Zusammenarbeit: ARD und ZDF starten Projekt "Streaming OS"

    Technologische Zusammenarbeit:ARD und ZDF starten Projekt "Streaming OS"

    von Eckart Gaddum
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    ARD und ZDF positionieren sich neu am Streamingmarkt. Dazu wurde eine enge technologische Zusammenarbeit beschlossen. Und doch geht es um mehr als Kosten, Codes und Technik.

    ARD und ZDF stellen sich als Streaming-Anbieter neu auf.
    ARD und ZDF arbeiten beim "Streaming OS" zusammen.06.05.2024 | 1:35 min
    Im Mittelpunkt des Projekts steht vielmehr eine der größten Open Source-Initiativen in Deutschland. "Streaming OS" heißt sie. "OS" steht für "Operating System" und verspricht, dass ARD und ZDF zentrale Komponenten ihrer beiden Streaming-Plattformen öffentlich bereitstellen - also etwa ihren Player, das Login-System, ihren Empfehlungscode oder den Kern ihres Designsystems.
    Sie alle sollen dem Markt, privaten Anbietern, aber auch kulturellen oder Bildungsinstitutionen, die an ihrem Webauftritt arbeiten, kostenlos zur Anpassung oder Weiterentwicklung angeboten werden. "Damit", so formuliert ZDF-Intendant Norbert Himmler öffentlich-rechtliches Selbstverständnis, "geben wir der Gesellschaft etwas zurück, wofür sie uns auch bezahlt hat" und erhofft sich zugleich auch für die eigenen Angebote "Innovation durch Austausch und Transparenz."

    Passgenaue Inhalte möglich machen

    Damit schärfen ARD und ZDF ihr gemeinwohl-orientiertes Profil. Zugleich geht es aber auch substantiell um zukünftigen Erfolg und Relevanz auf dem Streamingmarkt. Im harten Wettbewerb mit anderen Portalen stehen auch sie vor der Herausforderung, mit ihren Angeboten eine Antwort auf immer individueller ausgerichtete Nutzungsbedürfnisse zu geben.
    Neben der Qualität der Inhalte sind Quantität, die gemeinsame Aggregation und der effiziente Umgang mit verfügbaren Daten, die Entwicklung öffentlich-rechtlicher Empfehlungsalgorithmen sowie stimmige Metadatenkonzepte, die eine hochgradig automatisch generierte Content-Ausspielung erlauben, von entscheidender Bedeutung.
    SWR-Intendant und ARD-Vorsitzender Kai Gniffke unterstreicht deshalb die Notwendigkeit, "passgenauere Inhalte" möglich zu machen. "Wenn sich andere Institutionen - das können auch Medienhäuser, die mit uns mit Wettbewerb stehen, sein - an der Software bedienen, dann kann man sich das auch als den Nukleus für eine große deutschsprachige Plattform vorstellen", betont er.

    Übergreifendes öffentlich-rechtliches Nutzerprofil

    Gesteuert und strategisch ausgerichtet wird das Projekt von einem gemeinsamen, schlank besetzten "OS-Office." Zugleich lassen sich ARD und ZDF untereinander auf eine neue Form arbeitsteiliger Zusammenarbeit ein. "Jeder", so Norbert Himmler, "ist zuständig für vorab definierte Komponenten der Mediathek, die dann wechselseitig ausgetauscht und jeweils im anderen System eingebaut werden."

    Das ist der große Meilenstein in Sachen Effizienz, Wettbewerbsfähigkeit und Transparenz.

    Norbert Himmler, ZDF-Indendant

    Referenzprojekt dafür ist das Empfehlungssystem, das das ZDF entwickelt und aktuell nicht nur für die ARDmediathek angepasst und eingesetzt wird. Anders als für das ZDF sind für die ARD-Angebote zum Beispiel regionale Empfehlungen relevant. Umgekehrt wird das ZDF zum Beispiel den Playerkern der ARD übernehmen. Ein übergreifendes öffentlich-rechtliches Nutzerprofil, das auf gegenseitig nutzbare Daten zurückgreift, in Verbindung mit neuen, intelligenten Dialoglösungen soll für beide neue Wege für Partizipation und Diskurs eröffnen.

    Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit Partnern werden ausgelotet

    Neben dem OS-Office planen ARD und ZDF den Aufbau einer gemeinsamen Tochterfirma. Sie soll sich vor allem um den Betrieb der Mediatheken in der Cloud kümmern und "sehr viel marktorientierter arbeiten", so Kai Gniffke. Während die ARD für diese Tochterfirma die Federführung hat, liegt die Federführung für das OS-Office beim ZDF.
    Technologische Vernetzung, Arbeitsteilung und Transparenz - mit beiden Projekten bauen ARD und ZDF ihr Streaming-Netzwerk weiter aus. Schon heute können Nutzerinnen und Nutzer den ARD-Tatort direkt in der ZDFmediathek abspielen und die "heute show" auch über die ARDmediathek finden. Und dennoch bleiben beide Partner publizistisch eigenständig und finden ihre durchaus unterschiedlichen Publika.
    Für Experten wie den Wiener Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch liegt die digitale Zukunft "nicht in großen monolithischen Ansätzen, sondern in dezentralen, aber eng vernetzten Ökosystemen." Diese Richtung schlagen ARD und ZDF jetzt ein.
    In den kommenden Monaten wollen ARD und ZDF Details ihrer Projekte präziser ausarbeiten. Sie erwarten die Klärung kartellrechtlicher Fragen durch die Medienpolitik. Auch mit europäischen Partnern werden Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausgelotet. Im Frühjahr 2025 soll "Streaming OS" starten.
    Dr. Eckart Gaddum ist Leiter der Hauptredaktion Digitale Medien im ZDF.

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