Seit dem gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist klar: Die Regierung muss ihren Haushalt umplanen. Corona-Kredite dürfen nicht für den Klimaschutz ausgegeben werden. 16.11.2023 | 1:04 min
Worum geht es eigentlich?
Um
60 Milliarden Euro. Genauer gesagt: Um Kredite im Wert von 60 Milliarden Euro. So viel Geld wollte sich die
Ampel in den kommenden Jahren leihen, um damit Klimaschutzprojekte zu bezahlen. Das Geld sollte aber nicht im regulären Haushalt verbucht werden, sondern in einer Art Sondertopf, im sogenannten
Klima- und Transformationsfonds. Daraus sollten dann zum Beispiel Elektroautos gefördert werden.
Die Idee der Ampel: Aus dem Jahr 2021 sind noch Kredite übrig geblieben, mit denen die
Corona-Krise bekämpft werden sollte. Diese Kredite wurden am Ende doch nicht aufgenommen, obwohl sie schon eingeplant waren. Die Ampel wollte die Corona-Kredite in Klimaschutz-Kredite umwandeln. Genau das aber
hat das Bundesverfassungsgericht verboten.
Das für die Bundesregierung vernichtende Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist nun einen Tag her. Welchen Eindruck macht die Ampel? Diana Zimmermann berichtet aus Berlin. 16.11.2023 | 1:11 min
Womit hatte das Gericht ein Problem?
Anhand eines Beispiels erklärt: Mal angenommen, auf Ihrem Girokonto sind 3.000 Euro, Ihr Dispokredit beträgt 1.500 Euro. Mehr als 1.500 Euro Miese dürfen Sie also nicht machen. Was aber, wenn Sie sich ein klimafreundliches Elektroauto für 10.000 Euro kaufen wollen?
Angenommen, Sie gehen dann zu Ihrer Bank und eröffnen ein zweites Konto, mit dem Sie einen Kredit von 10.000 Euro aufnehmen. Dann bleibt Ihr Girokonto in den schwarzen Zahlen, die Schulden haben Sie lediglich auf dem zweiten Konto. So ähnlich war die Idee der Ampel.
Ein 60 Milliarden-Loch, Geld, das für Transformations- und Klimaprojekte gedacht war. Was bedeutet das für die Wirtschaft? Frank Bethmann berichtet. 16.11.2023 | 1:07 min
Der Haushalt von Finanzminister
Christian Lindner (FDP) hätte keine neuen Schulden gemacht. Sie wären ausgelagert auf einem zweiten Konto, eben jenem
Klima- und Transformationsfonds. Lindner hätte auf dem Papier die Schuldenbremse eingehalten, aber eben auch nur auf dem Papier. Schulden hätte er laut Gericht trotzdem gemacht, sie halt nur woanders verbucht.
Was genau ist die Schuldenbremse?
Die Schuldenbremse ist das Prinzip, nicht mehr Geld auszugeben, als man hat. Also: Auf das Elektroauto zu verzichten, wenn man es sich nicht leisten kann.
Übertragen auf den Haushalt der Ampel: Jede Bundesregierung darf nur 0,35 Prozent des Bruttoinlandprodukts an Schulden machen. Mehr geht nicht, Schulden sind gedeckelt. So steht es seit 2009 im Grundgesetz. Was im Grundgesetz steht, ist bindend und das Bundesverfassungsgericht wacht darüber.
Die Schuldenbremse gibt an, wie hoch sich Deutschland jährlich verschulden darf. Wie das berechnet wird und welche Ausnahmen gelten. Ein Grafikvideo. 12.12.2023 | 1:12 min
Warum hat das Urteil Sprengkraft für die Ampel?
Weil es um einen
grundlegenden Konflikt innerhalb der Ampel geht: Für die
FDP ist die Schuldenbremse ein Markenkern - und so viele Markenkerne hat die Partei in der Ampel
laut Kritikern aus den eigenen Reihen nicht mehr. Umso mehr dürfte die FDP an ihrer Überzeugung festhalten:
Aus Krisen spart man sich heraus.Die
Grünen und viele in der SPD sehen das grundlegend anders. Sie sagen:
Aus Krisen investiert man sich heraus. Investitionen in den Klimaschutz zum Beispiel sind für die Grünen nicht nur klimapolitisch geboten, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll. Es handele sich schließlich um Investitionen in die Zukunft, die wichtiger seien als das Prinzip der Schuldenbremse.
Alte Schulden fürs Klima ausgeben und Schuldenbremse halten - so hatte sich die Ampel das gedacht. Nun hat Karlsruhe das verboten. Panik in der Ampel? Jedenfalls nicht öffentlich.
von Kristina Hofmann
Diesen grundlegenden Konflikt hatte der Klima- und Transformationsfonds verdeckt. Sowohl neue Schulden als auch die Einhaltung der Schuldenbremse waren auf dem Papier möglich. Damit ist jetzt allerdings Schluss.
Wie reagiert die Opposition?
Mit Kritik und Verweigerung. Es war die Union, die vor dem Verfassungsgericht geklagt hatte. Am Tag nach dem Urteil kritisiert
CDU-Chef Friedrich Merz während einer aktuellen Stunde im Bundestag, die Ampel setze sich über die Regeln der Schuldenbremse des Grundgesetzes hinweg.
Als Konsequenz wollen sich die Haushälter von CDU und CSU nicht mehr aktiv an den Beratungen über den Haushalt 2024 beteiligen. Aus der Union heißt es, die Ampel wolle "ein weiteres Mal einen verfassungswidrigen Haushalt beschließen".
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes biete "die Möglichkeit, die Klimapolitik vom Kopf auf die Beine zu stellen", erklärt Lars Feld, Ökonom und Berater des Finanzministers.16.11.2023 | 5:16 min
Wie geht es jetzt weiter?
Wahrscheinlich mit Streit. Denn die Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro fehlen erst einmal. Mit dem Geld sollten auch Schienen ausgebaut oder der
Chiphersteller Intel in Magdeburg gefördert werden.
Der Klima- und Transformationsfonds ist mit dem Urteil des Gerichts allerdings nicht plötzlich leer. Die Ampel dürfte jetzt aber im Prinzip noch einmal neu verhandeln, welche Projekte besonders wichtig und weiterhin finanzierbar sind. Höhere Steuern als Kompensation für die 60 Milliarden Euro, wie von Teilen der SPD und Grünen gefordert, wird die FDP ablehnen. Ende offen.
Seit gestern ist klar: Der Regierung fehlen 60 Milliarden Euro, auch für Klimaschutzprojekte. Vor diesem Hintergrund sind Beratungen zum Haushalt im kommenden Jahr schwierig. 16.11.2023 | 1:43 min