, wer investiert in diesem Bereich?
Reichert: Der E-Sport hat inzwischen wahnsinnig viele Zuschauer, und wo viele Zuschauer sind, halten sich auch Unternehmen auf, die diese Zielgruppe erreichen wollen - ganz klassisch mit Werbung. Ergo ist Sponsoring eine der Haupteinnahmequellen. Dann fallen natürlich Dinge an wie Einnahmen über digitale Content-Produktion. Dazu kommen Kompensationen der Betreiber der E-Sport-Ligen für unsere Teams, ähnlich wie im Fußball mit DFB und UEFA, die die Teams an TV- und Vermarktungseinnahmen beteiligen. Was wir noch nicht haben: Einnahmen durch Ticketing, da im E-Sport-Bereich sehr viel über einzelne, große Live-Events läuft, die von den Spieleherstellern oder Event-Veranstaltern ausgespielt werden. Wir planen schon, irgendwann in Zukunft einen solchen Live-Event in unserer Arena auszutragen.
zdfsport.de: Warum hat sich Schalke dazu entschlossen, sich neben FIFA auch bei League of Legends (LoL) zu engagieren?
Reichert: League of Legends ist eines der weltweit populärsten Spiele. Bei den großen Events erleben die Zuschauer hier die Faszination, auch die Emotion, die den E-Sport ausmachen und wie wir sie aus dem klassischen Sport kennen. Hier sind Spiele wie League of Legends, aber auch Counter-Strike oder Dota 2 etwa FIFA noch weit voraus. Außerdem sind wir überzeugt davon, dass wir über LoL noch einmal ganz neue Zielgruppen ansprechen können. Wir hoffen, die Konvergenz hinzubekommen, dass ein E-Sport-Fan, der bis dahin vielleicht noch gar keine richtige Präferenz in Sachen Fußballvereine hatte, sich für Schalke 04 begeistern kann. Das dürfte bei LoL einfacher sein als bei FIFA, wo die meisten Spieler bereits eine Präferenz für einen Klub haben.
zdfsport.de: Schalke hat durch sein Engagement eine Vorreiterrolle eingenommen. Wünschen Sie sich, dass andere Profiklubs nachziehen?
Reichert: Teils, teils. Natürlich schaffen wir uns hier gerade einen Wissensvorsprung und sind froh über unsere Pionierarbeit. Nichtsdestotrotz freuen wir uns umgekehrt, wenn jetzt zum Beispiel der VfB Stuttgart eingestiegen ist, denn die Rivalitäten aus dem Fußball machen sich auch im E-Sport gut.
zdfsport.de: Auf eine besondere Rivalität werden wir indes zumindest vorerst verzichten müssen - für Borussia Dortmund passt E-Sport nicht "zu der Echtheit, die den Kern" der Marke BVB ausmacht. Ihre Meinung zu dieser Haltung?
Reichert: Es ist eine strategische Entscheidung jedes einzelnen Vereins. Wenn Borussia Dortmund das so sieht, wird es schon einen Hintergrund geben. Am Ende des Tages machen sie ja trotzdem Kooperationen mit den großen Spieleherstellern, gerade im digitalen Sport. So ganz ohne können sie ja dann anscheinend auch nicht (lacht). Mir erschließt es sich nicht hundertprozentig, warum das nicht passen soll, aber es muss sich ja mir auch nicht erschließen.
zdfsport.de: Wie sehen denn die Abläufe beim LoL-Team aus?
Reichert: Die Jungs leben seit Beginn 2017 alle in Gelsenkirchen. Während der Saison wird an sechs Tagen trainiert, Minimum sechs Stunden. Dazu kommen noch Videoanalysen, etwa der kommenden Gegner, ähnlich wie im klassischen Sport, aber deutlich intensiver. Außerdem gibt es Teambuilding-Maßnahmen und auch etwa Fitness-, Ausdauer- oder Gymnastik-Einheiten, denn das dauerhafte Sitzen am Computer ist für den Körper natürlich nicht das Gesündeste.
-
-
-
-
-
-
zdfsport.de: Nach welchen Kriterien wird ein LoL-Team zusammengestellt?
Reichert: Es gibt Trainer und Scouts, die die Szene kennen und mir dann einzelne Spieler empfehlen. Wichtigstes Merkmal ist die sportliche Leistungsfähigkeit. Hat der Junge das Talent, auf höchstem Niveau spielen zu können? Fast noch wichtiger als im klassischen Sport ist die Teamfähigkeit. Wir reden hier von jungen Leuten, die über Monate intensiv miteinander leben, die noch in der Entwicklung stehen und Leistungsdruck spüren.
zdfsport.de: Die Spieler sind junge Leute, aus verschiedenen Ländern. Wie kümmert sich der Verein außerhalb des sportlichen Aspekts um die Spieler?
Reichert: Wir haben hier definitiv eine soziale Verantwortung für ganz junge Menschen, die aus allen Teilen Europas zu uns kommen und sich in vorderstem Sinne auf ihr Talent und ihren Sport konzentrieren wollen. Das bedeutet, dass wir sie so gut wie möglich im Alltag unterstützen. Anders würde das nicht funktionieren. Das beginnt beim Ernährungsplan und reicht hin zu administrativen Sachen, sei es jetzt das Beantragen der Steuernummer oder die Krankenversicherung. Wir würden gerne in der Zukunft, ähnlich wie im Fußball, mit der Gesamtschule Berger Feld auch hier zusammenarbeiten, damit die Jungs dort ihr Abitur machen können.
zdfsport.de: Wo geht die Reise hin für den E-Sport in Zukunft?
Reichert: Ich bin mir ziemlich sicher, dass noch Dinge kommen, die wir uns derzeit nicht vorstellen können. Das wird so faszinierend sein, dass kein Weg daran vorbei geht, dass es riesig wird - seien es nun Dinge wie Virtual Reality oder Augmented Reality. Es wird eine neue Form des digitalen Sportwesens entstehen. Es gibt ja keine physikalischen oder materiellen Grenzen.
zdfsport.de: Welche Tipps können Sie einem jungen Menschen geben, der in den professionellen E-Sport strebt?
Reichert: Wenn man spielt, sollte man immer mit einem Ziel spielen, sonst entwickelt man sich nicht weiter. Natürlich sollte man sich anschauen, wie die Profis zu Werke gehen. Wichtig sind aber vor allem Ziele, seien es nun bestimmte Skills, die man lernen will, oder bestimmte Ranglistenplätze auf den Ladders. Wenn man es in solchen Rankings schafft, sich nach vorne zu arbeiten, werden zwangsläufig Organisationen auf einen aufmerksam.