Das Tragen des Fracks haben die Saaldiener des Bundestags ihm zu verdanken: Theologe und CDU-Politiker Eugen Gerstenmaier (1906-1986) übernimmt von 1954-1969 das Amt des Bundestagspräsidenten und hinterlässt nicht nur in optischer Hinsicht Spuren. Mit der Einführung der "aktuellen Stunde" und der Umgestaltung der Fragestunde stärkt er die Informationsrechte der Parlamentarier, führt eigene Abgeordnetenbüros ein und beeinflusst die parlamentarische Kultur bis heute.
Während des NS-Regimes ist Gerstenmaier im Kirchenkampf aktiv und schließt sich 1938 der Widerstandsgruppe "Kreisauer Kreis" an. Durch seine Beteiligung am Umsturzversuch gegen Adolf Hitler wird er 1944 wegen Hochverrats zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt und in Bayreuth inhaftiert. Nach Ende des Krieges wird er zum Mitbegründer des Hilfswerks der Evangelischen Kirchen Deutschlands (EKD), bevor er 1949 für die CDU in den Bundestag einzieht.
Inhalt des Gesprächs
Zum Zeitpunkt des Interviews mit Günter Gaus prägt Eugen Gerstenmaier seit 10 Jahren das Amt des Bundestagspräsidenten. Gemeinsam blicken sie auf seinen bewegten Werdegang zurück und diskutieren die Tugenden und Befindlichkeiten eines Bundestagspräsidenten, die verpasste Hochschulkarriere und seine Zeit als Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime.
Die Sendereihe "Zur Person"
Dieses historische Interview stammt aus der ZDF-Gesprächsreihe „Zur Person“ mit Günter Gaus, die zwischen 1963 und 1966 ausgestrahlt wurde. Das ZDF macht diese zeitgeschichtlich sehr interessanten Gespräche erstmals in vollem Umfang in der ZDFmediathek zugänglich.
Die Gespräche muss man dabei im Kontext der Zeit sehen: Bestimmte Persönlichkeiten haben in späteren Jahren noch eine besondere Karriere gemacht, wie etwa Willy Brandt oder Franz-Josef Strauß. Die hier gezeigten Gespräche stellen somit ein historisches Zeugnis des Augenblicks dar, in dem das Interview geführt wurde. Gleiches gilt auch für einige sprachliche Ausdrücke, die zum Zeitpunkt der Interviews noch nicht so in der Diskussion waren wie in späteren Jahren. Das ZDF hat sich dennoch dafür entschieden, die Interviews in der Originalversion und ohne Kommentierung zu veröffentlichen.