Kommentar
EU-Gipfel in Kiew:Das riskante Spiel mit der Beitrittshoffnung
von Florian Neuhann
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Dass EU-Spitzen mitten im Krieg zum Gipfel in die Ukraine reisen, ist ein starkes Symbol. Was sie dort sagen, ist aber durchaus riskant.
Was man Ursula von der Leyen ohne Frage lassen muss: Sie beherrscht die politische Inszenierung. Das große, pathetische Wort - das starke Symbol.
Wenn sie eine ukrainische Fahne von allen Teilnehmern des Treffens ihrer EU-Kommission mit der ukrainischen Regierung signieren lässt. Wenn sie in einer Pressekonferenz dem "lieben Wolodymyr" (gemeint ist der ukrainische Präsident Selenskyj) sagt, wie "brillant" seine Regierung die Bewerbung für den EU-Beitritt vorbereitet habe. Wenn sie schließlich erklärt, das Gespräch sei mehr als das Treffen zwischen Offiziellen - es sei "eine Familie, die hier zusammenkommt". Eine Familie? Wirklich?
Die EU-Spitze hat der Ukraine weitere Hilfe zugesichert:
Die Worte sind das Produkt eines rhetorischen Überbietungswettbewerbs, den sich von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel (beide einander in herzlicher Abneigung verbunden) seit Wochen liefern. Wer findet die stärksten Symbole, wer reist als erster in die Ukraine, wer verspricht dem Land am meisten?
EU-Aktion könnte zu falscher Illusion führen
Dass von der Leyen diesen Überbietungswettbewerb mühelos gewinnt, ist dabei vor allem für die Brüsseler "EU-Blase" interessant. Dass der Wettbewerb aber zu übertriebenen Hoffnungen in der Ukraine führt: Das ist ein Problem für ganz Europa.
Natürlich geben weder von der Leyen noch Charles Michel konkrete Zusagen in Kiew. Aber das Gesamtpaket dieses Besuchs kann in der Ukraine nur zu der falschen Illusion führen, dass ein Beitritt - oder mindestens die schnelle Aufnahme von Beitrittsverhandlungen - realistisch ist.
EU-Staatschefs warnen vor zu viel Hoffnung
Dabei gilt wohl weiter, was Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im letzten Frühsommer sagte: Bis zu einer Vollmitgliedschaft werde es noch Jahrzehnte dauern.
Oder was der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz im Herbst formulierte: Vor einer großen Erweiterung (und nichts anderes wäre der Beitritt der Ukraine) müsse sich die EU selbst reformieren. Doch eine solche Reform ist derzeit weiter entfernt als ein Ende des russischen Angriffskriegs.
Die Ukraine gilt als eines der korruptesten Länder in Europa:
Korruption großes Problem in Ukraine
Und schließlich müsste das Land dafür sein - schon vor dem Krieg großes - Problem mit der grassierenden Korruption in den Griff kriegen. Und bei aller Wertschätzung: Das ist nicht mit ein paar medienwirksam kurz vor dem Gipfeltreffen mit der EU platzierten Durchsuchungen getan.
Die Ukraine hat Europas Unterstützung in diesem Krieg verdient: militärisch und finanziell. Sie hat aber auch verdient, dass Europas Spitzenvertreter ehrlich mit ihr umgehen. Und keine falschen Hoffnungen wecken.
Florian Neuhann ist Korrespondent im ZDF-Auslandsstudio in Brüssel.
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