27:40 min
FAQ
Nach Anschlag bei Moskau:ISPK: Wie hoch ist die Gefahr in Deutschland?
von Kevin Schubert
|
Frankreich hat nach dem Anschlag bei Moskau die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen. Und Deutschland? Anlass zur Panik besteht keine - doch die Behörden sind alarmiert.
Der Terroranschlag bei Moskau wirkt sich auf die Sicherheitslage aus: Neben der Fußball-EM in Deutschland sind auch die Olympischen Spiele in Paris ein potenzielles Terrorziel.25.03.2024 | 1:52 min
Nach dem Terroranschlag bei Moskau stuft die Bundesregierung die Gefahr auch hierzulande als "akut" ein. Der mutmaßlich verantwortliche IS-Ableger "Islamischer Staat Provinz Khorasan", kurz ISPK oder ISIS-K, stelle derzeit "auch in Deutschland die größte islamistische Bedrohung" dar, sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der "Süddeutschen Zeitung".
Im Gespräch mit ZDFheute betont Terrorismus-Experte Hans-Jakob Schindler, dass Panik unangebracht sei. "Wir haben ein Sicherheitssystem, das gut funktioniert", sagt der Senior Director des Counter Extremism Project. Dennoch sei die Gefährdungslage in den vergangenen Monaten gestiegen. Wie also steht es um Deutschlands Sicherheit?
- Sendehinweis: Antworten auf wichtige Fragen hier - und um 19:30 Uhr bei ZDFheute live.
Nach dem Terroranschlag bei Moskau wächst auch in Europa die Angst vor islamistischer Bedrohung. In Frankreich und Italien gelten bereits erhöhte Sicherheitsvorkehrungen, auch für Deutschland besteht akute Terrorgefahr.25.03.2024 | 1:44 min
Wie groß ist die islamistische Terrorgefahr in Deutschland aktuell?
Beziffern lässt sich das nicht. Terrorwarnstufen gibt es in Deutschland grundsätzlich nicht. Allerdings sprechen Behörden und Experten von einer erhöhten Gefährdungslage. "Ich schätze die Terrorgefahr als signifikant ein", sagt etwa Schindler.
Das hänge vor allem mit dem Krieg der Hamas gegen Israel zusammen, erklärt der Experte. "Die Hamas ruft ihre Anhänger permanent auf, Anschläge zu verüben - auch in Deutschland." Der Terrorismus-Experte Peter Neumann spricht im Deutschlandfunk von einer riesigen "Mobilmachung von Islamisten, von Dschihadisten überall in Westeuropa".
Die Initiative "Muslim Interaktiv" tarnt sich mit Aufklärung über Rassismus. Doch sie gehört zu den islamistischen Gruppierungen, die dafür sorgen, dass die Gräben im Land wachsen.27.10.2023 | 13:16 min
Die erhöhte Aufmerksamkeit für Hamas, Hisbollah und Huthi setze zudem andere Terrorgruppen wie den sogenannten Islamischen Staat oder Al-Kaida unter Druck, sagt Schindler. "Keine Berichterstattung ist für eine Terrororganisation, die sich auch über Spenden finanziert, immer schlecht. Das setzt die Organisationen unter Druck, sich ins Gedächtnis zu rufen."
Wie viele islamistische Gefährder leben in Deutschland?
Die Behörden zählen nach Angaben aus Sicherheitskreisen derzeit 483 islamistische Gefährder in Deutschland.
Darüber hinaus zählt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) für das Jahr 2022 insgesamt 27.480 Personen mit einem sogenannten Islamismus-Potenzial. Das sind 2,9 Prozent weniger als noch 2021 (28.290 Personen). Den größten Anteil machen dabei Personen mit salafistischen Bestrebungen (11.000) aus. Zu IS und Al-Kaida liegen dem BfV keine gesicherten Zahlen vor.
- Bundesamt für Verfassungsschutz: Verfassungsschutzbericht 2022
Attentäter seien nicht nur zugereiste Menschen, auch "im eigenen Land" gebe es Radikalisierungspotential, so Schröter. Und dieses werde immer wieder bestärkt und bestätigt.27.12.2023 | 16:27 min
Agiert der IS-Ableger ISPK überhaupt in Deutschland?
Ja. Allein in den vergangenen zwölf Monaten sind mehrere Zellen aufgeflogen, die mit dem ISPK in Verbindung gebracht werden.
- Am 6. Juli 2023 nehmen Ermittler in Nordrhein-Westfalen sieben Verdächtige fest. Die Männer stammen vor allem aus Tadschikistan und sollen Verbindungen zu Zellen in Frankreich und Dänemark gehabt haben.
- Im November nehmen die Behörden zwei Jugendliche in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg fest. Sie sollen einen Weihnachtsmarkt-Anschlag geplant haben, um sich im Anschluss dem ISPK in Afghanistan anzuschließen.
- Im Dezember 2023 verhaften die Behörden in Österreich und Deutschland Mitglieder des ISPK, die unter anderem Anschläge auf den Kölner Dom und den Wiener Stephansdom geplant haben sollen.
- Am 19. März 2024 lässt die Bundesanwaltschaft zwei afghanische ISKP-Mitglieder in Gera festnehmen. Sie sollen Anschläge in Schweden geplant haben.
Die Terrorgruppe "Islamischer Staat Provinz Khorasan" (ISPK) aus Afghanistan gilt als besonders radikal. Immer wieder droht sie mit Anschlägen auch im Westen. 27.12.2023 | 0:54 min
Geht vom ISPK die größte Gefahr in Deutschland aus?
Innenministerin Faeser sagt das, Experte Hans-Jakob Schindler bekräftigt es. Er nennt vier Festnahmen in weniger als zwölf Monaten "bemerkenswert". "Wann hatten wir so etwas schon einmal?" Auch Peter Neumann vom Londoner King's College attestiert dem ISPK im Deutschlandfunk, "sehr ambitioniert und aggressiv auch Anschläge im nichtmuslimischen Ausland" zu versuchen.
Warum ist Deutschland überhaupt im Visier von Islamisten?
Als Teil von Europa und der westlichen Welt "waren wir schon immer im Zielspektrum", sagt Schindler. "Wir haben Al-Kaida in Afghanistan bekämpft. Wir waren Teil der Anti-IS-Koalition. Wir unterstützen Israel gerechtfertigterweise im Kampf gegen die Hamas."
Warum Russland im Visier von Islamisten ist, erklärt Terrorismus-Experte Peter Neumann im ZDF. 23.03.2024 | 2:36 min
Gibt es Orte, die besonders gefährdet sind?
Schindler nennt zum einen staatliche Einrichtungen, die in der Regel allerdings gut bewacht seien. Zum anderen seien Großveranstaltungen wie die Europameisterschaft in Deutschland oder die Olympischen Spiele in Paris im Visier von Terroristen.
Schindler warnt mit Blick auf die EM allerdings vor Panikmache. "Keiner kann 100 Prozent Sicherheit garantieren, aber für solche Großveranstaltungen gibt es seit Jahrzehnten internationale Sicherheitsstrukturen, die noch einmal verstärkt nur diese Events sichern", erklärt der Terrorismus-Experte. "Die sind etabliert, die funktionieren." Großangelegte Angriffe wie auf die Moskauer Konzerthalle hält er in Deutschland für eher unwahrscheinlich.
Sicherheitsbehörden warnen gerade angesichts der Fußball-EM vor wachsender Terrorgefahr. "Die Strategie der deutschen Sicherheitsbehörden ist ganz klar: Frühzeitig eingreifen und stören", so ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke.25.03.2024 | 2:48 min
Zeigen die Festnahmen, dass die Behörden die Situation im Griff haben?
Schindler weist darauf hin, dass den Festnahmen meist Hinweise aus dem Ausland vorangingen. Für ihn beweisen sie deshalb vor allem, "dass die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus gut läuft".
Der Experte sieht dennoch strukturelle Defizite in Deutschland. "Wir haben ein föderales System, also: 16 Landesämter für Verfassungsschutz, 16 Landeskriminalämter, dazu die Bundesbehörden", kritisiert Schindler. "Das ist schwer zu koordinieren."
Zudem seien die Befugnisse der Behörden etwa im Bereich der Internetüberwachung in den vergangenen Jahren stark eingeschränkt worden. "Strategisch müssen wir uns überlegen, ob Zeitenwende nicht auch heißt, dass wir uns die Notwendigkeit von Sicherheitsbehörden in Deutschland in Erinnerung rufen." Laut Schindler brauche es dafür ein anderes Gerüst - und eine bessere Balance zwischen persönlichen Freiheitsrechten und Datenschutz einerseits sowie dem Schutz der Allgemeinheit andererseits.
8:25 min
Politik | frontal:Der Kampf gegen radikale Islamisten
von Michael Haselrieder und Julia Theres Held
36:23 min
Angriffe auf Israel und Schiffe:Wie gefährlich ist die Huthi-Miliz?
mit Video