Eine Patientin bereitet sich auf die Einnahme von Mifepriston vor, ein Medikament für medizinische Schwangerschaftsabbrüche.
Quelle: Reuters
Kaum ein Thema spaltet die
USA so sehr, wie die Diskussion um Schwangerschaftsabbrüche. Als der
Oberste Gerichtshof (Supreme Court) im Sommer 2022 nach knapp fünf Jahrzehnten das landesweite Recht auf Abtreibung kippte, schlug die Nachricht ein wie eine Bombe. Sofort erließen republikanisch regierte Bundesstaaten weitreichende Abtreibungsverbote.
Seitdem vergeht kaum ein Monat, in dem US-Medien nicht über dramatische Schicksale von Frauen und Mädchen berichten, denen eine Abtreibung verwehrt oder zumindest massiv erschwert wird.
Den Republikanern hat das politisch eher geschadet. Ausgerechnet im Wahljahr will der Oberste Gerichtshof nun wieder in einem Abtreibungsfall entscheiden - möglicherweise mit weitreichenden Konsequenzen, auch für die
US-Präsidentschaftswahlen.
Oberster Gerichtshof entscheidet über Mifepriston
Dieses Mal geht es um die Zulassung des Abtreibungsmedikaments Mifepriston. Das Mittel ist bereits seit über 20 Jahren in den USA erhältlich und wird üblicherweise zusammen mit dem Medikament Misoprostol für Schwangerschaftsabbrüche verabreicht.
Im April hatte ein konservativer Richter in Texas die Zulassung des Medikaments durch die für Lebensmittel und Medikamente zuständige Bundesbehörde FDA ausgesetzt. Der Supreme Court blockierte den Richterspruch damals jedoch bis zu einer endgültigen Entscheidung. Die wird der Oberste Gerichtshof voraussichtlich vor dem Beginn seiner Sommerpause Ende Juni oder Anfang Juli bekannt geben.
Abzutreiben wird in den USA rechtlich immer schwieriger. Viele Männer entscheiden sich daher für eine Vasektomie. Wir sind unterwegs mit einem Urologen und seiner mobilen Klinik.07.06.2023 | 5:47 min
Verbot würde Frauen überall in den USA treffen
Sollte das Gericht das Verbot bestätigen, könnte das den Zugang zu Abtreibungen für Frauen in den USA noch weiter erschweren. Da es in dem Fall um die Zulassung von Mifepriston im gesamten Land geht, würde das Urteil auch für Bundesstaaten gelten, in denen Abtreibung weiter erlaubt ist.
Nach dem Verbot einer zunächst erlaubten Abtreibung muss eine 31-Jährige Texanerin nun in einen Nachbarstaat fahren. Die Schwangerschaft könnte das Leben der Frau bedrohen.
Inzwischen werden mehr als die Hälfte aller Schwangerschaftsabbrüche in den USA medikamentös durchgeführt. Gerade seitdem Abtreibungen in vielen republikanisch regierten Bundesstaaten weitgehend verboten sind, lassen sich viele Frauen dort die Pillen per Post schicken - sehr zum Ärger konservativer Abtreibungsgegner.
Abtreibungspille Misoprostol als Alternative?
Zwar kann nach Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO das von dem Rechtsstreit bisher nicht betroffene Mittel Misoprostol auch alleine für Abtreibungen eingesetzt werden, wenn Mifepriston nicht zur Verfügung steht. Es sei jedoch unklar, wie viele Ärzte und Ärztinnen tatsächlich auf eine Behandlung ausschließlich mit Misoprostol umsteigen würden, weil sie damit weniger Erfahrung hätten, warnen Experten.
Joe Biden sieht sich in der Verantwortung, die Demokratie in den USA zu retten. Er will erneut für die Präsidentschaftswahl kandidieren - vor allem, weil Donald Trump antritt.
Abtreibungsurteil: Politischer Fehlschlag für Republikaner
Noch ist nicht abzusehen, wie sich das Gericht entscheiden wird. Rechtsexperten weisen jedoch darauf hin, dass die Klage gegen die Zulassung von Mifepriston auf ziemlich wackeligen Beinen steht. Sollten die mehrheitlich konservativen Richter am Obersten Gerichtshof ihr dennoch stattgeben, würde das wohl ähnlich hohe Wellen schlagen, wie die Entscheidung vor eineinhalb Jahren, als sie das landesweite Recht auf Abtreibung kippten.
Damals feierten viele Republikaner den Richterspruch als Sieg. Ihre Freude darüber hielt jedoch nicht lange an. Bei den Zwischenwahlen wenige Monate später, schnitten republikanische Kandidaten wesentlich schlechter ab als erwartet. Die Partei konnte nur eine äußerst knappe Mehrheit im US-Repräsentantenhaus erringen. Im Senat verloren sie sogar einen Sitz. Ein wichtiger Grund dafür war die Entrüstung vieler Wähler über die Abtreibungsentscheidung des Gerichts.
Kansas und Ohio: Recht auf Abtreibung
Selbst in tief konservativen Staaten können Republikaner mit dem Thema nicht punkten. In Kansas, wo
Donald Trump bei der letzten Wahl mit mehr als 56 Prozent der Stimmen gewann, sprachen sich die Wähler in einem Verfassungsreferendum im Sommer 2022 für ein Recht auf Abtreibung aus.
Auch im von Republikanern dominierten Ohio schrieben die Wähler im vergangenen November ein solches Recht in der Verfassung des Bundesstaates fest.
Abtreibung bleibt heißes Eisen im Wahljahr
Die Demokraten hoffen, dass sie auch bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen mit dem Thema wieder Wähler mobilisieren können.
In insgesamt neun Staaten wollen Abtreibungsbefürworter am Wahltag auch über Referenden zur Abtreibung abstimmen lassen und so Wahlberechtigte an die Urnen locken. Darunter sind auch Staaten wie Arizona und Nevada, die als sogenannte Battleground-States gelten - also Staaten, die im Rennen um die Präsidentschaft voraussichtlich ausschlaggebend sein werden.
Egal wie sich die obersten Bundesrichter entscheiden: Abtreibung bleibt in den USA im Wahljahr weiter ein heißes Eisen.
Das Oberste Gericht von Colorado hat den früheren US-Präsidenten Donald Trump von den Vorwahlen in dem Staat 2024 ausgeschlossen. Was das Urteil bedeutet.
Claudia Bates, Washington D.C.