Experte Gressel: "Die Lage ist extrem angespannt"

    Viele schwer verwundete Ukrainer:Experte: "Die Lage ist extrem angespannt"

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    Militärexperte Gustav Gressel erklärt im Interview, wie sehr die US-Militärhilfen der Ukraine im Krieg nützen können und warum die Lage an der Front "extrem angespannt" ist.

    Militärexperte Gustav Gressel bei ZDFheute live
    Militärexperte Gustav Gressel sieht die US-Hilfslieferungen als Möglichkeit, sich in einer prekären Situation zu verteidigen, mehr nicht.25.04.2024 | 27:55 min
    Der US-Kongress hat das milliardenschwere Hilfspaket in Höhe von umgerechnet rund 57 Milliarden Euro für die Ukraine gebilligt. Militärexperte Gustav Gressel erklärt bei ZDFheute Live, was für die Ukraine durch die neuen Militärhilfen möglich ist und wie sich die Lage an der Front entwickelt.
    Sehen Sie das Interview oben im Video oder lesen Sie es hier in Auszügen.
    Das sagt Militärexperte Gustav Gressel ...

    ... zu den Möglichkeiten der Ukraine durch das US-Hilfspaket

    Die Unterstützung der USA sei "nicht groß genug, um die Ukraine in die Offensive zu bringen, das wäre auch angesichts des Anwachsens der russischen Armee zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchaus schwierig", erklärt Gressel. Die Ukraine habe "keine Feuerüberlegenheit" gegenüber den Russen, aber das Paket stelle "zumindest sicher, dass die Ukraine im defensiven Minimum aufgestellt ist", so Gressel weiter.

    Die neuen Hilfen ermöglichen der Ukraine zumindest, den Abwehrkampf mit einiger Erfolgsaussicht fortzusetzen.

    Gustav Gressel

    Die Hilfszusagen der USA seien "eine gute Neuigkeit", gerade da "der Weltmarkt an Munition" "ziemlich leergeräumt" sei, so Gressel. Es gäbe zwar "viele Versprechungen von Firmen Granaten zu liefern", aber man sei "meist mit Lieferzeiten konfrontiert."
    Biden kündigt bei einer Pressekonferenz an, das neue Hilfspaket für die Ukraine zu unterschreiben.
    Nach der Freigabe neuer Ukraine-Hilfen durch den Kongress wollen die USA schnell weitere Waffen liefern, so Präsident Biden. 25.04.2024 | 0:27 min

    ...wie die US-amerikanischen ATACMS-Raketen der Ukraine helfen

    Durch diese Raketen habe die Ukraine einen "gesicherten Munitionsnachschub" für Reichweiten von bis zu 300 Kilometern, sagt Gressel. Die Ukraine habe sich hierfür um Lieferanten bemüht, da sonst womöglich im Herbst Munitionsbestände aus Großbritannien und Frankreich knapp geworden wären.
    Die ATACMS-Raketen seien "für die Ukraine etwas einfacher einzusetzen" als die vergleichbaren gelieferten Marschflugkörper aus Großbritannien oder Frankreich, da die US-Raketen "vom Boden aus verschossen werden" können. Flugzeuge seien, anders als für die Marschflugkörper, für den Abschuss der ATACMS-Raketen nicht nötig, so Gressel.
    Ukrainische Truppen feuern eine Rakete in der Region Donezk ab.
    Nach der Freigabe des Milliarden-Hilfspakets kündigt US-Präsident Biden weitere Lieferungen an, ATACMS-Raketen sind bereits im Einsatz.25.04.2024 | 1:37 min

    ...zur aktuellen Lage der Ukraine an der Front

    "Die Lage ist extrem angespannt", sagt Gressel, der vergangene Woche Militärvertreter in der Ukraine getroffen hat. Der Experte sieht vor allem die hohe Zahl an ukrainischen Schwerverwundeten als Problem.

    Die Verlustsituationen an Personal sind enorm groß.

    Gustav Gressel

    Zudem habe sich die Bevölkerung, in den von der Ukraine kontrollierten Gebieten "fast halbiert". "Der Rest lebt unter Okkupation oder im Ausland", so Gressel weiter und da 70 Prozent des ukrainischen Kriegsbudgets für Personalkosten verwendet wird, sei die Ukraine "finanziell und personell auf sehr knapper Kante gestrickt."
    Den Widerstand der Ukraine unter diesen schweren Bedingungen hält Gressel für "bewundernswert". "Man muss ihnen schon ziemlichen Respekt zollen, dass das eigentlich ohne große Gebietsverluste seit Awdijiwka" im Februar, trotz Munitionsmangels und "des Ausbleibens an schwerem Gerät, so gut gegangen ist", erklärt Gressel.
    ZDF-Korrespondent Luc Walpot bei ZDFheute live.
    Auf ukrainischer Seite sei man froh, die Position halten zu können, so ZDF-Korrespondent Luc Walpot. Man müsse durchhalten, bis die Waffensysteme eintreffen. 25.04.2024 | 5:00 min

    ... dazu, warum Charkiw wieder im Fokus russischer Angriffe steht

    Von Charkiw aus seien es nur "50, 60 Kilometern bis zur Grenze", daher könne Russland mit Raketenartillerie "in die Stadt hineinschießen" und mit Gleitbomben "aus dem russischen Luftraum direkt angreifen".
    Die Ukraine könne in Charkiw "auch nicht mit besonders großen Systemen auftreten", da russische Aufklärungsdrohnen schnell in das grenznahe Gebiet eindringen und ukrainische Stellungen bemerken können.
    Das Interview führte Philip Wortmann, zusammengefasst hat es Benno Krieger.