Bündnis in Greifswald:Rassismus: Eine Stadt wehrt sich
von Susanne Seidl
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Jada Ladu hat seine Erfahrungen mit Rassismus in Greifswald öffentlich gemacht. Das war der Anfang für ein breites Bündnis. Denn die Hansestadt braucht ausländische Arbeitskräfte.
Proteste gegen Rassismus in Greifswald (Archivbild)
Quelle: ZDF
Jada Ladu traut sich: Er macht seine alltäglichen Erfahrungen mit Rassismus öffentlich, erst übers Netz, dann über die Zeitung: Dass er im Café sitzt und ihm eine Frau angeekelt den Mittelfinger zeigt, dass er im Bus mit Heil Hitler "gegrüßt" wird, dass Passanten das N*-Wort sagen. Das alles, ohne dass jemand einschreitet. Das alles mitten im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, in der Universitätsstadt Greifwald, die auch ein wichtiger Wirtschaftsstandort im Nordosten ist.
Mit seinem Gang an die Öffentlichkeit hat der 23-Jährige vor allem eine Absicht:
Seit einem Bürgerentscheid gegen Flüchtlingsunterkünfte in Greifswald sei die Stimmung im vergangenen Sommer umgeschlagen, feindlicher geworden, erzählt der Deutsch-Kenianer. Er ist bei den Jusos aktiv und im studentischen Senat.
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Bündnis gegen Rassismus ins Leben gerufen
Ermutigt von Jada Ladus Bericht meldeten sich auch andere Studierende und Forschende mit Migrationshintergrund bei der Universitätsleitung.
Es war der Start für ein Bündnis unter der Führung von Uni-Rektorin Katharina Riedel mit allen wichtigen Playern der Stadt aus Wirtschaft, Medizin, Kultur, Gastronomie und Forschung.
Die mehr als 20 Kampagnenpartner wollen sich aktiv gegen die wachsende Fremdenfeindlichkeit stellen. Darunter das Bundesseucheninstitut für Tiergesundheit, das Leibniz-Institut für Plasmaforschung und die Sparkasse. Gemeinsam veranstalten sie etwa, Plakataktionen, auf denen Chefs mit ausländischen Mitarbeitern zu sehen sind, es gibt Ringvorlesungen oder Broschüren und Workshops zur Aufklärung.
Problem für Firmen: Abwanderung wegen Anfeindungen
Janett Mechel ist Geschäftsführerin von "ml&s manufacturing, logistics und services". Auch sie will ein Zeichen setzen - macht bei der Kampagne mit. Das Unternehmen hat 650 Mitarbeitende, 70 davon mit ausländischen Wurzeln. Einer von ihnen ist Omar Kashko aus Syrien. Der 29-Jährige arbeitet hier seit 2019, hat sich zum Schichtleiter hochgearbeitet. Für ihn ist vor allem eines wichtig:
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Gemeinsam lassen sich Omar Kashko und Geschäftsführerin Mechel für die Plakatkampagne ablichten. Janett Mechel fürchtet, dass ihre Mitarbeitenden bei wachsenden Rassismus die Stadt verlassen.
Vor ein paar Jahren hat sie einen Kollegen wegen fremdenfeindlichen Verhaltens entlassen. "Da muss man auch als Arbeitgeber sagen: Achtung! "Hier nicht!". Weiter erklärt Mechel:
Das Problem des Fachkräftemangels betrifft nicht nur Greifswald. Laut den aktuellsten Zahlen des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung fehlten 2022 bundesweit 528.000 qualifizierte Arbeitnehmer.
Im Durchschnitt konnten etwa vier von zehn offenen Stellen nicht mit passend qualifizierten Arbeitslosen besetzt werden. Fachkräfte fehlen vor allem in den Bereichen Gesundheit und Soziales, Lehre und Erziehung sowie Bau, Vermessung und Gebäudetechnik
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Ausländisches Know-how wichtig
Auch die Wissenschaft beschäftigt das Thema - denn: Forschung funktioniert nur international und Wissen ist über die ganze Welt verteilt, erklärt Thomas Klinger vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik. Nur indem man es zusammenführe, sei ein Forschungsreaktor, wie er jetzt in Greifswald stehe, überhaupt denkbar.
Stolz lässt er sich vor dem millionenschweren Kernfusionsreaktor Wendelstein X ablichten. Mit dabei die chinesische Physikern Daihong Zhang, die seit 20 Jahren in Greifswald forscht. Sie fühlt sich nicht von Rassismus betroffen, kennt aber die Gefahren für die Forschung.
Jada Ladu will sich weiter engagieren. Er erhofft sich durch die Kampagne, dass mehr Menschen Zivilcourage zeigen und den Betroffenen zur Seite stehen. Um eine Eskalation zu verhindern, reiche es manchmal schon zu sagen:
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