Was bedeutet der Rechtsruck und das Erstarken der Europaskeptiker für Europa?08.01.2024 | 2:03 min
Donald Trump stellt die Systemfrage. Seit dem
Sturm auf das Kapitol besteht kein Zweifel, dass er keinen Respekt vor der Demokratie hat. In Europa wird gewählt. Dort lauern seine Nachahmer auf ihre Chance. Mit einer Anti-Europa-Agenda gehen sie auf Stimmenfang. In einer Welt voller Konflikte und Widersprüche behaupten die Rechten, der Nationalstaat sei die Antwort.
Der ungarische Regierungschef
Viktor Orban ist die Gallionsfigur einer ganzen Reihe von Rechtspopulisten in Europa. Sie haben eines gemeinsam, wie Professor Hans Vorländer von der Universität Dresden analysiert. "Orban und viele andere wollen die europäischen Institutionen und das Abstimmungssystem eigentlich grundlegend verändern."
Warum nimmt der Rechtspopulismus in Europa zu?
Die Rechtspopulisten sind auf dem Vormarsch, feiern Wahlerfolge: In
Italien und in
Ungarn stellen sie die Regierungschefs, in der Slowakei und in Finnland sitzen sie in der Regierung. In
Schweden unterstützen sie sie. In den Niederlanden haben sie die Wahl gewonnen. Und in Österreich,
Frankreich, und
Deutschland haben sie hohe Umfragewerte.
Sie profitieren von der Verunsicherung der Bürger. Eine Mischung aus Kriegs-, Abstiegs- und Fremdenangst treibt ihnen viele Wähler zu. Schon lange kommen die Anhänger der Rechtspopulisten nicht mehr vom Rand der Gesellschaft, erklärt Florian Hartleb, Politikwissenschaftler und Europa-Experte, sondern aus deren Mitte.
Warum sind viele Rechtspopulisten von Trump begeistert?
Der ehemalige US-Präsident und heutige
Wahlkämpfer Trump gilt vielen Rechtspopulisten als Beispiel für einen politischen Triumph. Ungarns Regierungschef Orban bewundert ihn. Er hatte es an die Spitze der mächtigsten Nation der Welt geschafft. Das hatte ihm niemand zugetraut. Weder die sogenannte Systempresse noch die Elite Washingtons.
"Man hat ihn als Clown abgetan", erklärt Raphael Bossong von der Stiftung für Wissenschaft und Politik. "Er ist natürlich ein immens inspirierendes Vorbild für andere Populisten. Er hat es geschafft, trotz aller seiner mutmaßlichen Unwählbarkeit."
Vor allem seine autoritäre Gesinnung beeindruckt, weil er seine Führerattitüde sehr deutlich macht. "Er glaubt über allem zu stehen und sich allen Machtbegrenzungen zu entziehen", so Professor Vorländer. "Das ist der Traum von Autokraten, nicht mehr gebunden zu sein an Regeln, Normen und Recht."
Um dies zu schaffen, müssen die Rechtspopulisten die europäischen Institutionen schleifen. Der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke meint es ernst, wenn er auf dem Europa-Parteitag der
AfD sagt: "Die EU muss sterben, damit Europa leben kann."
Wie mit den Rechtspopulisten umgehen?
Schwer zu sagen: Es gibt keine eindeutige Antwort. Die Strategien schwanken zwischen Ausgrenzen bis hin zu Einbeziehen. Die sogenannten etablierten Parteien tun sich schwer, den Vormarsch der Rechtspopulisten und Nationalisten zu stoppen.
Vor allem das Thema
illegale Migration ist ein Schlüssel-Thema. Und da zeigt sich eine interessante Entwicklung. Die Postfaschistin, Italiens Regierungschefin
Giorgia Meloni, hat mit einem Anti-Europa- und einem Anti-Flüchtlingskurs die Wahlen gewonnen. Seitdem hat sie aber gelernt, dass sie die europäische Solidarität braucht, um Erfolg zu haben. Professor Vorländer sagt dazu: "Europa verändert auch Rechtspopulisten und bringt ihnen bei, dass sie sehr pragmatisch operieren müssen, wenn sie für ihr Land etwas gewinnen wollen."
Im Juni sind
Europa-Wahlen. Die Rechtspopulisten glauben, sie sind nicht aufzuhalten. Aber die Niederlage der nationalistischen
PiS-Partei in Polen zeigt: Wenn Demokraten zusammenarbeiten und nicht in die Untergangsfantasien der Nationalisten einstimmen, kann das ein Erfolgskonzept sein.
Über Rechtsextreme, Faschisten oder Rechtspopulisten wird oft gesprochen. Aber wo ist eigentlich der Unterschied und ab wann gilt man als rechtsextrem?
von Anna Grösch und Nico Kellner