Mieter-Rechte: Comeback eines Gesetzes gegen hohe Mieten?

    Rechte von Mietern:Comeback eines Gesetzes gegen hohe Mieten?

    von Katja Belousova und Astrid Randerath
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    Fragwürdige Mietverträge und hohe Mieten sind angesichts eines angespannten Wohnungsmarkts Alltag. Gegen überhöhte Mieten vorzugehen, ist schwer. Eine Reform könnte Mietern helfen.

    Transparent an einem Mietshaus: "Keine Profite mit der Miete!"
    Wer eine Wohnung sucht, hat es vor allem in Großstädten schwer. Aus Mangel an Alternativen erklären sich Mieter bereit, überhöhte Preise zu zahlen.09.04.2024 | 8:48 min
    Eigentlich war Sophie S. glücklich, als ihr der Mietvertrag für eine Wohnung in Berlin vorlag. Monatelang war sie gemeinsam mit ihrem Mann erfolglos auf Wohnungssuche in der Hauptstadt - dann kam die Zusage für eine Wohnung. "Doch unsere Freude war vorbei, als wir den Mietvertrag genauer durchgelesen haben", erinnert sie sich im Gespräch mit ZDF frontal. Zunächst war da eine Klausel, die sie stutzig machte:

    Das Tragen einer Vollverschleierung auch die durch Besuch ist innerhalb des Hauses auf den sogenannten Gemeinschaftsflächen, also Hausflur, Hof und Keller, nicht gestattet.

    Klausel im Mietvertrag

    Hinzu kam der Mietpreis: Für die Wohnung im Nordwesten Berlins verlangten die Vermieter 19,06 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter, laut Mietspiegel liegt die ortsübliche Vergleichsmiete bei maximal 7,25 Euro pro Quadratmeter. "Am Ende haben wir uns gegen diese Wohnung entschieden - die Klausel und der Mietpreis kamen uns einfach komisch vor", sagt die 33-Jährige.

    Da haben offenbar politische Einstellungen Einzug in den Mietvertrag genommen, die wir durch unsere Unterschrift nicht unterstützen wollten. Wir hatten schon den Eindruck, dass hier die Vermieter ihre Macht ausnutzen.

    Sophie S.

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    IW-Ökonom: "Vermieter sind in der stärkeren Position"

    Der Vermieter der Wohnung betont hingegen auf Frontal-Anfrage, "dass die Miethöhe gesetzeskonform ist." Auf den Hinweis, dass die Vollverschleierungsklausel rechtlich nicht bindend sei und womöglich gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoße, antwortet er:

    Sollte sich herausstellen, dass Änderungen nötig sind, werden wir diese vornehmen.

    Antwort des Vermieters

    Sophie S. und ihr Mann hatten Glück, dass sie im Gegensatz zu vielen anderen Wohnungssuchenden keinen Zeitdruck hatten. Denn angesichts eines immer knapperen Wohnungsangebots, vor allem in den deutschen Großstädten, unterschreiben viele Mieter Verträge mit fragwürdigen Klauseln oder überhöhten Mieten.
    "Die Vermieter sind im Moment in der stärkeren Position, weil die Nachfrage so riesengroß ist, weil die Städte noch weiter wachsen - und von daher ist das Kräfteverhältnis eindeutig in Richtung Vermieter gewandert", erklärt Ökonom Michael Voigtländer vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

    Die Vermieter sehen natürlich, dass sie enorme Nachfrage erfahren, dass es lange Warteschlangen gibt bei den Besichtigungen. Und das treibt natürlich die Mieten.

    Prof. Michael Voigtländer, Institut der deutschen Wirtschaft Köln

    Wenn die Miete 100 Prozent des Einkommens kostet

    Diese Schieflage bekommt aktuell auch Johanna Eder in Hamburg zu spüren. Schon als die 29-Jährige 2017 ihre Altbau-Wohnung im Schanzenviertel bezog, war ihre Miete überhöht. Aktuell zahlt sie 20,28 Euro pro Quadratmeter - kalt. Laut Mietspiegel darf die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens 13,96 Euro betragen.
    "Das war meine allererste Wohnung. Die Wohnungslage war damals schon angespannt. Das heißt: Es war schon schwierig, als so junges Mädel eine Wohnung zu bekommen. Und das war dann quasi die einzige, die ich bekommen habe und da musste ich dann auch Abstriche ziehen", erklärt Eder. Als sie in die Wohnung einzog, arbeitete sie bei der Bundeswehr. Dann wurde Johanna Eder berufsunfähig - und die Miete unbezahlbar. Vor ein paar Monaten habe ihre Miete 100 Prozent ihres Einkommens betragen, erzählt sie.

    Ich hatte existenzielle Ängste, meine Psyche hat darunter gelitten. Jetzt kann ich die Miete wieder stemmen, aber meine Ersparnisse, die für etwas anderes gedacht waren, sind alle weg.

    Johanna Eder

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    Mietpreisbremse greift nicht

    Mittlerweile hat sie einen neuen Job gefunden - und überlegt, juristisch gegen ihren Vermieter vorzugehen. Das Problem sei Juristin Rebekka Auf’m Kampe zufolge aber, dass es momentan kaum rechtliche Möglichkeiten gäbe, um in diesem Fall irgendwas zu erreichen.
    "Auf die Mietpreisbremse kann sich Frau Eder nicht berufen, weil sie in Hamburg noch nicht in Kraft war, als sie 2017 die Wohnung bezog", erklärt die Juristin vom Hamburger Mieterverein "Mieter helfen Mietern". Zudem habe die Mietpreisbremse zu viele Ausnahmen.

    Ob der Wohnungsmarkt in der jeweiligen Stadt als angespannt gilt oder nicht, entscheiden die Bundesländer. Eine aktuelle Übersicht zu den Städten, in denen die Mietpreisbremse gilt, finden Sie hier. Die Mietpreisbremse soll verhindern, dass die Miete bei einer Wiedervermietung stark angehoben wird.

    Der Vermieter darf deshalb die Miete höchstes zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen. Hiervon gibt es allerdings Ausnahmen. So gilt diese Regel nicht, wenn bereits die Vormiete mit dem vorherigen Mieter über dieser Grenze lag oder die Wohnung modernisiert wurde.

    Auch für Neubauten gilt die Mietpreisbremse nicht. Das betrifft Wohnungen, die nach dem 1.10.2014 erstmals genutzt oder vermietet wurden. Über all diese Umstände muss der Vermieter den Mieterinnen und Mietern Auskunft erteilten.

    (Quelle: ZDF)

    Ich würde nicht sagen, dass die Mietpreisbremse gescheitert ist. Aber sie hat massive Probleme, sie ist viel zu kompliziert, sie hat viel zu viele Ausnahmen. Und die Leute verstehen die Regelungen nicht.

    Rebekka Auf’m Kampe, Hamburger Mieterverein “Mieter helfen Mietern”

    Der vergessene Paragraf

    Noch bevor es die Mietpreisbremse gab, hatten Mieter und Mietervereine ein effizientes Instrument, um gegen überhöhte Mieten vorzugehen: Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes. Demnach kann eine Miete ordnungswidrig sein, wenn das Wohnungsangebot gering und die Miete mindestens 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt.
    Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs 2004 ist es für Mieter aber deutlich schwieriger geworden, sich darauf zu berufen. "Weil dann die zusätzliche Maßgabe kam, dass man nachweisen muss, dass man keine andere Wohnung findet auf diesen Märkten", erklärt Rebekka Auf’m Kampe.

    Das ist im Einzelfall extrem schwierig.

    Rebekka Auf’m Kampe, Hamburger Mieterverein “Mieter helfen Mietern”

    Es gebe noch eine weitere Hürde seit dem Urteil 2004, ergänzt Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes: "Ich muss nachweisen, dass der Vermieter gehandelt hat, indem er eine Zwangslage ausgenutzt hat."

    Und das ist sehr schwer, weil ich dann die Motive des Vermieters erforschen muss als Mieter.

    Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes

    Auf Frontal-Anfrage erklärt Johanna Eders Vermieter, dass "bei der Vermietung der Wohnung keine Ausnutzung einer Zwangslage" vorgelegen habe.
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    FDP gegen Reform des Mietparagrafen

    Der Bundesrat hat schon 2019 gefordert, das Gesetz zugunsten der Mieter zu reformieren und dem Bundestag einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Ziel ist es, den Tatbestand der Ausnutzung aus dem Gesetz streichen. Die Tatsache, dass ein Wohnungsmangel überhaupt existiert, soll reichen, um gegen überhöhte Mieten vorzugehen.
    Doch die Große Koalition hatte Bedenken wegen der Rechtssicherheit dieser Änderung. Die damalige Justizministerin Christine Lambrecht von der SPD kündigte an, den Entwurf prüfen zu wollen. Umgesetzt wurde er nie.
    2022 legte der Bundesrat den Gesetzentwurf zum Mietwucher erneut vor - diesmal der Ampelregierung. Grüne und SPD sind offen für die Änderung, doch die FDP hat Bedenken. "Es ist wieder mal so wie in der Bundesregierung in den letzten Monaten sehr häufig: Dass sich die Parteien, die die Bundesregierung bilden, gegenseitig nicht grün sind", kritisiert Siebenkotten vom Mieterbund.
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    Fragen der "Verhältnismäßigkeit"

    Auf Anfrage schreibt das Justizministerium, dass es Bedenken an der "Verhältnismäßigkeit" einer Gesetzesänderung gäbe, die zur Folge hätte, "dass allein schon die Forderung eines hohen Mietpreises als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden könnte".
    Weil ein überarbeiteter Paragraf 5 ihrer Einschätzung nach auch Fällen wie dem von Johanna Eder helfen könnte, hofft Rebekka Auf’m Kampe auf eine Reform. Dass dies in dieser Legislatur passiert, ist jedoch höchst unwahrscheinlich. Mieterinnen wie Eder bleiben damit weiterhin auf ihrer hohen Miete sitzen.

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