Schulze und Heil in Westafrika: Kampf gegen Kinderarbeit

    Bundesminister in Westafrika:Kampf gegen Kinderarbeit in Schokoindustrie

    Marcel Burkhardt
    von Marcel Burkhardt
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    Zwei deutsche Regierungsmitglieder wollen afrikanischen Kakaobauern aus existenzbedrohender Armut helfen. Kann das Lieferkettengesetz das leisten oder braucht es ganz neues Denken?

    Hubertus Heil und Svenja Schulze am 23.02.2023 in Agboville
    Svenja Schulze und Hubertus Heil in der Elfenbeinküste.
    Quelle: picture alliance / photothek

    Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze und Arbeitsminister Hubertus Heil sind mit hehren Zielen nach Westafrika gereist: In der Elfenbeinküste, dem weltgrößten Kakaoproduzenten, wollen sie "den Menschen am Anfang der Lieferkette" aus der Not helfen, wie Schulze es sagte.

    Kakao: Begehrter Rohstoff, arme Produzenten

    Der Grund: Circa 60 Prozent des in Deutschland verarbeiteten Kakaos kommt aus der Elfenbeinküste - begehrter Grundstoff für edle Schokolade, der dem Großteil der ivorischen Bauern allerdings keinen Wohlstand bringt. Im Gegenteil: Sie leben in großer Armut. Die Folge: ausufernde Kinderarbeit.

    Die Elfenbeinküste und Ghana produzieren circa 70 Prozent des weltweiten Kakaos. In den dortigen Plantagen schuften laut einer Studie der Universität Chicago fast 1,6 Millionen Minderjährige, obwohl dies in beiden Ländern offiziell verboten ist. Ein Grund: Viele Kleinbauern seien so mittellos, dass sie sich keine erwachsenen Hilfskräfte leisten könnten. Und: Kakaobohnen seien oft die einzige Einnahmequelle.

    Einhergehend mit einem starken Anstieg der Kakaoproduktion in den vergangenen zehn Jahren hat auch Kinderarbeit in Ghana und der Elfenbeinküste zugenommen. In den Kakaoanbaugebieten ist nach Informationen des Inkota-Netzwerks fast jedes zweite Kind von "ausbeuterischer Kinderarbeit" betroffen. Hunderttausende Kinder müssen dort schwere Erntesäcke schleppen, mit Macheten und giftigen Pestiziden hantieren.

    Desiré Adon ist einer der ungezählten ivorischen Bauern, die verzweifelt sehen, wie die Kosten für Lebensmittel und Dünger explodieren, während das ohnehin geringe Einkommen durch Inflation extrem an Wert verliert.

    Derzeit ist es unmöglich, vom Kakaoeinkommen zu leben. Wir sind verdammt dazu, unter der Armutsgrenze zu existieren.

    Desiré Adon, ivorischer Kakaobauer

    An den für afrikanische Bauern viel zu geringen Kakaopreisen kann das deutsche Lieferkettengesetz nichts ändern, allerdings erhofft sich die Bundesregierung einen stärkeren Einfluss auf faire Arbeitsbedingungen in den Lieferketten der Industrie. So soll ausbeuterische Kinderarbeit eingedämmt werden.
    "Wer global wirtschaftet, wer global Gewinne macht, muss auch global Verantwortung übernehmen", sagte Arbeitsminister Heil.





    Menschenrechtsaktivisten: Lieferkettengesetz "zahnlos"

    Zum Hintergrund: Deutsche Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern, die zum Beispiel Rohstoffe von ausländischen Zulieferern beziehen, sind seit Jahresbeginn verpflichtet, mit Blick auf Menschenrechtsverletzungen eine Risikoanalyse sowie Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu betreiben.
    Die Bundesregierung bezeichnet das Lieferkettengesetz als "schlagkräftig", Menschenrechtsaktivisten betrachten es dagegen als "zahnlos". Ein Grund: Bei indirekten Zulieferern, Vorlieferanten also, "gelten die Sorgfaltspflichten nur anlassbezogen und nur, wenn das Unternehmen Kenntnis von einem möglichen Verstoß erlangt", wie es offiziell heißt.
    Frau und Kind suchen in einer Mine in Indien nach dem begehrten Rohstoff Mica
    Das Lieferkettengesetz - verwässert durch Politik und Lobby.24.01.2023 | 9:25 min

    BDI: Unternehmen "verabschieden" sich aus Afrika

    Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beklagt indes neue Erschwernisse durch das Lieferkettengesetz. Laut Wolfgang Niedermark, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, gebe es erste deutsche Unternehmen, die neue rechtliche "Hürden" zum Anlass nähmen, "sich vom afrikanischen Markt zu verabschieden".
    Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel des Schokoladenherstellers "fairafric", Finalist des Deutschen Nachhaltigkeitspreises in der Kategorie "Lieferkette". Das junge Unternehmen agiert nach Angaben des Gründers Hendrik Reimers "weit über den Mindeststandards, die das Lieferkettengesetz vorsieht" - und erzielt dabei Gewinn.

    Deutscher Gründer stellt "faire" Schokolade in Afrika her

    "Wir schaffen die gesamte Wertschöpfung in Ghana", sagt Reimers im Gespräch mit ZDFheute. Das Unternehmen beschäftigt derzeit 85 Menschen, die "mindestens den vierfachen Lohn des Mindestlohns" erhalten, eine Krankenversicherung für die ganze Familie sowie eine Rentenversicherung.

    Wir schaffen Arbeitsplätze und bekämpfen damit Armut. Kinderarbeit ist die Konsequenz aus bitterer Armut, somit geht der Schutz von Kinderrechten Hand in Hand mit unserer Mission und Vision.

    Hendrik Reimers, fairafric-Gründer

    Den Kakaolieferanten zahlt fairafric deutlich höhere Preise als marktüblich. Das Unternehmen investiert zudem in Aufklärung zum Thema Kinderrechte und besucht Kakaoplantagen unangekündigt, "um zu kontrollieren, dass wirklich keine Kinder auf den Farmen arbeiten".

    Der Preis für faire Bedingungen

    Bis 2030 will fairafric 10.000 "gut bezahlter Arbeitsplätze" in Afrika schaffen und mit seiner Bio-Schokolade 100 Millionen Euro Umsatz machen.
    Vor allem in deutschen Bioläden ist die fairafric-Schokolade inzwischen erhältlich, "kostet etwa das Zweieinhalbfache der Lila-Schokolade", wie Reimers sagt. Dies sei der Preis für faire Bedingungen in der gesamten Lieferkette.
    Kaffeekirsche am Baum
    Auch der Anbau von Kaffee bietet den Produzenten kaum eine Existenzgrundlage.21.10.2022 | 29:50 min

    Fairafric-Gründer: Großes Umdenken in Wirtschaft nötig

    Um bestehende Missstände in den globalen Lieferketten zu beenden, sei ein tiefgreifenderes Umdenken nötig, ist Reimers überzeugt. Denn noch produziere der Globale Süden hauptsächlich die Rohstoffe, die erst in den Industrieländern zu fertigen Produkten veredelt würden.
    "So werden reiche Konzerne im Globalen Norden immer reicher", während die Rohstoffproduzenten im Globalen Süden in Armut verharrten, so Reimers: "Daran ändern weder Fairtrade noch das Lieferkettengesetz bisher leider nichts."

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