Ohne Abstimmung: Macron drückt Rentenreform durchs Parlament

    Ohne Abstimmung im Parlament:Macron setzt umstrittene Rentenreform durch

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    Frankreichs Präsident Macron setzt die umstrittene Rentenreform ohne Abstimmung durch. Nun droht der Regierung ein Misstrauensvotum. In Paris gehen die Proteste weiter.

    In Frankreich hat die Regierung von Präsident Emmanuel Macron die umstrittene
    Rentenreform unter Umgehung einer Abstimmung durch das Parlament gebracht. Ministerpräsidentin Elisabeth Borne berief sich am Donnerstag auf den Verfassungsartikel 49.3, wonach eine Regierung die Verantwortung für ein Gesetz übernehmen und dabei auf ein Votum verzichtet werden kann.
    Das Manöver könnte einen Misstrauensantrag gegen die Regierung von Premierministerin Élisabeth Borne nach sich ziehen. Die Opposition hat 24 Stunden Zeit, einen solchen Antrag zu stellen. Die rechtspopulistische Fraktionsvorsitzende Marine Le Pen kündigte bereits an, einem Misstrauensantrag zuzustimmen. Falls die Regierung die Abstimmung verliert, läuft dies auf Neuwahlen hinaus.

    Paris: Hunderte strömen zu Protesten auf die Straße

    Mit der Reform soll das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. Viele Franzosen lehnen das ab. Nach der Entscheidung zur Umsetzung der umstrittenen Rentenreform ohne Abstimmung haben zahlreiche Menschen in Paris protestiert. Hunderte strömten am Donnerstagnachmittag auf den Place de la Concorde im Zentrum der französischen Hauptstadt.
    Die Gewerkschaften kündigten die Fortsetzung der Proteste und Streiks an, die Frankreich in den vergangenen Wochen in Atem gehalten hatten. Seit Januar gibt es Streiks und Demonstrationen dagegen. Allein am Mittwoch demonstierten landesweit knapp 500.000 Menschen.
    In Frankreich hatte es zuletzt massive Streiks gegen die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron gegeben:
    Das Oberhaus des Parlaments, der Senat stimmte erwartungsgemäß am Morgen mit 193 zu 114 Stimmen für den Gesetzentwurf. Die Nationalversammlung sollte am Nachmittag abstimmen. Dort hat Macrons Bündnis keine Mehrheit und wäre auf Stimmen von Konservativen angewiesen. Linke und rechte Abgeordnete sind klar gegen den Gesetzentwurf.

    Premierministerin Borne: "Reform ist notwendig"

    Premierministerin Élisabeth Borne sagte begleitet von lautem Protest der Opposition: "Diese Reform ist notwendig". Linke Parlamentarier sangen unterdessen die Nationalhymne und hinderten Borne so am Reden. Parlamentspräsidentin Yaël Braun-Pivet setzte die Sitzung aus. Die Ankündigung, die Reform mit Sondervollmachten durchzusetzen, kam wenige Minuten vor der geplanten Abstimmung.
    Gewerkschaften riefen Abgeordnete auf, gegen die Reform zu stimmen. Legale Abkürzungen der Regierung, um den Gesetzentwurf voranzubringen, seien eine "Verweigerung der Demokratie", kritisierten sie.

    Er wird "Dicke Bertha" genannt, in Anspielung auf ein deutsches Geschütz des Ersten Weltkriegs: Mit dem Artikel 49.3 der französischen Verfassung kann die Regierung ein Gesetz ohne parlamentarische Abstimmung durchsetzen. Der Gebrauch des Artikels ist jedoch stark eingeschränkt. Zudem riskiert die Regierung damit ein oder mehrere Misstrauensvoten und damit letztlich auch ihr eigenes Überleben.

    Um ihn geltend zu machen, muss zunächst der Ministerrat grünes Licht geben. Die Premierministerin oder der Premierminister kündigt anschließend in der Nationalversammlung an, mit seiner Regierung die Verantwortung für das betreffende Gesetz zu übernehmen. Das bedeutet, dass die Opposition 24 Stunden Zeit hat, um einen oder mehrere Misstrauensanträge zu stellen.

    Sollte die Regierung diese Anträge überstehen, ist das Gesetz damit verabschiedet. Wenn sie ihn nicht übersteht, läuft es auf Neuwahlen hinaus.

    Quelle: AFP

    ZDF-Korrespondent: Macrons Regierung "politisch geschwächt"

    Auch wenn es formal "durchaus möglich" sei, dass die Regierung am Ende ihr Reformprojekt auf diese Art und Weise durch das Parlament bekommt, sei der aktuelle Fall "doch politisch besonders, wegen der besonderen Bedeutung, die die Rentenreform für die politische Agenda von Emmanuel Macron hat", erklärt ZDF-Korrespondent Thomas Walde. Lange sei man sehr zuversichtlich gewesen, eine ordentliche Mehrheit im Parlament herstellen zu können. Zudem sei Emmanuel Macron dafür Kompromisse mit den konservativen Republicains eingegangen.

    Am Ende muss man sagen, hat es nichts genützt und die Regierung steht nun doch ein bisschen belämmert da. Sie ist politisch geschwächt.

    Thomas Walde, ZDF-Korrespondent in Frankreich

    Opposition und Gewerkschaften hatten schon im Vorfeld bemängelt, hier werde ein Gesetz gegen den Willen des Volkes durchgesetzt. "Die fühlen sich heute Abend bestätigt. Sie wittern gewissermaßen Blut im Wasser, kündigen bereits neue Demonstrationen gegen die Regierung und ihr Vorhaben an."
    Quelle: AP, Reuters, dpa

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