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Ermittlungen zur Flutkatastrophe:Ahrtal: Wird jetzt Anklage erhoben?
von Marion Geiger
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135 Menschen kamen im Ahrtal um. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts fahrlässiger Tötung. Die Eltern eines Opfers sind überzeugt: Ihre Tochter könnte noch leben.
Inka und Ralph Orth trauern um ihre Tochter Johanna. Sie kam in der Flut im Ahrtal ums Leben. Ihre Eltern fordern Konsequenzen vor Gericht.28.03.2024 | 3:11 min
Der Tatort ist über 70 Kilometer lang. Rechts und links der Ahr gab es im Juli 2021 Todesopfer und Verletzte. Die Flut traf die Menschen nicht alle auf einmal; sie brauchte viele Stunden von Dorsel über Schuld, Altenahr, Dernau, Ahrweiler, Bad Neuenahr bis Sinzig.
Ab etwa 17 Uhr bis zwei, drei Uhr in der Nacht wälzten die Wassermassen sich durch einen Ort nach dem andern. Die Frage ist: Warum wurden nicht wenigstens die Menschen flussabwärts rechtzeitig gewarnt? Wer ist dafür verantwortlich?
Ermittlung gegen Katastrophenschutzinspekteur und Landrat
Eine der Verstorbenen ist die 22-jährige Johanna Orth. Ihre Eltern sind sicher, dass sie noch leben würde, wenn der Katastrophenschutz funktioniert hätte. Ihr Vater sagt:
Ralph und Inka Orth sind Nebenkläger im Ermittlungsverfahren, das von der Staatsanwaltschaft Koblenz geführt wird wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung und Körperverletzung durch Unterlassen.
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Ermittelt wird gegen den damaligen Landrat Jürgen Pföhler und den ehrenamtlichen Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Landkreises, dem der Landrat die Technische Einsatzleitung übertragen hatte.
Der Landrat selbst war während der Flut offenbar nur einmal in der Einsatzzentrale, für einen Fototermin mit dem Innenminister. Die Orths sehen in ihm den Hauptverantwortlichen für den Tod ihrer Tochter und vieler anderer.
Feuerwehr warnte nur vor Kellern und Tiefgaragen
Johanna lebte in Bad Neuenahr in einer Erdgeschosswohnung. Es war klar, dass es Hochwasser geben würde. Deshalb, so berichten es die Eltern, hatten sie und Johanna genau beobachtet, was sich tat, sich informiert und ausgetauscht.
Vorsorglich hatte Johanna ihr Auto umgeparkt, raus aus der Tiefgarage. Um 20:17 Uhr filmte sie eine Durchsage der Feuerwehr vor ihrem Haus: "Halten Sie sich möglichst nicht in Kellern, Tiefgaragen und tiefer liegendem Gelände auf", ist im Video zu hören, und weiter: "Sichern Sie flussnahe Gebäude und entfernen Sie Ihre Pkws."
Nach diesen Worten waren Johanna und ihre Eltern nicht weiter besorgt, denn Johannas Wohnung lag 150 Meter von der Ahr entfernt. Sie legte sich bald schlafen. Mitten in der Nacht aber rief sie wieder ihre Eltern an. Ihr Vater ging ran: "Wir sind geweckt worden von dem Anruf von Johanna, kurz vor halb eins. Mit den Worten: 'Hier steht Wasser in der Wohnung, ich bekomme die Tür nicht mehr auf.' Sie war komplett panisch, hatte Todesangst."
Noch immer ungeklärt: Warum wurde nicht rechtzeitig gewarnt?
Inka Orth hörte mit, wie Johanna sich im Dunkeln, der Strom war bereits ausgefallen, kaum orientieren konnte:
Das kurze Telefonat war der letzte Kontakt mit ihrer Tochter. Zwei Tage später wurde Johanna tot aufgefunden.
Wie Johanna starben Dutzende Menschen noch spät in der Nacht, an Orten, wo die Flut erst Stunden nach ihrem Beginn ankam. Warum sie nicht rechtzeitig gewarnt wurden und wer dafür verantwortlich ist, ist bis heute nicht restlos geklärt.
U-Ausschuss: Fehleinschätzungen und schlechte Kommunikation
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz offenbarte Fehleinschätzungen, technische Unzulänglichkeiten und eine desaströse Kommunikation sowohl im Landkreis Ahrweiler als auch auf Landesebene im Innen- und Umweltministerium.
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Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Koblenz prüfen die Frage der strafrechtlichen Verantwortung. Beschuldigt sind nur Landrat und Einsatzleiter. Der leitende Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler gibt an, keine Hinweise gefunden zu haben, dass sich weitere politische Mandatsträger oder Einsatzkräfte vor Ort strafbar gemacht haben könnten.
Am Donnerstag (18.04.) wird die Staatsanwaltschaft in einer Pressekonferenz über weitere Details informieren.
Gutachter: Katastrophenschutz unzureichend organisiert
Seit über zweieinhalb Jahren wird nun ermittelt. Mehr als 200 Zeugen wurden vernommen, über 15.000 Notrufe gesichert, Videos ausgewertet. Ein Gutachter hat klar festgestellt, dass der Katastrophenschutz im Landkreis unzureichend organisiert war.
Doch die Staatsanwaltschaft steht vor einem Dilemma. Mario Mannweiler erläutert, für eine strafrechtliche Anklage brauche es mehr. Erst müsse geklärt werden, welches Erkenntnis- und Lagebild die Beschuldigten zu welchem Zeitpunkt hatten und ob sie verpflichtet gewesen wären zu handeln. Und das allein reiche nicht aus:
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Nebenkläger: Befangenheitsantrag gegen Gutachter
Nur wenn diese an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit angenommen wird, ist eine Anklage möglich. Deshalb macht hellhörig, dass Mannweiler anfügt: "Da haben wir ein Gutachten, das sagt: Das kann man nicht mit Gewissheit sagen."
Johanna Orths Eltern kritisieren diese Einschätzung und das Gutachten scharf. Sie haben einen Befangenheitsantrag gegen den Gutachter gestellt. Ihr Rechtsanwalt Christian Hecken stellt fest:
Die Orths fordern deshalb vehement, dass Anklage erhoben wird. Wie die Staatsanwaltschaft entscheidet, soll diese Woche Donnerstag bekanntgegeben werden.
Marion Geiger ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Rheinland-Pfalz.
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