Ukraine-Krieg: Was die Kampfjetankündigung der USA bedeutet
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Ukraine bald mit F-16?:Was die Kampfjetankündigung der USA bedeutet
von Katja Belousova
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In einem bemerkenswerten Schritt ebnen die USA Kampfflugzeug-Lieferungen an die Ukraine. Warum kommt die Ankündigung jetzt? Und was könnten F-16-Jets bewirken?
Könnte in der Ukraine zum Einsatz kommen: ein F-16-Kampfjet.
Quelle: reuters
Kiews Forderung nach Kampfjets westlicher Bauart steht schon seit Monaten im Raum - doch lange herrschte Zögern unter den westlichen Verbündeten der Ukraine. Nun lässt eine Ankündigung aufhorchen: Die USA zeigen sich beim G7-Gipfel in Japan offen für eine Lieferung ihrer F-16-Jets durch europäische Partnerstaaten an die Ukraine - und wollen eine Ausbildung ukrainischer Piloten unterstützen.
Die Ankündigung wirft gleich mehrere Fragen auf: Warum erfolgt dieser Schritt gerade jetzt? Und welchen Einfluss könnte er auf den Kriegsverlauf zwischen Russland und der Ukraine haben?
Warum kommt die US-Kampfjetankündigung jetzt?
Zum Zeitpunkt der Ankündigung erklärt Elmar Theveßen, ZDF-Korrespondent in Washington: "Joe Bidens grünes Licht für die Lieferung von F-16 Kampfjets durch Verbündete und das Training von ukrainischen Piloten hat einen einfachen Grund: Die Ukraine soll so schnell und so weit wie möglich russisch besetzte Gebiete zurückgewinnen und die Nachschubwege für Russlands Besatzungstruppen auf der Krim abschneiden."
Nur dann, so die Erwartung in Washington, könne Putin bereit sein, von seinen Maximalforderungen abzurücken.
Entscheidend sei auch das Zeichen, das die USA mit ihrer Ankündigung setzen würden, erläutert Militärhistoriker Sönke Neitzel von der Uni Potsdam. "Noch ist für uns Außenstehende unklar, welches operative Ziel mit der Lieferung konkret verfolgt werden wird. Immerhin ist das politische Signal wichtig, dass der Westen die Ukraine weiter unterstützt", sagt er ZDFheute.
Auch die Bereitschaft Europas spiele bei der Entscheidung der USA eine Rolle, so Neitzel.
Hat Russland mit dem Schritt gerechnet?
Klar ist: Die Entscheidung kommt nicht unerwartet. "In den letzten Wochen haben sich Absetzbewegungen gegenüber der früheren westlichen Position gezeigt, dass man eben keine westlichen Kampfflugzeuge liefern will", erklärte Gerhard Mangott, Experte für Sicherheitsforschung im postsowjetischen Raum von der Universität Innsbruck, Freitagabend im ORF.
Moskau habe mit dem Schritt wohl gerechnet, so Mangott. "Aber Russland weiß auch, diese Waffen, die werden erst einsetzbar sein in vier bis sechs Monaten, denn so lange wird ungefähr die Ausbildung ukrainischer Piloten an diesen Flugzeugen dauern", erklärt er.
„Es gibt Bewegung bei der Kampfjet-Frage, die Amerikaner sind jetzt nicht mehr ganz dagegen“, berichtet ZDF-Korrespondent Ulf Röller vom G7-Gipfel in Hiroshima. 20.05.2023 | 2:25 min
Was könnten Jets für den Kriegsverlauf bedeuten?
Sind die Jets einsatzbereit, könnte Kiew profitieren, wenn es darum geht, die Angreifer aus Russland zurückzudrängen - Grund ist ihre große Reichweite. Sie würden es etwa ermöglichen, auch alle Ziele auf der von Russland besetzten Krim anzugreifen, sagt Gerhard Mangott.
Ob die Jets den Kriegsverlauf letzten Endes wirklich beeinflussen können, hängt auch von der Anzahl und Bewaffnung der Flugzeuge ab. Sönke Neitzel schätzt, "dass es sich um eine niedrige zweistellige Zahl handeln wird, die dazu dient, die kleine ukrainische Luftwaffe am Leben zu erhalten."
Es besteht zugleich die Sorge, dass die Ukraine mit den Jets Ziele in Russland ins Visier nehmen könnte. "Das war für die USA bislang immer ein Grund, eben solche Flugzeuge nicht zu liefern oder nicht liefern zu lassen", erklärte Mangott. Das scheine man jetzt aber beiseite geschoben zu haben, weil man im Westen mittlerweile auf einen vollen Sieg der Ukraine setze.
Die Ukraine möchte sie unbedingt: Kampfjets. Bislang gibt es nur vage Andeutungen von einigen Nato-Ländern. Deutschland hält sich bisher raus. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
von Florian Neuhann und Kristina Hofmann
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Wird Deutschland auch Jets schicken?
Die Stimmen aus der deutschen Politik sind zurückhaltend. Schon unter der Woche sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) der "Augsburger Allgemeinen": "Ich habe wiederholt gesagt, dass wir keine Kampfflugzeuge haben, die der Ukraine sofort helfen." Damit bezog Pistorius sich auf die beiden Kampfflugzeugtypen im Besitz der Bundeswehr: Eurofighter und Tornados.
Und SPD-Chef Lars Klingbeil macht klar: "Jeder hat unterschiedliche militärische Fähigkeiten. Die Kampfjets gehören bei uns nicht dazu". In der "Rheinischen Post" betonte er, hier gelte die Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Dieser hat die Lieferung von Kampfjets westlicher Bauart vor Wochen als nicht sinnvoll bezeichnet.
"Deutschland könnte allerdings militärische Flughäfen für die Ausbildung an F-16-Kampfjets zur Verfügung stellen, die durch Piloten aus anderen Ländern durchgeführt wird", schlug die FDP-Politikerin im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe vor. Auch Grünen-Politiker Anton Hofreiter forderte, Deutschland solle prüfen, ob es "einen logistischen Beitrag leisten kann".
... gehört zu den leistungsfähigsten Militärjets weltweit und kommt in mehr als zwei Dutzend Ländern zum Einsatz. Die Maschinen der US-Firma Lockheed können sowohl in der Luftverteidigung als auch gegen Ziele am Boden eingesetzt werden, also zum Zurückdrängen feindlicher Verbände. Die F-16 ist in der Lage, auch in extrem niedriger Höhe und bei jedem Wetter zu fliegen. Der erste Prototyp stieg 1974 in die Luft, 1979 ging die F-16 bei der US-Luftwaffe in Dienst. Aktuell werden mehr als 2.800 Exemplare eingesetzt. Die USA sind als Herstellerland in einer zentralen Rolle, sie müssen jeder Lieferung oder Weitergabe in die Ukraine zustimmen.
Bei den US-Streitkräften sind nach Zählung des Fluginformationsportals Flight Global aktuell 936 F-16-Maschinen im Einsatz, davon fast ein Fünftel zu Trainingszwecken.
Beim Bau der Militärjets setzten die USA auch auf Kooperationen mit europäischen Partnern - anfänglich waren das Belgien (heute 52 F-16 im Einsatz), die Niederlande (29), Dänemark (43) und Norwegen. Letztere haben ihre Maschinen inzwischen ausgemustert und zum Teil nach Rumänien weiterverkauft (17). Unter den vormaligen Ostblockstaaten setzen auch Polen (48) und Bulgarien (16 Bestellungen) auf die Flieger aus US-Produktion. Unter den Nato-Partnern haben die Türkei (243) und Griechenland (153) die größten F-16-Bestände. Portugals Luftwaffe verfügt über 25 dieser Jets.
Unter den US-Verbündeten in Nahost verfügt Israel mit aktuell 224 F-16 über den größten Bestand, gefolgt von Ägypten (218). Weitere Nutzer sind die Vereinigten Arabischen Emirate (76), Oman (23), Jordanien (59), Irak (34) und Bahrain (21). Als einziges afrikanisches Land ist Marokko mit 23 F-16-Maschinen ausgerüstet.
In Asien verfügt Südkorea über 167 F-16-Militärjets, Taiwan über 136. Die Streitkräfte in Pakistan (75), Singapur (60), Thailand (50) und Indonesien (32) nutzen die Maschinen ebenso wie in Südamerika die Länder Chile (46) und Venezuela (20). Quelle: dpa, Flight Global
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