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2018 mit Friedenspreis geehrt :Ägyptologe Jan Assmann ist tot
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Jan Assmann stieß Debatten über Grundfragen zu kulturellen und religiösen Konflikten an. Jetzt ist der Ägyptologe und Kulturwissenschaftler mit 85 Jahren in Konstanz gestorben.
Jan Assmann wurde zusammen mit seiner Frau Aleida 2018 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Quelle: dpa
Sein Forscherherz galt dem Alten Ägypten. Eine Jahrtausende zurückliegende Epoche, die nur noch durch Pyramiden, Mumien und andere Artefakte in die heutige Zeit ragt? Jan Assmann hat das Gegenteil bewiesen und gezeigt, wie groß der Einfluss der ägyptischen Kultur und Religion auf die europäische Geistesgeschichte und die Religionen noch heute ist.
"Exodus" - unbequeme Thesen für die Weltreligionen
Eine seiner zentralen Thesen war unbequem für die großen Weltreligionen: Zwar könne Religion eine befreiende und demokratische Kraft haben, schrieb er mit Blick auf die biblische Geschichte des Auszugs des Volkes Israel aus Ägypten. Andererseits hob er das enge Verhältnis von Monotheismus und Gewalt und damit die brutale Kehrseite der jüdischen, christlichen und islamischen Tradition hervor: den absoluten Wahrheitsanspruch.
Mit der Unterscheidung in falsche Götter und den einen wahren Gott, sei die Gewalt im Namen der Religion in die Welt gekommen, wie er unter anderem in seinem Buch "Exodus" (2015) schrieb. Eine Sichtweise, die durch den weltweit virulenten islamistischen Terror an Einfluss gewann.
Im Ägypten entstand vor über 5000 Jahren eine einzigartige Hochkultur. Auch nach ihrem Ende in der Römerzeit und der Einführung des Islam blieben ihre Errungenschaften erhalten.21.10.2021 | 43:54 min
Roth: "Führender Ägyptologe unserer Zeit"
Kulturstaatsministerin Claudia Roth würdigte Assmann als einen "der führenden Ägyptologen unserer Zeit". Er habe "weit über sein eigenes Fachgebiet hinaus" gewirkt, sagte die Grünen-Politikerin.
Jan Assmann, 1938 in Langelsheim im Harz geboren, studierte Archäologie, Gräzistik und Ägyptologie. Ab 1967 arbeitete er für das Deutsche Archäologische Institut in Kairo. Von 1976 bis 2003 übernahm er in Heidelberg den Lehrstuhl für Archäologie. Als Gastprofessor lehrte er in Paris, Yale und Jerusalem. Im Zentrum seiner Studien standen wesentliche Aspekte des Alten Ägyptens - vom Zeitverständnis über die Vorstellung von Tod und Jenseits bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen und dem Gottesbild.
Der Totenkult hatte große Bedeutung im alten Ägypten. Die meisten Funde aus der Pharaonenzeit hängen mit Begräbnisritualen und Hoffnung auf ewiges Leben nach dem Tod zusammen.
21.10.2021 | 43:34 min
"Theorie des kulturellen Gedächtnisses"
Das Lebenswerk des Ägyptologen ist ohne die gegenseitige Inspiration mit seiner Frau Aleida nicht denkbar - das Paar galt als Power-Couple der deutschen Geisteswissenschaften. Die beiden Forscher heirateten 1968 und bekamen fünf Kinder. Auch Aleida machte Karriere als Professorin für Anglistik und allgemeine Literaturwissenschaft in Konstanz. 2018 wurde das Ehepaar mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Der Lebensader Nil verdankt die Stadt Luxor ihre Pracht. Ihre Bauwerke zählen zu den größten im alten Ägypten. Doch einige Schätze verschwinden im Lauf der Zeit in den Fluten.03.08.2021 | 44:27 min
Gemeinsam riefen sie den Arbeitskreis "Archäologie der literarischen Kommunikation" ins Leben. Hand in Hand entwickelten sie die "Theorie des kulturellen Gedächtnisses". Dabei gehen die Assmanns davon aus, dass es nicht nur das individuelle Gedächtnis von einzelnen Menschen gibt. Es gebe auch das kollektive Gedächtnis von Gesellschaften und Nationen - geprägt durch überlieferte Texte und Erzählungen, Erfahrungen über Hunderte und Tausende von Jahren.
Solche Erzählungen seien zentral für das Selbstverständnis heutiger Gesellschaften. "Weil sie uns helfen, besser zu verstehen, wer wir sind - und wer wir, als Gesellschaft, sein könnten. Im Positiven wie im Negativen."
Assmann: Demokratie braucht gemeinsamen Boden
Das habe auch Auswirkungen auf die aktuelle Politik: Demokratie lebe zwar vom Austausch unterschiedlicher Argumente, brauche aber auch einen gemeinsamen Boden. Es stimme zwar, so sagten sie 2018 in der Paulskirche, dass "Demokratien durch Streit und Debatten gestärkt werden", aber nur auf der Grundlage unstrittiger, geteilter Überzeugungen von der Verfassung bis zu den Menschenrechten, die nicht zur Disposition stehen dürften. Dauerhaftes Misstrauen vergifte eine Gesellschaft.
Quelle: KNA
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