Ein Gutachten entscheidet über Haftungsfragen, das Sorgerecht oder die Höhe einer Entschädigung. Sie sind ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung über Geldsegen oder Pleite, Freiheit oder Gefängnis. Werden Sachverständige ausreichend kontrolliert? Wie qualifiziert sind sie wirklich? Und: Wie unabhängig und unparteiisch arbeiten Gutachter und Gutachterinnen?
Gutachter und Sachverständige
Jedes Jahr werden in Deutschland allein im Auftrag der Gerichte rund 400.000 Gutachten erstellt. Die Expertise der Sachverständigen ist gefragt – aber oft auch fragwürdig. Jeder kann sich "Gutachter" und "Sachverständiger" nennen. Die Bezeichnungen sind nicht geschützt.
Trotzdem ist die Einschätzung der vermeintlichen Experten in vielen Bereichen ausschlaggebend: bei Streitigkeiten mit Versicherungen, im Auftrag der Gerichte – auch wenn es um Haftstrafen geht.
Gravierende Mängel am Gutachten
Aufgrund eines sogenannten aussagepsychologischen Gutachtens, das Aussagen des vermeintlichen Opfers als "mit hoher Wahrscheinlichkeit glaubhaft" einstufte, wurde Norbert Kuß verurteilt und landete für fast zwei Jahre im Gefängnis. Nach seiner Haftentlassung wurden gravierende Mängel an diesem Gutachten festgestellt. Er verklagte die Gutachterin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld – in einem Wiederaufnahmeverfahren wurde nachträglich seine Unschuld festgestellt.
Ein Frankfurter Oberstaatsanwalt hat mehr als zehn Jahre lang Gutachten an Firmen eines alten Schulfreundes vergeben – und kassierte kräftig mit. Dabei gehörte die Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen zu seinen Hauptaufgaben. Der Fall Alexander Badle machte 2020 Schlagzeilen und beschäftigt jetzt seine früheren Kollegen und das Gericht.
Die investigative Dokumentation von Andreas Baum beleuchtet ein Gutachter-System, dem oft die Transparenz fehlt – und das aus Sicht vieler Experten nicht ausreichend kontrolliert wird.