Für die beiden letzten EM-Qualifikationsspiele der deutschen Nationalmannschaft in Mönchengladbach und Frankfurt werden die Stadien bei weitem nicht ausverkauft sein. Langfristig könnte ein Zuschauerproblem für den Verband gefährlich werden.
Matthias Ginter gilt nicht gerade als Lautsprecher bei der deutschen Nationalmannschaft. Als einziger Abgesandter vom aktuellen Tabellenführer Borussia Mönchengladbach ist der Abwehrspieler aber der Richtige, um das EM-Qualifikationsspiel gegen Weißrussland (Samstag 20.45 Uhr) im Borussia-Park zu bewerben.
"Bei Heimspielen haben wir immer gute Stimmung und sind fast immer ausverkauft", sagt der 25-Jährige. "So ähnlich wird es beim Länderspiel sein. Ich hoffe, dass viele Fans den Weg ins Stadion finden."
Löw appelliert an Fans
Bis Montag waren allerdings erst 28.500 Tickets für eine Begegnung verkauft, in der die Nationalmannschaft den Haken an die EM-Quali machen will. Ähnliche Lücken wie in Mönchengladbach zeichnen sich drei Tage später in Frankfurt ab: Für die letzte Qualifikationspartie gegen Nordirland sind knapp 36.000 Karten verkauft.
Auch Joachim Löw spricht das Problem an. "Sehr freuen würde uns, wenn die Stadien gut gefüllt wären, gerade die jungen Spieler brauchen die Unterstützung unserer eigenen Fans", appellierte der Bundestrainer an die Fans. Man wolle alles tun, um sich "mit Mut, Herz und Spielfreude aus diesem nicht immer einfachen Länderspieljahr zu verabschieden", versprach Löw.
Zu hohe Preise, zu späte Anstoßzeit?
Doch die Kundschaft ist bei seiner Mannschaft vermehrt misstrauisch geworden. Schon beim Freundschaftsspiel gegen Argentinien (2:2) waren in Dortmund große Tribünenbereiche gar nicht erst geöffnet worden. Nur etwas mehr als 45.000 Zuschauer erlebten einen durch viele Absagen entwerteten Test.
Muss der DFB seine Preispolitik anpassen? Ein Länderspielticket kostet zwischen 25 (für Mitglieder vom Fanclub Nationalmannschaft 15 Euro) und 80 Euro. Und es ist ja eine nette Geste, dass Kinder auf allen Plätzen nur zehn Euro bezahlen, aber die Anstoßzeit von 20.45 Uhr ist für viele Knirpse ein K.o.-Kriterium. Speziell unter der Woche.
Höherer Zuschauerschnitt als in England und Italien
In der Bundesliga beträgt der durchschnittliche Eintrittspreis knapp 26 Euro. Die Nationalmannschaft als vermeintliches Premiumprodukt liegt deutlich drüber, zumal ausschließlich Sitzplätze angeboten werden können.
DFB-Direktor Oliver Bierhoff hat bislang darauf verwiesen, dass das Interesse an der Nationalmannschaft "noch immer sehr, sehr groß ist und die Leute gerne ins Stadion kommen." Tatsächlich strömten seit 2006 insgesamt 3,87 Millionen Menschen zu 84 Heim-Länderspielen. Im Schnitt also rund 46.000. Die Auslastung in Deutschland (93 Prozent) ist besser als in England, Frankreich, Spanien oder Italien. Doch in 2019 könnte der durchschnittliche Länderspiel-Besuch erstmals auf einen Negativwert aus 2009 (39.637) fallen.
Allen Unkenrufen zum Trotz
Zuvor waren in diesem Jahr allen Unkenrufen zum Trotz die ersten drei Begegnungen gegen Serbien (1:1) in Wolfsburg, gegen Estland (8:0) in Mainz und gegen die Niederlande (2:4) in Hamburg ausverkauft. Im Jahr 2018 hatte sich der oft beschworene Zuschauerschwund noch als Mythos entpuppt, fanden doch fünf von sieben Heimspielen vor vollen Rängen statt.
Sollte die Nationalmannschaft als wirtschaftliches und sportliches Zugpferd dauerhaft beim Zuspruch einbüßen und sich geringeres Interesse auch bei Sponsoren oder Fernsehanstalten abbilden, bekäme der Verband ein gewaltiges Problem.
Kleinere Stadien als Ausweg?
Vielleicht ist die Vergabe in kleinere Stadien ein Ausweg. Zumindest bei den Spielen gegen wenig namhafte Gegner. Mönchengladbach hatte den DFB-Zuschlag für ein EM-Qualifikationsspiel bekommen, weil der Spielort wie bei der WM 2006 auch für die EM 2024 durchs Rüttelsieb gerauscht ist.
Bei Frankfurt war die Gemengelage nicht viel anders: Eigentlich hätte der DFB-Stammsitz bereits das erste Freundschaftsspiel nach der WM 2018 erleben sollen, doch nachdem Anhänger von Eintracht Frankfurt bei einem Spiel auf die Barrikaden gingen, setzte sich der damalige Präsident Reinhard Grindel für eine Verlegung ein. Letztlich wurde das Freundschaftsspiel gegen Peru (2:1) dann in Sinsheim ausgetragen.
Konkurrenz Europa League
Aktuell besteht noch das Problem, dass sowohl Eintracht Frankfurt als auch Borussia Mönchengladbach durch die Europa-League-Teilnahme eine Vielzahl von stimmungsvollen Höhepunkten erleben. Und weil prägende Fangruppierungen wie die Ultras fast schon aus Überzeugung keine Länderspiele unterstützen, ist die Zusammensetzung einer Länderspiel-Kulisse gänzlich anders.
Die DFB-Auswahl muss schon Festspiele inszenieren, um den Stimmungs- und Lärmpegel zu heben. Dafür gaben allerdings in jüngster Zeit die wenigsten Aufritte wirklich durchgängig Anlass.